Protokoll der Sitzung vom 13.03.2013

Wir haben einen Beschluss des Bundesparteitages, der die steuerliche Gleichbehandlung ablehnt. Aber Sie alle haben die Diskussionen verfolgt, die auch im Anschluss weitergegangen sind. Daraus ersehen Sie, wie schwierig für uns als große Volkspartei diese Debatte zu führen ist. Das hängt natürlich für uns auch mit dem Familienbegriff, mit dem Begriff der klassischen Ehe zusammen. Für uns ist die klassische Ehe die Verbindung von Mann und Frau, und für uns ist das Verfassungsgebot des Artikels 6 Abs. 1 Grundgesetz ein eminent wichtiges. Denn auch dort ist normiert, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Diesem Verfassungsgebot fühlen wir uns außerordentlich verpflichtet.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Wir auch!)

- Das ist mir durchaus bewusst.

Ich denke, wir alle fühlen uns diesem Verfassungsgebot sehr verpflichtet. Nur eine Familie ist für uns der Ort des Zusammenlebens, in der Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, in der im Kleinen das gelebt wird, was im Großen unsere Solidargemeinschaft, unsere Gesellschaft ausmacht. Deswegen braucht unsere Gesellschaft

Familien. Deswegen müssen wir auch alles dafür tun, um Familien zu stärken.

Selbstverständlich achten und respektieren wir auch Formen anderen menschlichen Zusammenlebens. Das ist uns sogar auch eminent wichtig, dass wir hier Achtung und Respekt aussprechen, weil auch gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften Werte leben. Auch dort wird Verantwortung auf Dauer angelegt, füreinander übernommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich weiß nicht, ob Sie das Waldschlösschen in Göttingen kennen. Das ist eine Akademie - ich bin dort gewesen -, in der unglaublich viel an Informationen, an Seminaren stattfindet, wo schwule Männer auch zum Coming-out ermutigt werden, wo über Sexualität, Recht und Gesundheitsfragen informiert wird, wo man die Seele baumeln lassen kann. Dort ist mir sehr deutlich geworden, dass es heute in der Gesellschaft deutlich besser und einfacher geworden ist als noch vor Jahren, sich zu bekennen. Aber wenn Sie mit dem einen oder anderen schwulen Mann reden, der nach langer Ehe für sich entschieden hat, dass das Lebensglück für ihn nicht in der klassischen Ehe, sondern in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft liegt, wie lange er überlegt hat, bis er sein Coming-out hatte, bis er sich mit den Fragen auseinandergesetzt hat „Wie reagiert meine Familie, wie reagieren meine Freunde, wie reagiert die Gesellschaft, wie reagiert der berufliche Alltag?“, dann sind mir bei dieser Debatte nicht nur die Frage der rechtlichen Gleichstellung, sondern auch die der gesellschaftlichen Gleichberechtigung und Akzeptanz in der Gesellschaft eminent wichtig.

Wir werden ja morgen noch über Ihren Antrag diskutieren, den Sie eingebracht haben. Ich freue mich auf die Beratung auch dieses Antrages. Vielleicht kommen wir da auch zu einem Stück weit mehr Verständigung. Aber für uns als große Volkspartei sind diese Fragen, die auch das christliche Weltbild, das christliche Familienbild betreffen, von enormer Wichtigkeit. Da kann man nicht einfach schnell so oder so sagen. Deswegen danke ich für die bisherige, sehr respektvolle Debatte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Ross-Luttmann. - Frau Kollegin Schröder-Ehlers hat das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen - Frau Präsidentin, Sie gestatten -:

„Viele Schwule, viele lesbische Paare nehmen wie heterosexuelle Paare eine besondere Verantwortung wahr. Sie sind bürgerliche Paare im besten Sinne des Wortes.“

Das war ein Zitat von Rainer Brüderle von Ihrem Parteitag am letzten Sonntag.

(Christian Dürr [FDP]: Haben Sie den Schluss der Rede gehört? - „Auf in den Kampf!“ Das fand ich sehr inte- ressant!)

- Das ist ja Ihr Spitzenkandidat, Herr Dürr. Damit müssen Sie sich jetzt schon auseinandersetzen.

