Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

Es liegt eine Wortmeldung von der FDP-Fraktion vor. Herr Abgeordneter Björn Försterling, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, weil ich der Presse entnehmen konnte, dass es für einige sehr überraschend kam, einmal sagen, warum wir, die FDPLandtagsfraktion, uns in dieser durchaus zentralen bildungspolitischen Frage in der vorvergangenen Woche anders positioniert haben als in der Vergangenheit.

Wir haben die letzten Wochen und Monate intensiv genutzt, um mit Schülern, Lehrern, Eltern, auch mit diversen Verbänden dieses Thema erneut zu diskutieren. Unabhängig von Meinungen der Verbände ist doch wichtig, dass sich bei Schülern, Eltern und Lehrern eine eindeutige Positionierung durchgesetzt hat, nämlich dass man die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren möchte.

Vor Ort wird gewünscht, dass nicht mehr über diese Grundsatzentscheidung diskutiert wird, dass es kein Dialogforum mehr gibt, das sich mit der Frage des Ob befasst. Vielmehr möchte man, dass es folgende Grundsatzentscheidung gibt: Ja, wir wünschen die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren. - Es soll dann tatsächlich mit Experten besprochen werden, wie das gelingen kann.

(Beifall bei der FDP)

An diesem Prozess wollen wir, die FDP-Landtagsfraktion, uns konstruktiv beteiligen. Wir haben ein eigenes Konzept vorgelegt, das als Grundlage für weitergehende Diskussionen dienen soll und auch den Wunsch nach einer Flexibilisierung berücksichtigt - einen Wunsch, den auch Vertreter von SPD und Grünen in den letzten Wochen und Monaten immer wieder geäußert haben. Insofern haben wir die Hoffnung, dass unser Modell hier auf einen fruchtbaren Boden fällt. Aber wir verlangen eben auch von der Landesregierung, von der rotgrünen Mehrheit, dass es zunächst eine solche Grundsatzentscheidung zur Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren gibt.

Für uns sind die Modelle, die gerade im Dialogforum parallel zum Modell einer Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren diskutiert werden, eben nicht tragfähig.

(Ina Korter [GRÜNE]: Das wissen Sie doch noch gar nicht!)

Da wird u. a. diskutiert, die Lerninhalte um 20 % zu reduzieren, aber beim Abitur nach 12 Jahren zu bleiben. Das kann aus unserer Sicht keine Antwort sein. Wenn man das Leistungsniveau des Abiturs

erhalten will, kann man nicht bei einer Verkürzung der Schulzeit um ein Dreizehntel ein Fünftel der Lerninhalte wegstreichen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Damit schwächt man das Abitur und stärkt es nicht.

(Beifall bei der FDP)

Die andere Position, die diskutiert wird, ist die Modularisierung der gymnasialen Oberstufe. Auch das kann für uns keine tragfähige Lösung sein, weil wir zum einen meinen, dass es schon etwas merkwürdig ist, wenn ein Oberstufenschüler so lange einzelne Module besuchen kann, bis er mit seiner Abiturnote zufrieden ist, und zum anderen meinen, dass sie nicht die Situation entschärft, die von Schülern, Eltern und Lehrern angeprangert wird.

Wenn man ins Detail geht, dann stellt man fest, dass zwar vielfach auch über die damalige Reform der gymnasialen Oberstufe diskutiert wird - das wird ein Extrapunkt sein, den man bearbeiten muss -, aber das Hauptproblem an den Gymnasien die Stundenbelastung im Sekundarbereich I ist. Das kann man eben nur ändern, indem man die Schulzeit wieder auf 13 Jahre verlängert. Denn an den KMK-Vorgaben zur vorgeschriebenen Stundenzahl hinsichtlich der Anerkennung des Abiturs wird sich nichts verändern.

Das heißt, wenn man tatsächlich eine Entlastung der Schülerinnen und Schüler erreichen will, dann muss man diese zuallererst im Sekundarbereich I herbeiführen. Diese Positionierung muss man schnellstmöglich treffen; denn das Hinauszögern dieser Grundsatzentscheidung führt gerade zu einer Verunsicherung an den Gymnasien, weil Schülern, Eltern und Lehrern völlig unklar ist, wie es mit den Gymnasien weitergeht. Diese Baustelle müssen Sie beseitigen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich will nur einen Satz aus einer Resolution des Gymnasiums Hankensbüttel vorlesen, der eigentlich ein Auftrag an Sie ist: „Nach den Erfahrungen mit G 8 in Niedersachsen und auch in anderen Bundesländern gibt es jetzt für die neue Landesregierung keinen Grund mehr, eine Grundsatzentscheidung weiterhin hinauszuzögern.“

Treffen Sie diese Grundsatzentscheidung. Sorgen Sie heute schon für Klarheit an den Gymnasien in Niedersachsen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Zum gleichen Tagesordnungspunkt hat sich jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Ina Korter gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Försterling hat sich große Mühe gegeben, hier einmal ruhig zu erklären, warum die FDP innerhalb von drei Monaten eine 180-GradWende in der Schulpolitik hingelegt hat. Überzeugt hat uns das nicht, Herr Försterling.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, vor zehn Jahren hat die damalige schwarz-gelbe Koalition, die Landesregierung, mit einem Federstrich das Abitur nach 13 Jahren abgeschafft.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wir waren alle einer Meinung, Frau Korter!)

