Protokoll der Sitzung vom 31.10.2013

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mein Eindruck ist, die Debatte um Klimaschutz und Energiewende wirkt oft furchtbar freud- und kraftlos. Natürlich, Niedersachsen und auch Deutschland allein werden den Klimawandel nicht stoppen. Und die Zusammenhänge sind in der Tat nicht einfach, sondern kompliziert. Aber wer, wenn nicht wir, sollte die Klimapolitik zum Erfolg führen?

Wir hier in Niedersachsen haben zwar keine Rohstoffe und nur wenige fossile Brennstoffvorkommen. Aber wir zeichnen uns durch unsere vielen hoch qualifizierten Menschen aus. Wir sind ein Hochtechnologieland. Wir betreiben Spitzenforschung.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Erdgasvor- kommen! Haarsträubend, was Sie al- les nicht wissen!)

Wir sind führend bei den erneuerbaren Energien. Ja, wir sind die Nummer eins beim Ökostrom.

In Niedersachsen arbeiten wir an neuen Speichertechnologien und neuen Mobilitätskonzepten. Hier baut VW das Ein-Liter-Auto und ein Netz von Schwarmkraftwerken. Hier ist der Weltmarktführer für Wärmepumpen genauso zu Hause wie die internationale Windkraft-Weltspitze.

Warum sollten wir beim Thema Klimaschutz eigentlich verzagt sein? - In Niedersachsen entwickeln wir die Technologien, mit denen Klimaschutz erfolgreich werden kann. Hier entsteht das Knowhow, das auf den Märkten von morgen gefragt ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Warum sollten wir jetzt die Hände in den Schoß legen? Damit sich unsere Industrie weniger Gedanken über Energieeffizienz und Energiekostensenkung machen muss? Damit unsere Autoindustrie weiterhin ineffiziente Verbrennungsmotoren herstellen kann und die Trends von morgen verschläft? Damit die alten Monopol-EVUs dank ihrer fossilen Kraftwerksdinosaurier noch länger garantierte Renditen bekommen? Damit die Familie Quandt auch morgen noch die politische Landschaft pflegt? - Nein, meine Damen und Herren! Dafür nicht!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es gibt kein Bürgerrecht auf Klimaschmutzfinkerei! Die Freiheit, die Sie in der FDP anmahnen, ist doch stets auch die Freiheit der nächsten Generation.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Auch die der Andersdenkenden!)

Das sehen auch die Bürgerinnen und Bürger so. Nach wie vor sind 85 % der Menschen in diesem Land für eine klimafreundliche Energieversorgung. Und viele leisten bereits wichtige Beiträge zum Klimaschutz: Sie nutzen Car-Sharing-Angebote, haben ihre Häuser energetisch saniert oder beziehen Ökostrom. Sie haben die Chancen des Klimaschutzes längst erkannt. Fast jede zweite Kilowattstunde Ökostrom stammt aus Bürgerhand, von Bürgerinnen und Bürgern, von Landwirten oder Energiegenossenschaften. Diese Menschen investieren in die Zukunft und generieren zugleich regionale Wertschöpfung.

Bereits heute sind Klimaschutztechnologien hier ein Jobmotor. Allein die Erneuerbare-EnergienBranche beschäftigt 50 000 Menschen in Niedersachsen. Das ist ausbaufähig, wenn wir nicht nachlassen.

Die Politik ist gefordert - daher unser Antrag -, jetzt klare Orientierung zu geben. Dazu gehören Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne. Dazu gehört ein verbindlicher Rahmen wie das Klimaschutzgesetz und die dazugehörige Strategie. Wir brauchen aber auch auf Bundes- und Europaebene eine ambitionierte Klimapolitik. Daher bin ich froh, dass sich unser Ministerpräsident Stephan Weil gemeinsam mit unserem Umweltminister Stefan Wenzel und vielen aus Energiewirtschaft, Forschung und Verbänden jüngst auf einen gemeinsamen Vorschlag für die Energiewende 2.0. verständigt hat. Die neue Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, wieweit sie dieser weitsichtigen Maßgabe folgt.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns in der Debatte nicht einseitig auf Risiken, Unsicherheiten und Kosten versteifen. Angst und Verzagtheit bringen keine Zukunftsvision. Der Übergang in das postfossile Zeitalter der Klimapolitik - die Energiewende - ist nichts für Hasenfüße. Den Mutigen erschließen sich dagegen neue Möglichkeiten, neue ökonomische wie soziale Chancen. Die sollten wir nutzen. Es wäre schön, wenn Sie dabei wären und sich nicht weiter drücken.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Bajus.

Unter Tagesordnungspunkt 16 wird ein Antrag der Fraktion der FDP behandelt. Zu dessen Einbringung hat sich der Abgeordnete Dr. Hocker gemeldet. Herr Hocker, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, es fühlte sich in der letzten Sitzung des Umweltausschusses schon etwas komisch an, als mir sozusagen die geballte Empörung und die gesamte Political Correctness der Mehrheitsfraktionen in diesem Hause entgegengeschlagen sind. Dabei hatte ich lediglich die Frage gestellt, ob man im Jahre 2014 wirklich 9 Millionen Euro in den Klimaschutz investieren will oder ob man mit diesen Mitteln nicht besser diejenigen Gelder, die im nächsten Jahr aus Berlin nicht mehr für den Hochwasserschutz zur Verfügung gestellt werden, ausgleichen sollte. Darauf habe ich eine klare Antwort erhalten: Da geht Ihre Klimaschutzpolitik vor.

