Ganz anders hört sich da Folgendes an: Laut den Northeimer Neuesten Nachrichten vom 17. Januar dieses Jahres nennt der Landtagsabgeordnete Ronald Schminke (Hann. Münden) der SPDLandtagsfraktion die neuen EU-Regeln gar kriminell. Die unterschiedliche Haltung von Landesregierung mit dem Landwirtschaftsminister und dem verbraucherschutzpolitischen Sprecher der SPDLandtagsfraktion werde deutlich. - Das war doch durchaus sachlich. Trotzdem fühlt sich Herr Schminke berufen, in seiner Pressemitteilung vom 15. Januar zu sagen:
„Die Rot-Grüne Landesregierung wird von der Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Fleischbeschau nicht abweichen, nur weil Lobbyisten der Fleischindustrie noch mehr Profit zu Lasten der Verbraucher erzielen wollen.“
Meine Damen und Herren, wie gesagt: Mit Schaum vorm Mund lässt es sich nicht gut handeln. Einen kühlen Kopf sollte man schon haben. Und Schuld
Letztendlich wollen Sie mit Ihrem Antrag erreichen, dass eine Bundesratsinitiative angeschoben wird. Aber wie sieht das Meinungsbild in anderen Bundesländern dazu aus? - In Rheinland-Pfalz haben wir die gleiche Regierungskonstellation wie hier, nämlich Rot-Grün. Den dort zuständigen Minister, Herrn Jochen Hartloff von der SPD, konnte man vor wenigen Tagen, am 21. Januar 2014, in der SWR-Landesschau Rheinland-Pfalz, 18 Uhr, wie folgt im O-Ton vernehmen:
„Wenn die Veterinäre vor Ort es für notwendig erachten, dann können sie das machen. Es ist dann nur nicht vorgesehen von der EU, dass das der Regelfall ist - wie früher. Das heißt, es wird etwas breiter aufgestellt. Dann muss man gucken, wie setzen wir das um in Rheinland-Pfalz.“
Das wird jetzt auch unsere Aufgabe sein: Wie setzen wir das um in Niedersachsen? - Kann so ein breites Bündnis auf der Bundesebene erzielt werden, meine Damen und Herren? - Ich glaube, da muss die SPD noch einige Überzeugungsarbeit bei ihren eigenen Kollegen leisten. Also: Nicht mit Schaum vorm Mund, sondern mit kühlem Kopf! Deswegen sollte man erst einmal klären, wie der Beratungsstand auf EU-Ebene ist. Nach meiner Kenntnis plant die EU-Kommission sehr wohl weitere Veränderungen. Das sollten wir abklären. Dafür haben wir auch unseren Unterausschuss. Ich bin insoweit sehr dankbar, Herr Schminke, dass Sie sagen, auch der Unterausschuss solle in die Beratungen einbezogen werden.
Wichtig ist vor diesem Hintergrund auch, dass der russische Exportmarkt für Schweinfleisch immens einbricht, weil dort an das Veterinärmedizinische höhere Ansprüche gestellt werden und auch ein Vertrauensverlust zu beklagen ist.
Das hat die Fleischwirtschaft mit Sicherheit nachdenklich gemacht. Deswegen, denke ich, geht Ihr Vorwurf ins Leere, weil Sie einseitig argumentieren.
Dafürhalten Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelhygiene und der Verbraucherschutz vorrangig zu betreiben sind.
Das kann man am ehesten, indem amtlich bestellte Fleischbeschauer und Tierärzte die Untersuchung mit durchführen. Das zu erreichen, sollte unsere Zielsetzung sein. Aber, wie gesagt: Nicht mit Schaum vorm Mund, sondern mit kühlem Kopf.
Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hans-Joachim Janßen, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es nicht so gravierende Auswirkungen für Verbraucherinnen und Verbraucher hätte, müsste man vor der Fleischindustrie den Hut ziehen: Lobbyismus können die.
Da beschließt der Fachausschuss des EU-Parlaments Ende September mit großer Mehrheit, dass Schweineschlachtkörper auch weiterhin durch Anschneiden und Abtasten untersucht werden sollen, und wenige Wochen später beschließt das Plenum des Europaparlaments das glatte Gegenteil: Die Schweinehälften sollen ab Sommer dieses Jahres nur noch angeschaut werden. „Visuelle Untersuchung“ heißt das beschönigend.
