Protokoll der Sitzung vom 25.09.2013

Gleichzeitig hat die Landesregierung die Mipla, die mittelfristige Finanzplanung 2013 bis 2017 beschlossen, die Ihnen ebenfalls vorliegt.

Mit Haushaltsplanentwurf und Mipla nehmen wir zentrale Ziele der Koalitionsvereinbarung planerisch auf. Wir setzen, wie angekündigt, einen deutlichen Schwerpunkt bei den Bildungsetats. Gleichzeitig geben wir Ihnen einen Ausblick, wie der Auftrag des Grundgesetzes, spätestens ab dem Jahre 2020 ohne eine Nettoneuverschuldung auszukommen, auf der Basis der belastbaren und verhandelten Haushaltsdaten erreicht werden kann.

Meine Damen und Herren, Bund und Länder stehen vor großen Herausforderungen. Die Tragfähigkeit der Haushalte muss gesichert werden. Das kann nur mit ausgeglichenen Haushalten ohne Nettokreditaufnahme gelingen. Das ist ja die Grundidee der Grundgesetzänderung. Im Hinblick auf die Lastenverteilung zwischen den Generationen ist dies von besonderer Bedeutung. Aus gutem Grund gibt es das Gebot für die Länder, ab 2020 ohne Neuverschuldung auszukommen, also die Schuldenbremse einzuhalten.

Die Landesregierung wird diesem Gebot folgend das strukturelle Defizit entsprechend den Vorgaben aus dem Grundgesetz abbauen und spätestens - ich betone: spätestens - im Jahre 2020 einen ausgeglichen Haushalt erreichen. Ob das schon eher gelingen wird - was natürlich wünschenswert ist -, hängt vor allem von landespolitisch kaum beeinflussbaren Größen ab, nämlich von der Wirtschafts- und der Steuerentwicklung der nächsten Jahre.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das trauen Sie sich nicht zu!)

Haushaltsplanentwurf und Mipla unterstellen eine stetige positive Entwicklung. Eine tiefer gehende Krise - die haben wir ja vor nicht allzu langer Zeit erlebt - ist nicht unterstellt. Ebenso wenig ist ein

rasantes Wachstum unterstellt. Alles in allem ist das also eine konservative Planung.

In den letzten Jahren wurden - daran darf ich mal erinnern - abnehmende Nettokreditaufnahmelinien von der Vorgängerregierung regelmäßig unter Einbeziehung von Einmaleffekten wie Rücklagenentnahme und Vermögensveräußerung realisiert. Damit wurde ein Konsolidierungspfad vorgetäuscht. Tatsächlich greifen diese Instrumente für einen dauerhaften, strukturellen Ausgleich des Haushalts zu kurz.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch nach der Definition des Stabilitätsrats reicht es nicht, nur auf die Nettokreditaufnahme zu schauen. Entscheidend ist vielmehr das strukturelle Defizit. Dieses ist im laufenden Jahr 2013 - Ihr Haushalt, meine Damen und Herren - immer noch 1,3 Milliarden Euro groß. Dieses strukturelle Defizit ermittelt sich aus der veranschlagten Nettokreditaufnahme von aktuell 620 Millionen Euro. Dem sind Rücklagenentnahmen, Beteiligungsverkäufe und die Entnahmen aus der Versorgungsrücklage hinzuzurechnen. Wenn Sie das tun, stellen Sie fest, dass das strukturelle Defizit mehr als doppelt so groß ist wie die Nettokreditaufnahme. 1,3 Milliarden Euro sind die Ausgangsbasis, die wir bei Übernahme der Regierungsgeschäfte vorgefunden haben.

(Johanne Modder [SPD]: Ja! Schlimm genug!)

Was bedeutet das nun für uns? - Um diesen enormen Betrag auf null zu bringen - das ist ja in der langen Geschichte des Landes Niedersachsen und auch in den zehn Jahren der Vorgängerregierung nicht gelungen -, ist weit mehr notwendig, als allein auf die Nettokreditaufnahme zu schauen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Reinhold Hilbers [CDU]: Wann fangen Sie denn damit an?)