Liebe Frau Ross-Luttmann, ich danke Ihnen für die sehr differenzierte Darstellung. Wenn Sie es aber mit dieser Lebensform, mit dieser Lebensgemeinschaft wirklich ernst meinen, dann sollten Sie sich der Meinung des Bundesverfassungsgerichtes anschließen. Mein Kollege Limburg hat eben die verschiedenen Urteile dazu schon zitiert. Wir haben gerade vor zwei Wochen eine ganz aktuelle Entscheidung zur Ausweitung des Adoptionsrechtes bekommen. Sie alle wissen es, wir haben im Frühsommer die Entscheidung zur steuerlichen Ungleichbehandlung. Auch da werden Sie sehen: Das Bundesverfassungsgericht wird bei seiner bisherigen Rechtsprechungslinie bleiben. Es wird diese Ungleichbehandlung kippen. Von daher, meine Damen und Herren, ist es jetzt Zeit zu handeln.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 60 Jahre dürfen wir nicht wegdiskutieren. Es hilft nichts, wenn Teile Ihrer Partei, Frau RossLuttmann, immer noch Trugbilder malen und sich einer scheinbaren Idylle hingeben, die es schon lange nicht mehr gibt.

Wir haben vor einigen Wochen mit großer Freude zur Kenntnis genommen, dass Herr Kauder und Herr Grosse-Brömer, der ja auch ein Niedersachse ist,

(Reinhold Hilbers [CDU]: Ein sehr gu- ter Mann!)

schon vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf einbringen wollten, um noch vor der Bundestagswahl eine gemeinsame Entschließung auf den Weg zu bringen. Das hat leider nicht funktioniert. Die Kanzlerin hat es gestoppt und das Ende der Debatte erklärt, auch gegen führende Kräfte in Ihrer Bundespartei. Frau Klöckner hat sich geäußert. Herr Strobl hat sich geäußert. Auch Frau von der Leyen hat sich klar positioniert. Schade, dass sie sich nicht durchsetzen konnten, schade, dass Frau Merkel hier so hart agiert hat.

Ich kann von Ihrem Parteitag Herrn Lindner zitieren - da war ja am Wochenende viel los -:

„Es ist ein merkwürdiges Verständnis von Konservatismus, dass die Union ein politisches Zeichen für Verantwortungsgefühl, Fairness und Toleranz verhindert und sich ohne Not vom Bundesverfassungsgericht treiben lässt.“

Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist deutlich geworden: Die Ehe im klassischen Sinne leidet nicht, sie wird nicht schlechtergestellt, sondern es ist an der Zeit, für andere Lebensformen eine entsprechende Gleichstellung zu schaffen. Es ist ein ganz schlechtes Ablenkungsmanöver, jetzt auf das Familiensplitting zu gehen. Wir lehnen das Familiensplitting klar ab. Alle Berechnungsmodelle zeigen auch deutlich, dass es zu einer großen Kostenlawine führen wird. Es ist unter dem Strich nicht familienfreundlich, sondern familienfeindlich, weil es gerade die Familien mit geringem Einkommen nicht entlastet und Familien mit hohem Einkommen begünstigt. Wenn man dann auch noch sieht, dass einige Stimmen in der CDU das mit der Abschaffung des Kindergeldes gegenfinanzieren wollen, dann ist das eine familienfeindliche Angelegenheit.

Meine Damen und Herren, mein Kollege Limburg hat es gerade schon dargestellt: Niedersachsen wird der Bundesratsinitiative von Hamburg und Rheinland-Pfalz beitreten. Dabei geht es um die Veränderung der Definition des § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Hier ist der Begriff der Ehe definiert. Es ist ganz einfach: Wenn Sie diesen Begriff anders definieren, dann können Sie sich viele Detailregelungen auch in der Anpassung sparen. Dann kommen Sie sehr schnell zu einer Gleichstellung.

Ich kann Ihnen versichern, Deutschland würde damit nicht alleine stehen. Die Niederlande haben

es schon genauso wie die Belgier, die Spanier, die Norweger, die Schweden, die Portugiesen und die Dänen. Also lassen Sie uns auch diesen europäischen Weg beschreiten!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Kollege Oetjen hat das Wort nun für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Zitat von Herrn Dobrindt „schrille Minderheit“, das in der Überschrift zur Aktuellen Stunde steht, wurde von Herrn Seehofer zu Recht einkassiert, wie Frau Ross-Luttmann eben sagte. Es ist aber sicherlich nur die Spitze des Eisbergs von Ressentiments, die Schwulen und Lesben im Alltag entgegenschlagen. Das möchte ich zu Beginn der Debatte auch einmal sagen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Wir als FDP treten seit Jahren für die volle Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit Ehegatten ein. Wer gleiche Pflichten hat, verehrte Kolleginnen und Kollegen, muss auch gleiche Rechte haben. Dies ist eine Frage der Fairness und der Bürgerrechte. Wir als Liberale stehen für Vielfalt in der Gesellschaft.

