Protokoll der Sitzung vom 16.08.2017

änderung zu beschäftigen. Es ist gut, dass wir darüber keine politische Auseinandersetzung geführt haben, sondern die Rechtssicherheit für Schulen im Blick hatten.

Wir haben gemeinsam einen tragfähigen Kompromiss gefunden. Ich glaube, das war gerade vor dem Hintergrund nicht ganz so einfach, weil wir in zwei Grundrechte eingreifen: die Religionsfreiheit und den staatlichen Bildungsauftrag. Das sind zwei sehr hohe Rechtsgüter. Ich finde es richtig, dass man vor dem Hintergrund nach wirklich guten und rechtssicheren Instrumenten gesucht hat, um das Schulgesetz nicht mit Ver- und Geboten zu überfrachten, sondern mit Handlungsmöglichkeiten für die Schulen auszustatten, um eine offene Kommunikation in der Schule herzustellen. Diesem Anspruch genügt das derzeit vorliegende Gesetz, das wir heute hier gemeinsam verabschieden werden.

Es genügt vor allen Dingen auch dem Anspruch aus dem Rechtsgutachten von Professor Wißmann, der den Blick darauf geschärft hat, dass es um Mitwirkungsrechte und Mitwirkungspflichten von Schülerinnen und Schülern zur Erfüllung des Bildungsauftrags geht. Von daher ist es gut, dass die Formulierung jetzt so getroffen worden ist, wie sie getroffen wird.

Was bleibt für uns am Ende? - Wir haben eine gute rechtliche Grundlage für die Schulen geschaffen. Wir haben es wirklich zeitnah zum Schuljahresbeginn hinbekommen. Unser Ziel war es, es direkt zum Anfang des Schuljahres hinzubekommen. Das ist aus guten Gründen nicht erfolgt, weil es noch eine Anhörung gegeben hat. Diese Anhörung war sehr umfangreich und auch gut.

Aus dieser Anhörung ist eines deutlich geworden: Die überwiegende Mehrheit trägt genau diesen Gedanken der Änderung des Schulgesetzes mit. Es gab eine Reihe von Hinweisen, mit denen uns mit auf den Weg gegeben worden ist, dass wir Verfahrensregelungen schaffen und den Schulen untergesetzliche Regelungen und Erklärungen als Handreichung an die Hand geben sollen. Auch das ist aufgegriffen worden. Das steht dann am Ende der Kette.

Wenn heute das Gesetz verabschiedet wird, wird das Kultusministerium den Schulen Handreichungen und Verfahrensregelungen mit auf den Weg geben, so wie sich das gehört. Das ist ein gutes, ein sauberes Verfahren.

Ich bin froh, dass wir diesen Weg gemeinsam gegangen sind. Herzlichen Dank dafür! Ich freue mich auf die Beschlussfassung.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Politze. - Es hat jetzt für die CDU-Fraktion der Kollege Jörg Hillmer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut und richtig, dass wir diese wichtige Gesetzesänderung heute gemeinsam auf den Weg bringen. Es ist auch gut und richtig, dass Sie von SPD und Grünen gerade noch rechtzeitig eingesehen haben, was wir schon seit dem letzten Jahr immer wieder betont haben: Wir dürfen unsere Schulen bei der Frage der Vollverschleierung im Unterricht nicht alleine lassen.

Meine Damen und Herren, es geht nicht um den Einzelfall. Es geht uns darum, dass Unterricht in unseren Schulen in Niedersachsen nur vernünftig möglich ist, wenn Kommunikation im üblichen Maße stattfinden kann.

(Beifall bei der CDU)

Das ist aber nicht gegeben, wenn Mädchen in den Klassenräumen einen Nikab oder eine Burka tragen, die das gesamte Gesicht verhüllen und maximal einen Schlitz für die Augen offenlassen.

(Beifall bei der CDU - Jens Nacke [CDU]: Sehr richtig!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot und Grün, leider war Ihre Einsicht ja nicht selbstverständlich, sondern ein quälend langer Prozess. Zuerst waren Sie bzw. war Ihre Kultusministerin Heiligenstadt ganz fest der Ansicht, dass das Schulgesetz in bisheriger Form ausreicht und das Tragen von Nikab und Burka in Niedersachsen rechtswidrig ist. Dann wollten Sie das aber nicht so genau nehmen und dem Mädchen an der Oberschule in Belm - der Fall ist inzwischen ja bundesweit bekannt - nicht verbieten, ihren Nikab weiter zu tragen. Sie hatten also eine Rechtsauffassung, die Sie aber selbst nicht umsetzen wollten. Das ist ein untragbarer Zustand in einem Rechtsstaat.