Es bedeutet, dass dauerhaft auf Einmaleffekte verzichtet werden muss. Nur so kann eine dauerhafte Basis geschaffen werden. Finanzpolitisch ist die Konsolidierung des Haushalts mit der obersten Priorität zu versehen. Die Rückführung des strukturellen Defizits ist eine der zentralen Aufgaben der Niedersächsischen Landesregierung. Wir senken - das können Sie in der Mipla sehen - das Defizit schrittweise, und wir senken es nachhaltig.

Natürlich - daran besteht kein Zweifel - ist der wichtigste Baustein die Verringerung der Nettoneuverschuldung. Sie wird in der vorgelegten Mipla kontinuierlich abgebaut. Ausgehend vom Jahr 2014 mit 720 Millionen Euro sehen die Folgejahre jeweils Abbauschritte von 120 Millionen Euro vor. Nur zur Erinnerung: 720 Millionen Euro sind exakt der Wert, den die vorherige Landesregierung in ihrer letzten Mipla 2012 bis 2016 für 2014 vorgesehen hatte. Wir erhöhen also die Nettokreditaufnahme gegenüber der Mipla nicht, sondern wir setzen auf der alten Mipla auf.

Nun hat es zwischendrin einige Dinge gegeben, die Sie kennen. Ende 2012 gab es eine erfreuliche Entwicklung bei den Steuereinnahmen. Im Einvernehmen aller heute hier anwesenden Fraktionen wurde die Nettokreditaufnahme mit dem Nachtragshaushaltsplan 2012/2013 für diese beiden Jahre gegenüber dem ursprünglichen Doppelhaushaltsplan um 505 Millionen bzw. 350 Millionen Euro abgesenkt. Im Ergebnis ist mit diesem Vorgang der Eindruck suggeriert worden, es sei ein Leichtes, schon im Jahr 2017 auf neue Kredite verzichten zu können. Die Wirklichkeit, meine Damen und Herren, ist eine andere.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will jetzt versuchen, Ihnen diese zu erläutern: Die vorherige Landesregierung hatte in den Haushalten zurzeit der Finanzkrise - 2008, 2009 und 2010 - hohe Nettokreditaufnahmen veranschlagt. In dieser Höhe wurden sie dann aber gar nicht gebraucht. Stattdessen wurden in den Jahren 2008, 2009 und 2010 faktisch sogar Zuführungen zur Rücklage getätigt.

(Ulf Thiele [CDU]: Da können Sie mal sehen, wie wir gewirtschaftet haben! Und Sie kommen jetzt mit dem Geld nicht hin!)

Außerdem war vor 2010 eine hohe Entnahme aus der allgemeinen Rücklage in Höhe von 730 Millionen Euro vorgesehen. Auch diese wurde nicht gebraucht. Daraufhin - das ist jetzt das Geheimnis des Nachtragshaushaltsplans kurz vor der Wahl - befanden sich Ende 2010 1,2 Milliarden Euro in der allgemeinen Rücklage. Ende des Jahres 2013 werden es nur noch 210 Millionen Euro sein.

(Johanne Modder [SPD]: 1 Milliarde!)

1 Milliarde Euro aus der Rücklage hat die Vorgängerregierung verbraucht - ich kann auch sagen: „verfrühstückt“.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Das ist unglaublich!)

Im Lichte des Urteils von Bückeburg betrachtet: Statt echter Nettokreditaufnahmen wurden Rücklagen für den Haushaltsausgleich verwendet. Also wurden Kredite auf der Basis alter Kreditermächtigungen aufgenommen. Das hat Bückeburg nun klargestellt. Das sind genauso Kredite. Insofern haben Sie hier einen unrichtigen Eindruck vermittelt, mit einigem Geschick allerdings, wie ich zugeben muss.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Noch eines: In der Mipla 2012 bis 2016 waren für jedes der vor uns liegenden Jahre - also für 2014, 2015 und 2016 - Vermögensveräußerungen im Umfang von 110 Millionen Euro vorgesehen. Sie wollten also weitere 330 Millionen Euro aus Vermögensverkäufen zur Haushaltsdeckung heranziehen. Das aber ist keine Auflösung der strukturellen Lücke. Das wäre nur wieder das Werfen von Nebelkerzen gewesen.