- Nein, wir nicht. Schauen Sie einmal im Protokoll nach!

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Fragen Sie mal Sigmar Gabriel! Das ist zwar nicht Ihr Mann, aber das stimmt!)

Wir haben Gegenanträge eingebracht.

Damals wurde der ganze Bildungsgang auf zwölf Jahre zusammengestampft. Die Folge war: Die Schülerinnen und Schüler aus der Grundschule gingen auf weitgehend unvorbereitete Gymnasien ohne Kerncurricula, ohne Stoffpläne, ohne neue Schulbücher, häufig ohne Mensen für die Schulen, die ja jetzt Ganztagsunterricht anbieten mussten.

Mit der überstürzten Einführung des Turboabiturs, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben Sie genau das Desaster angerichtet, das jetzt viele Verbände beklagen und das Sie jetzt auf einmal korrigieren wollen. Zuvor haben Sie aber zehn Jahre lang hier geschwiegen. Immer wieder haben wir das Desaster des G-8-Gymnasiums hier thematisiert. Wir haben auf die fatalen Folgen für die Pädagogik und die gesundheitlichen Auswirkungen hingewiesen; Sie haben davon nichts wissen wollen und nur hämische Kommentare abgegeben.

Nicht einmal, als Sie gemerkt haben, dass viele Eltern dem Turbogymnasium ausweichen und ihre Kinder lieber an einer IGS anmelden, haben Sie

Ihren Fehler der Einführung des Turbogymnasiums korrigiert.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ausgeses- sen!)

Nein, Sie haben die perfide Idee entwickelt, auch noch den niedersächsischen Gesamtschulen als einzigen in der ganzen Bundesrepublik das G 8 aufzuzwingen. Diesen Fehler haben wir von RotGrün im Sommer sofort korrigiert, und das war richtig so.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Aber erstaunlicherweise hat die FDP dieser Korrektur - Anhebung der Schulzeit an der IGS auf 13 Jahre - nicht zugestimmt. Warum denn nicht, Herr Försterling, wenn das doch so richtig und so wichtig ist?

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ja, warum eigentlich nicht?)

Im Juni dieses Jahres ging Ihnen all das noch zu schnell. Jetzt stellen Sie sich auf einmal hin und beklagen, dass die Abschaffung des Turboabis an den Gymnasien nicht schnell genug vorangehe. Was wollen Sie denn eigentlich? - Sie müssen sich schon einmal entscheiden, was Sie eigentlich wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nicht genug damit: Sie verhöhnen das Dialogforum der Kultusministerin zu G 8 und G 9 als „Kaffeerunde“ und beleidigen alle Verbände, die mit ihren Experten daran arbeiten, richtige, konkrete Entlastungen zu entwickeln; das sind der Landesschülerrat, der Landeselternrat, die großen Verbände. Ich finde, das ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Von einem „ergebnisoffenen Dialog“, den wir von Rot und Grün im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, haben Sie offensichtlich noch nichts gehört. Kein Wunder! Als Sie damals mit Herrn Althusmann zu Ihrem Bildungsgipfel eingeladen haben, waren die Verbände nicht beteiligt, sondern durften nur zur Kenntnis nehmen, dass Sie eine Oberschule durchsetzen wollten.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Genau! Verkündigungsveranstaltung!)

Mitreden durfte da keiner. Da konnte von „Dialog“ natürlich keine Rede sein, und deshalb kennen Sie das auch nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, sagen Sie es doch einfach: Sie haben Angst, dass die Attraktivität der Gymnasien leiden könnte, wenn die Entscheidung zum Turboabitur nicht sofort korrigiert wird. Dabei haben Sie - Sie allein - den Gymnasien in Niedersachsen dieses Problem eingebrockt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Und Sie hatten vielfältig Gelegenheit, dieses Problem zu beseitigen. Wir haben Ihnen 2011 einen Grünen-Gesetzentwurf vorgelegt, der allen Schulen, den Gesamtschulen und den Gymnasien, die Freiheit einräumen wollte, sich gemeinsam mit den Schulträgern für den Bildungsgang G 8 oder G 9 zu entscheiden.

Was haben Sie damals den Mund voll genommen, Herr Försterling! Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll von 2011:

„Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab, weil wir grundsätzlich die Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren für richtig halten, sowohl an den Gymnasien als auch den Integrierten Gesamtschulen.“

Aber was schert mich mein Geschwätz von gestern, Herr Försterling!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Kollegin Korter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Försterling zu?

Nein.