Meine Damen und Herren, von Untersuchung kann in dem Zusammenhang eigentlich keine Rede mehr sein. Da schaut jemand, wie die Schweinehälften auf dem Band vorbeirauschen, und wehe, der Kontrolleur will einmal etwas genauer hinsehen! Dann wird es wahrscheinlich Ärger geben. Die Schlachter werden nämlich im Akkord bezahlt, und das auch noch hundsmiserabel. Da zählt Tempo und nichts anderes.
Meine Damen und Herren, völlig grotesk ist, wie Herr Schminke auch schon ausführte, die Begründung der EU-Kommission. Wenn man die Schweinehälften nur noch anschaue, werde verhindert, dass Krankheitserreger durch das Anfassen und Anschneiden der Schlachtkörper von Tier zu Tier
übertragen werden, erzählen die Brüsseler Behörden. Das ist Unsinn. Selbstverständlich wechseln die Veterinäre das Messer, und im Übrigen stellt sich dann auch die Frage, wie jene, die die Schweinehälften zerlegen, eigentlich mit ihren Messern umgehen und ob es dadurch nicht auch zu Kreuzkontaminationen kommen kann. Wenn das Übertragungsrisiko hoch ist, weil viele Tiere Erreger haben, dann müsste man doch erst recht genauer hinschauen.
Wir fassen nichts an; dann übertragen wir auch nichts. Unbedenklichkeitsstempel darauf und fertig. - Ehrlich: So geht es wirklich nicht!
Außer der Fleischindustrie, die ihre Bänder schneller laufen lassen kann, will diese Regelung niemand. Die Verbraucherverbände warnen, die Bundestierärztekammer warnt, es könnten untaugliche Schweine in Verkehr gebracht werden. Um Rotlauf, eine auch für Menschen ansteckende Hauterkrankung, feststellen zu können, muss das Herz angeschnitten werden. Außerdem müssen die Lymphknoten angeschnitten werden, um Krankheiten und Abszesse erkennen zu können. Das alles soll nicht mehr gemacht werden, um 50 Sekunden Untersuchungszeit pro Schwein einzusparen. - 50 Sekunden Untersuchungszeit bei 100 kg Schweinefleisch. Darum geht es letztendlich.
Ich will noch kurz auf Frau Schwarz eingehen. Meine Damen und Herren, natürlich kann durch Vorsorgemaßnahmen das Risiko von Krankheiten minimiert werden. Das wird dann dokumentiert. Aber ehrlich: Papier kann im Zweifelsfall geduldig sein. Die Untersuchung der konkreten Schlachtkörper führt aber zu faktischen Ergebnissen. Deshalb wollen wir, dass das, was in den Handel kommt, so gut wie möglich vor Ort untersucht wird. Aber wir wollen eines nicht, nämlich die Standards absenken. Das auf keinen Fall!
Meine Damen und Herren, wir sollten jetzt aber auch nicht in die beliebte Melodie von den weltfremden EU-Bürokraten einstimmen. So einfach ist das nicht. Die Bundesregierung hat dem nämlich zugestimmt; sonst gäbe es keine Änderung der EU-Richtlinie. Deshalb ist der Adressat unseres Entschließungsantrags auch die Bundesregierung. Sie muss hier tätig werden. Herr Friedrich kann aktiv werden, er muss es nur wollen. Dazu fordern wir ihn auf. Vor allem fordern wir ihn auf, einer offenbar geplanten Ausweitung dieser Praxis auf andere Tierarten frühzeitig einen Riegel vorzu
schieben und insbesondere auch zu verhindern, dass zukünftig die Inaugenscheinnahme durch schlachthofeigenes Personal vorgenommen wird, was darüber hinausgehend nämlich auch noch in der Diskussion ist.