Also: Einmaleffekte und eine Nichtsenkung des strukturellen Defizits haben Sie vorgesehen. Damit machen wir jetzt Schluss. Wir reduzieren die für 2014 eingeplanten Beteiligungsveräußerungen deutlich. In der Mipla planen wir überhaupt keine Einnahmen dieser Art ein. Wenn das eine oder andere doch kommt, dann soll es so sein. Das planen wir aber nicht systematisch für den Haushaltsausgleich ein. Das ist erstens realistisch und zweitens tatsächlich eine Rückführung des strukturellen Defizits. Das ist der richtige Weg zum Haushaltsausgleich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das macht den Haushaltsausgleich in den Jahren aber nicht leichter. Das sind Mindereinnahmen. Wir rechnen nicht damit, dass wir das alles durch konjunkturell bedingte Steuermehreinnahmen kompensieren können. Das hat die Steuerschätzung vom Mai 2013 gezeigt. Trotzdem erreichen wir das Ziel - das ist die eigentliche Leistung des Entwurfs, der Ihnen heute vorgelegt wird - mit realistischen Annahmen unterlegt und mit größeren Schritten, als es der Abbau der Nettoneuverschuldung auf den ersten Blick vermuten lässt. Bereits im Jahr 2014 werden wir das strukturelle Defizit - Sie müssen da die eben erwähnten Faktoren mitzählen - um 360 Millionen Euro auf 936 Millionen Euro ab

senken. In den Folgejahren verringern wir, weil keine Einmaleinnahmen eingeplant sind, über die Nettokreditaufnahme hinaus das strukturelle Defizit auf 746 Millionen Euro, dann auf 497 Millionen Euro und schließlich auf 361 Millionen Euro im Jahr 2017. Innerhalb von vier Jahren verringern wir also die strukturelle Lücke um 1 Milliarde Euro. Wir machen dabei zudem, wie gesagt, keinen Verschiebebahnhof zwischen Rücklageentnahmen und Nettokreditaufnahme.

Meine Damen und Herren, eines will ich aber auch noch sagen - das muss allen klar sein -: Auf Dauer kann der Haushaltsausgleich nur gelingen, wenn die Einnahmen stärker steigen als die Ausgaben. Das ist an sich eine simple Weisheit. Es liegt deshalb aber auch auf der Hand, dass auf der Ausgabenseite weitere Anstrengungen notwendig sind. Eine sparsame Haushaltsführung ist unverzichtbar. Ich vermute aber, dass Maßnahmen allein auf der Ausgabenseite nicht ausreichen werden. Bereits jetzt ist der Handlungsspielraum eng begrenzt. Ich habe schon auf die Probleme bei der Infrastrukturfinanzierung hingewiesen.

(Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU])

- Nun warten Sie es doch ab, bis Sie zu Wort kommen!

Wir müssen deshalb neue Prioritäten und Bedarfe weitgehend nur durch Umschichtungen innerhalb bestehender Haushaltsansätze realisieren. Angesichts der Größenordnung des strukturellen Defizits, das wir geerbt haben, müssen auch Verbesserungen auf der Einnahmeseite angestrebt werden.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Länder allein kaum Möglichkeiten haben, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Den uns zur Verfügung stehenden Korridor haben wir genutzt.

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen schlagen vor, den Steuersatz bei der Grunderwerbsteuer um einen halben Punkt auf 5 % zu erhöhen. Daraus rechnen wir mit Mehreinnahmen von 52 Millionen Euro im Jahr 2014 und dann dauerhaft mit 75 Millionen Euro pro Jahr. Ich denke, diese Erhöhung ist vertretbar. Sie ist nicht unangemessen, wie ein Blick in andere Länder zeigt. Elf andere Bundesländer haben denselben und sogar noch einen höheren Steuersatz. Die Kommunen werden wir fair beteiligen. Den für die Grunderwerbsteuer geltenden Anteilschlüssel deutlich oberhalb der Steuerverbundquote werden wir un

verändert lassen. Entsprechend wird den Kommunen ein Drittel der Mehreinnahmen zufließen. Das sind 17 Millionen Euro im Jahr 2014 und 25 Millionen Euro im Jahr ab 2015. Das ist im gesamten Mipla-Zeitraum ein zusätzliches Volumen für den kommunalen Bereich in Höhe von 92 Millionen Euro. Neben anderen Maßnahmen, wie z. B. der Anschlussfinanzierung des Zukunftsvertrages - da reden wir auch über eine Menge Geld -, ist dies exemplarisch Ausdruck des guten partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Land und Kommunen. Das ist uns wichtig. Deswegen pflegen wir das.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das war gestern in der Zeitung zu lesen!)