Es musste dann erst im Frühjahr dieses Jahres dem Ministerpräsidenten der Kragen platzen, dessen Staatskanzlei dann ein Gutachten bei Profes

sor Wißmann in Münster in Auftrag gab. Dieser Professor Wißmann kam dann zu dem Schluss, dass das Niedersächsische Schulgesetz dringend geändert werden muss. Wörtlich schrieb er, die bisherige Rechtslage sei problematisch und letztlich unzureichend. - Deutlicher geht es nun wirklich nicht mehr!

Erst dann hat Kultusministerin Heiligenstadt endlich überhaupt etwas in dieser Angelegenheit getan. Da waren wir schon im Mai; die Sommerpause nahte. Der Kultusausschuss benötigte sogar eine Sondersitzung, um den Gesetzentwurf noch ansatzweise rechtzeitig aufs Gleis zu setzen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Aber relativ gründlich!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Das, was heute hier beschlossen werden soll und wird, ist ein Minimalkonsens. Wir sind mit dem Ergebnis nicht zufrieden, insbesondere wieder einmal nicht mit der Tatenlosigkeit der Kultusministerin. Sie alle haben den schriftlichen Bericht in der Drucksache 17/8554 meines Fraktionskollegen André Bock zum vorliegenden Gesetzentwurf erhalten. Darin ist unsere Forderung nachzulesen, dass die untergesetzlichen Regelungen zu dieser Schulgesetzänderung bis zur heutigen Plenarsitzung vorgelegt werden sollen. Das ist leider nicht geschehen. Wo sind nun die Erlasse, an denen sich die Schulen ab sofort orientieren sollen? Insbesondere: Welche Sanktionsmöglichkeiten haben die Lehrkräfte, wenn gegen das Verbot von Nikab und Burka verstoßen wird?

Warme Worte haben schon im Fall Belm nicht weitergeholfen. Kultusministerin Heiligenstadt, Sie bleiben die Antwort weiter schuldig.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben gesagt, dass wir angesichts der veränderten Mehrheitsverhältnisse hier in diesem Hohen Hause in den Wochen vor der vorgezogenen Landtagswahl die Gesetze auf den Weg bringen wollen, die von besonderer Wichtigkeit für unser Land sind. Der vorliegende Gesetzentwurf gegen die Vollverschleierung an den Schulen ist solch ein Gesetz. Darum werden wir heute zustimmen, auch wenn die Kultusministerin ihre Arbeit wieder einmal nicht vernünftig gemacht hat.

Der nächste Niedersächsische Landtag wird nach den Wahlen am 15. Oktober erneut die Möglichkeit haben, unser Gesetz gegen die Verhüllung des Gesichts in öffentlichen Gebäuden zu verabschie

den, das wir im März 2017 vorgelegt haben. Darin fordern wir ein Gesichtsverhüllungsverbot nicht nur in Schulen, sondern in allen öffentlich zugänglichen Gebäuden von Land und Kommunen. Bereits 2011 hat die CDU-geführte Landesregierung in Niedersachsen ein Verhüllungsverbot für Landesbedienstete eingeführt.

Meine Damen und Herren, die CDU steht für einen klaren Kompass, für klare Werte. Wir wollen, dass Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft ihr Gesicht zeigen und am öffentlichen Leben genauso teilnehmen können wie jeder andere Bürger Niedersachsens auch.

(Beifall bei der CDU)

Das Tragen einer Burka, eines Nikabs oder ähnlicher Kleidungsstücke steht im krassen Gegensatz zu unserer Kommunikationskultur und verhindert die vollwertige Teilhabe an unserer Gesellschaft, sei es im Klassenraum oder anderswo in der Öffentlichkeit. Wir wollen nicht, dass die Religionsfreiheit und -ausübung dazu missbraucht werden, die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten insbesondere von jungen Frauen einzuschränken. Für uns als CDU ist klar: Die Vollverschleierung widerspricht der für unser Gemeinwesen grundlegenden Kultur eines offenen Dialogs.