Die zweite Forderung unseres Antrages ist dann quasi die Rückfalllinie. Wenn es keine Mehrheiten dafür gibt, die bereits beschlossene Regelung zurückzuholen, dann müssen zumindest die Spielräume für den Verbraucherschutz auf nationaler Ebene bei der Erarbeitung entsprechender Verwaltungsvorschriften bestmöglich genutzt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam ein starkes Signal nach Berlin und Brüssel senden. Ich hoffe insoweit auch auf die konstruktive Unterstützung von FDP und CDU, weil ich glaube, dass wir uns hier in Niedersachsen Unsicherheiten in diesem Segment überhaupt nicht leisten können. Denn anders als in Rheinland-Pfalz, das von Ihnen, Frau Schwarz, angesprochen wurde, haben wir hier mehr als einen großen Schlachthof. Vielmehr sind wir mit Nordrhein-Westfalen zusammen die Region, in der die Schlachtindustrie zu Hause ist, und uns fällt der Vertrauensverlust, der aus dieser Regelung resultieren kann, auch in besonderer Weise auf die Füße, beispielsweise was die Möglichkeiten des Exports nach Russland angeht. Darauf, dass dies dort zu Schwierigkeiten führen kann, ist eben schon hingewiesen worden.
Lassen Sie uns also ein starkes gemeinsames Signal nach Brüssel senden. Wenn wir in Niedersachsen einstimmig sagen: „So nicht! Bei uns hat der Verbraucherschutz Vorrang vor den Gewinninteressen der Fleischindustrie!“, dann ist das, so denke ich, ein starkes Signal, das auch in Berlin und in Brüssel gehört wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sagen: Es geht immer in eine Richtung, und wir wollen etwas beibehalten. Dazu möchte ich kurz sagen: Ich denke, man muss ak
zeptieren, dass wir das, was der Anpassung bedarf, laufend einer Anpassung unterziehen müssen. Das wissen sehr wohl auch die Fachassistenten und die Tierärzte. Deswegen kann man nicht sagen: Alles so wie bisher.
Auch muss man fragen: Wollen Sie die Dissertation an der TiHo zur risikoorientierten Fleischuntersuchung negieren? Wollen Sie die Gutachten der EFSA negieren? Wir sehen einen Handlungsbedarf angesichts dessen, dass die EU-Kommission weitere Maßnahmen plant. Sie hat weitere Gutachten zu Rindern, Schafen und Ziegen bei der EFSA in Auftrag gegeben. Darüber werden wir genau die gleiche Diskussion führen. Sie haben auf Rheinland-Pfalz hingewiesen und gesagt, die betreffe es nicht so sehr. Das halte ich für verfehlt. Verbraucherschutz spielt bundesweit eine ebenso große Rolle wie für Niedersachsen.
Es sei denn, Sie beziehen sich nur auf die Schlachtbetriebe. Dann besteht in Niedersachsen mit Sicherheit ein größerer Handlungsbedarf. Nur, beides geht Hand in Hand, und das sollten wir hier nicht vergessen.
(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zu- stimmung von Almuth von Below- Neufeldt [FDP] - Ronald Schminke [SPD]: Die CDU hat nicht gesagt, was sie selber will! Mit Messer oder ohne? - Gegenruf von der CDU: Mein Gott noch mal!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Schwarz, wir haben überhaupt nichts gegen eine Verbesserung. Diese risikobasierten Verfahren stellen tatsächlich eine Verbesserung dar - das hatte ich eben auch gesagt - und verringern das Risiko. Nur, wir haben in der Vergangenheit auch Vorfälle zu verzeichnen gehabt, die nicht dazu beigetragen haben, das Vertrauen in diesen Sektor insgesamt zu erhöhen - das müssen Sie zugeben -, und wir setzen uns hier dem Risiko aus, dass wir Standards absenken. Es ist einfach so: In dem Augenblick, in dem das geschlachtete Tier untersucht wird, kann ich abschließend direkt fest
stellen, ob Veränderungen krankhafter Art vorliegen oder nicht. Das andere ist so genau nicht kontrollierbar. Hier bin ich tatsächlich am Objekt. Das bin ich ansonsten nicht. Ansonsten bestehen Risiken, die ich hier nicht habe.
Das ist der Grund, aus dem wir uns so sehr dafür einsetzen, dass die Standards der Untersuchung beibehalten und auf keinen Fall abgesenkt werden.