Protokoll der Sitzung vom 31.10.2013

Ich habe es selber in meiner wissenschaftlichen Ausbildung an der Uni immer wieder gehört und

gelernt: Die Mutter der Wissenschaft ist die Skepsis. Ich glaube, dass auch Sie gut beraten wären, Herr Kollege Bajus, wenn Sie bei diesem Thema ein bisschen mehr Skepsis an den Tag legen würden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Menschen da draußen merken ja eines: Das Geld, das Sie ausgeben wollen, die 9 Millionen Euro, die Sie in Niedersachsen in 2014 für den Klimaschutz ausgeben wollen - im Bundeshaushalt sind dafür übrigens 2 Milliarden Euro vorgesehen -, fehlen an anderer Stelle. Die fehlen bei den Kindertagesstätten, die fehlen bei den Hochschulen, bei den Universitäten, die fehlen beim Ausbau unserer Straßen, die fehlen übrigens auch bei einem Thema, das Sie scheinbar völlig aus den Augen verloren haben, nämlich beim Schuldenabbau. Das müssen Sie den Menschen da draußen übrigens auch erklären, dass diese Gelder an anderer Stelle fehlen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ronald Schminke [SPD]: Die schlim- men Folgen Ihrer Politik!)

Wenn Sie wirklich an den Klimawandel glauben - ich nehme Ihnen das ab -, dann investieren Sie dieses Geld besser in den Hochwasserschutz, dann investieren Sie diese 9 Millionen Euro in unsere Deiche. Damit haben Sie den Menschen in Niedersachsen einen sehr viel größeren Dienst erwiesen, als wenn Sie es in Klimaschutzagenturen investieren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Gleichzeitig sage ich Ihnen: Die Einschnitte in die persönliche Freiheit, die Sie mit Ihrer Klimaschutzpolitik vornehmen, rechtfertigen meines Erachtens nicht den von Ihnen erwarteten Erfolg.

Sie möchten gerne den Menschen vorschreiben, wie sie in den Urlaub starten sollen - möglichst nicht mit dem Auto und nicht mit dem Flugzeug. Sie möchten den Menschen vorschreiben, wie sie sich zu ernähren haben,

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Der Wahlkampf ist vorbei!)

Sie möchten den Menschen vorschreiben, wie sie sich zu kleiden haben. Sie möchten den Menschen vorschreiben, wie sie zu wohnen haben.

Ich sage Ihnen: Ich möchte, dass Menschen, die mit dem Flugzeug in den Urlaub starten, auch in Zukunft kein schlechtes Gewissen haben müssen.

Ich möchte, dass diejenigen, die sich ihr Schnitzel schmecken lassen, auch in Zukunft kein schlechtes Gewissen haben müssen und dass sich auch diejenigen, die es sich nicht leisten können oder leisten wollen, ihr Haus so zu bauen, wie Sie sich das wünschen, nicht in die moralische Ecke gestellt fühlen müssen, sehr verehrter Herr Kollege Bajus.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Die- se Rede schicken wir über unseren Verteiler! - Ronald Schminke [SPD]: Das wird ja noch schlimmer!)

Wenn Sie sozusagen einen Politikbereich absolut setzen, unter den sich alle anderen unterordnen müssen, ist das für mich ein Ausdruck des modernen Absolutismus, den wir eigentlich in Deutschland schon seit Jahrhunderten überwunden haben wollten. Ich werde es nicht akzeptieren, meine Damen und Herren, dass diese Epoche in grünem Gewande wieder salonfähig wird.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: So finden Sie Ihr Profil nicht wieder!)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hocker. - Es liegen zwei Kurzinterventionen vor, zunächst von dem Kollegen Bosse, SPD-Fraktion. Bitte!

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Hocker, bei dem, was Sie eben hier vom Stapel gelassen haben, ist mir wirklich die Kinnlade heruntergefallen. Sie unterstellen hier tatsächlich, es gebe keinen Klimawandel, und Sie stellen damit den Klimawandel infrage? - Das kann doch bitte schön nicht wahr sein, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Gero Hocker [FDP]: Ich habe gesagt, Sie müssen mehr Skepsis an den Tag legen!)

Dann sagen Sie: Man braucht ja nur die Deiche höher zu bauen. - Aber das kann doch nicht das Ziel sein! Wir müssen doch bitte schön auch die Ursachen mit bekämpfen und nicht nur die Folgen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr verehrter Herr Kollege Hocker, ich muss an dieser Stelle einmal deutlich sagen: Das ist viel zu kurz gedacht.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Sie sollten einmal in sich gehen. Ein Klimawandel kann mal schnell gehen, der kann mal wieder langsamer gehen, der kann aber auch wieder schneller gehen.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Aber man kann doch nicht völlig daneben liegen! Man kann sich da doch nicht um 75 % in sechs Jahren täuschen!)