- Herr Hilbers, Sie müssen alle Zeitungen lesen. Dann werden Sie feststellen, dass zwei von drei Spitzenverbänden die Veränderung richtig finden, weil sie nämlich auch in der Sache richtig ist.

Zur Verbesserung der Einnahmebasis werden wir außerdem unsere Steuerverwaltung stärken. Wir werden zusätzliches Personal einstellen, um mehr Betriebsprüfungen durchführen zu können. Schwierige Sachverhalte müssen in einer Betriebsprüfung vernünftig analysiert und rechtlich bewertet werden. Wir erhöhen die Prüfdichte und damit die Steuergerechtigkeit und, so hoffe ich, auch die Akzeptanz.

Auf der Ausgabenseite führen insbesondere die Übernahme des Tarifabschlusses für den Bereich der Beamten und Versorgungsempfänger, die Kompensationsleistungen an die Hochschulen durch den Wegfall der Studienbeiträge ab dem Wintersemester 2014 sowie der Hochschulpakt zu deutlichen Mehrausgaben.

Meine Damen und Herren, „Allen wohl und niemandem wehe“ geht in der Haushaltspolitik leider nicht. Es ist nötig, einzelne spürbare Einschnitte vorzunehmen und klare Schwerpunkte zu formulieren. Anders ausgedrückt: neue Politik aus altem Budget. Nur so gelingt es uns, trotz des finanzpolitisch engen Korsetts die politischen Ziele der neuen Regierung in angemessener Form finanziell abzubilden. Sparen und Investieren lautet die Leitlinie, die wir verfolgen. Investieren in die Zukunftsfähigkeit des Landes und seiner Menschen. Dafür sind wir gewählt worden, und das setzen wir jetzt um.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat, wie versprochen, im Juli 2013 in ihrer Haushaltsklausur beschlossen, die Studienbeiträge zum

Wintersemester 2014 abzuschaffen. Damit leistet Niedersachsen einen wesentlichen Beitrag zu mehr Chancengleichheit beim Hochschulzugang.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Finanzielle Zugangshürden werden abgebaut, um mehr jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen. Das Land wird den Hochschulen, wie angekündigt, die wegfallenden Studienbeiträge zu 100 % ersetzen. Ich höre von den Hochschulen, dass dort große Zufriedenheit herrscht. Die notwendige Gegenfinanzierung für das Wintersemester 2014/2015 ist in den Entwürfen für das Haushaltsgesetz und für den Haushaltsplan 2014 umgesetzt. Planzahlen für die Folgejahre sind in der Mipla enthalten. Darüber hinaus sind im MiplaZeitraum übrigens weitere 100 Millionen Euro für die Schaffung von zusätzlichen Studienplätzen vorgesehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Schwerpunkt Bildungspolitik: Weitere 105 Millionen Euro werden wir im Mipla-Zeitraum zusätzlich für den Kultusbereich bereitstellen: für den Kita-Ausbau, für einen großen Qualitätssprung bei den Ganztagsschulen, aber auch insgesamt für eine Verbesserung des Unterrichts. Wir haben große Baustellen vorgefunden, die bedauerlicherweise ebenfalls eine große Menge an Haushaltsmitteln benötigen. Ich erinnere nur an das geerbte Fiasko bei den Sozialversicherungsbeiträgen für Betreuungskräfte.

Mehr als die genannten 100 Millionen Euro zusätzlich waren leider nicht möglich. Wir hätten gerne mehr gemacht. Weitere über 300 Millionen Euro werden jedoch durch Umschichtungen innerhalb des Kultushaushalts erwirtschaftet. Das Kultusressort ist damit ein gutes Beispiel für den Leitsatz: Neue Politik aus altem Budget.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)