Deswegen sage ich es an dieser Stelle ganz deutlich: Jawohl, ich zweifle daran! Ich zweifele daran, dass es richtig ist, dass man in diesem Hause bestimmte Fragen nicht mehr stellen darf. Ich zweifele auch daran, dass es richtig ist, dass man im Ausschuss oder in diesem Hohen Hause vielleicht bestimmte Meinungen nicht mehr äußern sollte.

(Zustimmung bei der CDU)

Und ich zweifele daran, dass das, was Sie machen, richtig ist, dass nämlich Klimapolitik sozusagen absolut gestellt wird - über alle anderen Politikbereiche. Ich glaube, Sie ziehen die falschen Schlüsse aus den Hochwasserereignissen des Jahres 2013. Wir müssen unsere Deiche ertüchtigen und nicht 9 Millionen Euro für den Klimaschutz ausgeben. Ihr Plan für diese 9 Millionen Euro hilft keinem Menschen in Niedersachsen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weil Sie, Herr Kollege Bajus, eben den IPCC erwähnt haben: Ganz ehrlich, ich glaube, er ist nun wirklich kein guter Ratgeber mehr.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Die Menschen da draußen sind beim Thema Klimaschutz tatsächlich verunsichert. Dazu hat gerade der IPCC einen fundamentalen Beitrag geleistet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Experten des IPCC haben noch vor sechs Jahren prognostiziert, dass wir davon ausgehen müssen, dass das Weltklima jedes Jahr durchschnittlich um 0,2° C steigt. Im Jahre 2013, also nur sechs Jahre später, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen sie zurückrudern und anerkennen, dass sich die globale Durchschnittstemperatur in den letzten zehn Jahren tatsächlich nur um 0,05° C verändert hat. Die haben sich um satte 75 % verhauen, sehr verehrter Herr Kollege Bajus!

(Jürgen Krogmann [SPD]: Und jetzt ist alles gut?)

Und diejenigen wollen uns über Jahrzehnte Maßgaben oder Prophezeiungen machen, und wir sollen deswegen politisch handeln, meine sehr verehrten Damen und Herren? - Solch eine unsichere Faktenlage darf nicht tatsächlich Grundlage politischen Handelns sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dass die Zweifel immer größer werden, sagen ja nicht nur die Experten, sondern - wenn ich das zitieren darf, verehrte Frau Präsidentin - auch die Zeitschriften und Zeitungen. Die renommiertesten Zeitungen Deutschlands haben diese Diskussion aufgenommen. Im März 2007 titelt die FAZ: „Ist der Klimawandel nichts als Schwindel?“ Im Mai 2013 legt der Spiegel nach: „Genügend Futter für eine Fortsetzung der ideologisch geprägten Debatte ums Klima gibt es trotzdem - dem beschworenen Konsens zum Trotz.“ Und ganz aktuell vor sechs Wochen Die Welt vom 20. September: „Forscher entziehen Klimaregulierern die Grundlage“ und fordern eine „Abkehr vom Alarmismus“.

Meine Damen und Herren, das sind keine Käseblättchen, die irgendwelche wirren Behauptungen aufstellen müssen, damit sie ihre Auflage steigern. Das zeigt eines: Die Diskussion findet überall statt, in der gesamten Gesellschaft - in der Presse, bei den Menschen vor Ort, bei den Experten. Und Sie wollen diese Diskussion aus diesem Parlament heraushalten und reagieren pikiert, wenn man im Umweltausschuss die richtigen Fragen stellt.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Klimaleug- ner!)

Sie sind nicht die Gedankenpolizei Niedersachsens. Sie sind auch nicht die Inquisition, die Jagd auf Andersdenkende macht, sondern Sie müssen damit umgehen, dass es vielleicht auch noch andere Meinungen in diesem Parlament gibt. Darum

müssen Sie sich dieser Diskussion stellen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Diese Partei ist wirklich zu Recht aus dem Bundestag geflogen!)

Ich gebe Ihnen drei Beispiele.

Herr Kollege Hocker, lassen Sie eine Frage des Kollegen Henning zu?

Ich würde vorschlagen, wir tauschen uns dazu nachher aus. Ich habe noch einiges auszuführen.

Danke.

Ich gebe Ihnen drei Beispiele. Vor 1 000 Jahren war Grönland eisfrei - zu einer Zeit, als es keinen nennenswerten, von Menschen gemachten CO2Ausstoß gegeben hat. Im 19. Jahrhundert, in der Hochzeit der Industrialisierung, als in Europa, als in Deutschland Urwälder abgeholzt wurden und Holz verbrannt wurde und viel CO2 in die Atmosphäre gelangt ist, gab es keinen nennenswerten Temperaturanstieg.

Heute, im Jahre 2013, haben wir mehr Meereis in der Antarktis als je zuvor. Und heute, im Jahre 2013, wird in China so viel CO2 in die Luft gepustet wie nie zuvor.

(Marcus Bosse [SPD]: Allerdings!)

In den letzten 15 Jahren gibt es ebenfalls keinen nennenswerten Temperaturanstieg.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Haben Sie das gemessen? - Jürgen Krogmann [SPD]: Meinen Sie das ernst? Stellen Sie doch nicht den Klimawandel infra- ge! - Miriam Staudte [GRÜNE]: Man kann es nicht glauben, aber er meint das ernst!)

Sie müssen sich diesen Fakten stellen, wenn Sie diese Diskussion führen wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich habe es selber in meiner wissenschaftlichen Ausbildung an der Uni immer wieder gehört und