Darum meine ausdrückliche Bitte: Gehen Sie in sich! Lesen Sie Fachzeitschriften! Dann werden Sie zu der Schlussfolgerung kommen: Wir müssen die Folgen bekämpfen - nicht nur für uns, sondern vor allen Dingen auch für unsere Kinder und unsere Kindeskinder.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Zur nächsten Kurzintervention hat Herr Bajus das Wort. Bitte!

Herr Hocker, es ist wirklich dankbar, dass Sie hier die Rolle desjenigen übernehmen, auf den man jetzt einprügeln darf.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das kenne ich schon!)

Ich finde es völlig berechtigt. Ich finde, insofern tun Sie uns unrecht. Man darf hier jede Frage stellen, und Sie bekommen auch auf jede Frage, glaube ich, eine Antwort, so sie denn eine Antwort verdient hat. Ich finde, Ihre Fragen haben Antworten verdient. Sie haben ja nach der Wissenschaftlichkeit der Erkenntnisse gefragt.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das drückt eine gewisse Arroganz aus, Herr Ba- jus! Jede Frage hat eine Antwort ver- dient!)

- Das hat nichts mit Arroganz zu tun.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Sie haben auf Ihre wissenschaftliche Ausbildung verwiesen. Sie haben die Erkenntnisse in Zweifel gezogen und dazu einige Zeitschriften zitiert. Aus wissenschaftlicher Sicht ist mir in dieser Hinsicht keine der Zeitungen bekannt. Es war der Spiegel darunter. Ich sage mal, das war alles allgemeine Tages- und Wochenpresse und nun nicht der wissenschaftliche Diskurs.

(Ingrid Klopp [CDU]: Keine Arroganz!)

- Das hat nichts mit Arroganz zu tun.

Man muss einfach einmal feststellen: Wer hat diesen IPCC-Bericht geschrieben, und wer steht dahinter? - Dahinter steckt auch Ihre eigene Bundesregierung. Denn noch ist auch die FDP dort geschäftsführend mit im Amt. Die Bundesregierung finanziert diesen Bericht. Sie stellt Wissenschaftler ab. Sie legitimiert ihn auch.

(Ulf Thiele [CDU]: Sie hat ihn aber nicht absolut gestellt!)

Die Bundesregierung hat den Bericht und seine Ergebnisse begrüßt. Die Aussagen, die ich hier wiedergegeben habe, waren O-Ton der Bundesforschungsministerin und des Bundesumweltministers. Das ist Stand der Wissenschaft.

Mit Prognosen - das gebe ich zu - ist es schwierig. Das hat die FDP selber erst am Wahlabend erlebt. Da hatte sie andere Prognosen, und sie ging damit baden. Das ist das Problem.

(Ingrid Klopp [CDU]: Auch noch nach- treten!)

Aber wir müssen uns doch ein bisschen auf Wahrscheinlichkeiten verlassen. Die Aussage des IPCC-Berichtes ist deutlich: Wir gehen mit über 95prozentiger Wahrscheinlichkeit davon aus, dass das so kommt.

Wenn ich in einem Auto sitze und mit über 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Wand vor mir habe, dann sagen ich doch auch nicht: Nein, ich bremse erst einmal nicht, es sind doch nur 95 % Wahrscheinlichkeit. - Das, was Sie betreiben, ist doch Geisterfahrerei!

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Dr. Hocker möchte antworten. Bitte!

Herr Kollege Bajus, Herr Kollege Bosse, ich finde es geradezu beängstigend, dass Sie so wenig Skepsis an den Tag legen, sondern die Berichte einer Institution, die sich in den vergangenen Jahren fundamental getäuscht hat, als Maßstab für Ihr politisches Handeln betrachten. All denen, die schon einmal wissenschaftlich gearbeitet haben - Herr Kollege Bajus, ich glaube, auch Sie gehören dazu -, sollte doch eigentlich in der Universität vermittelt worden sein, dass Skepsis dasjenige Instrument ist, nach dem wir handeln sollen, nicht nur in der Wissenschaft, sondern gerade auch wenn wir politische Entscheidungen treffen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das Vor- sorgeprinzip kennen Sie auch nicht!)