Sehr geehrte Abgeordnete von SPD und Grünen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil, leider fehlt Ihnen ein solcher Kompass. Ihre Islampolitik ist in dieser Legislaturperiode völlig gescheitert.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben nach langem Zaudern die Verhandlungen mit DITIB und Schura zu einem Vertrag abgebrochen. Ich bedaure, dass sich diese beiden Verbände, die von sich sagen, dass sie die Muslime in Niedersachsen vertreten, von denen Sie sich als Regierung im Landesschulbeirat auch beraten lassen wollen, noch nicht einmal an der öffentlichen Anhörung zum gemeinsamen Gesetzentwurf gegen die Vollverschleierung in Schulen beteiligt haben. Wen betrifft diese Gesetzesänderung denn sonst, wenn nicht unsere Mitbürger muslimischen Glaubens?

Meine Damen und Herren, wir stellen heute mit einer Schulgesetzänderung erste Weichen in die richtige Richtung. Damit stehen wir jedoch beim richtigen und vernünftigen Umgang mit vollverschleierten Frauen und Mädchen in der Öffentlichkeit erst am Anfang. Wir werden das Thema nach dem 15. Oktober wieder aufrufen. Darauf können

Sie sich verlassen. Heute gehen wir nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hillmer. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Heiner Scholing das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heutigen Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs geht eine lange, teilweise hitzig geführte Debatte voraus. Ausgangspunkt ist der Fall einer Schülerin in Belm. Von ihr ist bekannt geworden, dass sie bereits seit mehreren Jahren einen Nikab trug. Dass es in einigen anderen Fällen gelungen ist, durch pädagogische Maßnahmen Schülerinnen dazu zu bewegen, einen Nikab abzulegen, hat leider sehr wenig Berücksichtigung in der Debatte gefunden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Debatte, die die Opposition hier in dieses Haus getragen hat - Anklänge davon habe ich jetzt auch wieder gehört -, war völlig überzogen und hat teilweise hysterische Züge getragen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Eine ganz einfache Frage stand viel zu wenig im Mittelpunkt, nämlich die Frage: Wie bekommen wir Schülerinnen aus der Burka heraus? - Stattdessen ging es um die Frage: Wie bekommen wir sie aus der Schule heraus?

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ein Einzelfall wurde gnadenlos missbraucht. Höhepunkt war die sogenannte Ministerinnenklage gegen die Kultusministerin. Um eine sachliche Debatte ging es da schon lange nicht mehr.

Man kann zu Recht fragen - in unserer Fraktion ist das intensiv gefragt worden -: Ist es in Ordnung, dass ein Einzelfall - im wahrsten Sinne des Wortes ein Einzelfall - uns dazu veranlasst, ein gutes Schulgesetz - das meine ich aus vollem Herzen - zu verändern?

Wir haben uns nach langer interner Debatte entschieden, diese Gesetzesänderung mitzutragen. Wir haben es getan, um Rechtssicherheit zu vermitteln und um eine Norm zu setzen.

Wir brauchen in der Schule offene Kommunikation. Wir brauchen sie übrigens auch hier im Landtag. Wir brauchen die offene Kommunikation in der Auseinandersetzung in unseren Fraktionen. Das erwarte ich von meinen Kolleginnen und Kollegen.

Kommunikation ist natürlich mehr als Sprache; das wissen wir auch. Wer sich ein bisschen mit Kommunikationstheorie beschäftigt hat, der weiß, dass Kommunikation natürlich auch Mimik und Gestik ist. Es wird aber auch in Zukunft die Herausforderung sein, diese Norm pädagogisch umzusetzen. Es werden in erster Linie pädagogische Maßnahmen sein, mit denen wir Schülerinnen bewegen können, auf eine Verschleierung des Gesichts zu verzichten, und nicht Sanktionen oder Ordnungsmaßnahmen, Schulverweise.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn wir wollen doch die Beteiligung an Bildung und nicht den Ausschluss von der Bildung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür brauchen Schulen Unterstützung, und sie brauchen einen gesicherten Rahmen, einen geschützten Raum. Sie brauchen aber keine Skandalisierung von Einzelfällen.