Hier im Land haben wir in der letzten Legislaturperiode in einer breiten Debatte schon das Gesetz verabschiedet, das die Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe zum Ziel hatte. Ich glaube, dass wir dafür eine breite Mehrheit in diesem Hause hatten. Das ist auch der Weg, den ich mir wünsche, um gesellschaftlichen Fortschritt auch Wirklichkeit werden zu lassen, verehrte Damen und Herren.

Auch im Bund ist in dieser Legislaturperiode bereits eine Reihe von Fortschritten für Lesben und Schwule erreicht worden. So wurde die Gleichstellung beim Beamten-, Soldaten- und Richterrecht, bei der Erbschaft- und der Grunderwerbssteuer, beim BAföG und in vielen anderen Bereichen erreicht. Außerdem wurde die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gegründet, die die rechtliche, aber auch die gesellschaftliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben fördern soll. Ich glaube,

dass wir insgesamt, auch Schwarz-Gelb, in Berlin in dieser Legislaturperiode in diesem Bereich bereits viel erreicht haben.

(Beifall bei der FDP)

Aber nach dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber den Auftrag und die Pflicht, auch im Bereich des Ehegattensplittings für eine unverzügliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe zu sorgen. Dafür setzen wir als Liberale uns ein.

Neben dieser Gleichstellung im Ehegattensplitting sollten gleichgeschlechtliche Paare nach unserer Auffassung auch den Zugang zur sogenannten - bitte in Anführungsstrichen - „normalen“ Ehe bekommen, mit den gleichen Rechten und Pflichten und eben auch dem Adoptionsrecht, das gesellschaftlich sicherlich das umstrittenste Recht für Schwule und Lesben sein wird. Ich weiß, dass in allen Parteien dazu Diskussionen geführt werden. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle auch sagen, dass ich fest davon überzeugt bin, dass für das Wohl eines Kindes nicht zählt, ob die Eltern weiß oder schwarz sind, ob sie homosexuell oder heterosexuell sind oder welcher Religion sie angehören. Entscheidend ist die Liebe, die einem Kind von seinen Eltern entgegengebracht wird. Das möchte ich hier unterstreichen.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Ich bin übrigens der Überzeugung, dass die Debatte über die für unsere Gesellschaft grundlegende Frage, ob die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden kann, in Berlin - im Deutschen Bundestag - parteiübergreifend geführt werden sollte. Weil diese Frage den Artikel 6 unseres Grundgesetzes betrifft - die Kollegin Ross-Luttmann hat darauf hingewiesen -, kann jeder sie nur mit seinem Gewissen beantworten. Ich hoffe, dass eine solche Gewissensentscheidung in Berlin in der Frage der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare Wirklichkeit werden kann und dass wir dadurch dem Ziel, die Ehe zu öffnen und einen breiten gesellschaftlichen Konsens in dieser Frage herzustellen, ein Stück näher kommen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, bei der SPD und den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Niewisch-Lennartz nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr über diese Aktuelle Stunde, weil sie den Blick auf eine aktuelle Gesetzesinitiative der Landesregierung lenkt. Ich freue mich aber auch über den Stil und den Inhalt der Debatte hier, von der ich mir verspreche, dass sie dieser Initiative ein wenig Flügel verleiht, sodass sie dann vielleicht auch die weiteren parlamentarischen Hürden nehmen kann.

Die Landesregierung hat gestern beschlossen, zusammen mit den Ländern Hamburg und Rheinland-Pfalz ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnet. Es handelt sich vom Umfang her um ein kleines Gesetz. Im Wesentlichen werden in den § 1353 BGB wenige Worte eingeführt. Er lautet dann, wenn er - vielleicht mit Flügeln von Ihrer Seite - die parlamentarischen Hürden nimmt:

„Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Eine kleine Änderung mit großer Wirkung für die betroffenen Menschen.