Protokoll der Sitzung vom 26.03.2014

Gestern berichtete die dpa, dass in der Atomruine von Fukushima erneut ein störanfälliges Filtersystem zur Beseitigung von radioaktiven Stoffen ausgefallen ist, und das nur wenige Stunden nach Wiederanfahren des Systems. Auch drei Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima ist die Lage vor Ort nicht unter Kontrolle. Drei Jahre Fukushima heißt: Drei Jahre Schrecken ohne Ende für alle Betroffenen.

Wir gedenken der Opfer der Tragödie rund um Erdbeben, Tsunami und um die Havarie der Atomkraftwerke in Fukushima. Ja, unbedingt - das Gedenken ist wichtig. Wie aber werden wir unserer Verantwortung gegenüber den Opfern dieses Super-GAUs und den potenziellen Opfern möglicher Unfälle mit der Atomkraft tatsächlich gerecht? Was haben wir aus der andauernden Katastrophe in Fukushima gelernt?

Es ist gut und richtig, drei Jahre nach Fukushima und fast 30 Jahre nach Tschernobyl endlich Katastrophenschutzpläne zu bündeln, zu überprüfen und Zuständigkeiten auf die Landesebene zu ziehen, um für den Fall einer Katastrophe den größtmöglichen Schutz für die Bevölkerung zu erreichen.

Doch werden wir der Lage wirklich gerecht? - Nein; denn wir können in Japan deutlich sehen: Sollte etwa in Grohnde oder im Emsland - beide AKWs sind aus den 80er-Jahren - etwas passieren, dann sind die Möglichkeiten, die Menschen dort vor den

Folgen einer solchen Katastrophe zu schützen, sehr begrenzt. Der einzig wirklich effektive Schutz vor diesen Katastrophen ist nach wie vor der Ausstieg aus der Atomkraft.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Denn obwohl Atomkraft nach wie vor eine nicht zu beherrschende Risikotechnologie ist, laufen auch unsere Meiler in Niedersachsen noch weitere acht Jahre. Jedes Jahr werden die Atomreaktoren älter. Jedes Jahr werden sie störanfälliger.

Auch wenn alles viel schneller gehen könnte, will ich an dieser Stelle trotzdem zugeben: Mich hat der breite Konsens für einen Atomausstieg 2011 gefreut und beeindruckt. Ich setze sehr viel Hoffnung in den Konsens für eine ergebnisoffene Endlagersuche. Darum wünsche ich mir, dass wir als Niedersachsen gemeinsam nach vorn denken. Wir sollten alle diejenigen, die die Bilder aus Fukushima und Tschernobyl bereits verdrängt haben und dank solcher Gedächtnisverluste inzwischen wieder über Laufzeitverlängerungen nachdenken, daran erinnern, dass wir schon einmal weiter waren.

Meine Damen und Herren, auch wenn wir für die Opfer in Japan wenig tun können, so können wir doch in Deutschland und gerade hier in Niedersachsen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden und dass eine echte Energiewende der Katastrophe von Fukushima Rechnung trägt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir können in Niedersachsen gemeinsam unseren Einfluss dafür geltend machen, dass die Suche nach einem geeigneten Standort für den strahlenden Müll endlich beginnt. Wir Niedersachsen haben die Verantwortung, alles daranzusetzen, dass das Märchen vom billigen Atomstrom nicht weiter erzählt und damit der Ausbau der erneuerbaren Energien gebremst wird.

Die Wahrheit ist: Die Kosten und Risiken der Atomenergie wurden über Jahrzehnte und werden noch viele Jahrzehnte lang den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufgebürdet. Atomstrom war nie billig, nur weil seine Kosten nicht in der Stromrechnung abgebildet waren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die erneuerbaren Energien bringen uns die Chance, die Energieversorgung demokratischer zu gestalten, was bei Atomstrom nie möglich war.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Reform des EEG darf nicht zur Bremse werden.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

Niedersachsens große Potenziale für Wind- und Sonnenstrom müssen auch weiterhin genutzt werden, und zwar nicht nur von den großen Stromerzeugern, die davon profitieren, sondern auch Bürgerenergiegesellschaften sowie kleine und große kommunale Stadtwerke sollen von diesen erneuerbaren Energien profitieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Ausstieg aus der Atomenergie bietet die riesige Chance, den Menschen in unseren europäischen Nachbarländern und natürlich auch in Japan zu zeigen: Wir können es schaffen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Beim Atomausstieg in Deutschland und bei der Energiewende - ja auch bei dem Bemühen um eine ergebnisoffene Endlagersuche - geht es um ein transparentes Verfahren und nicht nur um uns.

Als wir Grüne 2011 bei unserem Bundesparteitag unserer Bundestagsfraktion ein Votum gaben, dem Konsens zuzustimmen, durfte ich vom Präsidium aus zahlreiche Gäste aus Japan und aus aller Welt begrüßen. Ich erinnere mich sehr, sehr gut an all die Hoffnungen, die an diesem Tag ausgesprochen wurden.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass diese Hoffnungen nicht enttäuscht werden. Wir haben die Chance und die Verantwortung, zu zeigen, wie eine Energieversorgung in Europa erstmals ohne die Risiken der Atomkraft funktioniert. Lassen Sie uns diese einmalige Chance nicht leichtfertig verspielen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Piel. - Für die Fraktion der SPD hat sich der Kollege Marcus Bosse gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Fukushima und auch Tschernobyl sind wohl Synonyme für Atomunfälle katastrophaler Art und Größe. Orte wie Harrisburg, Sellafield und auch Tomsk-7 haben durchaus einen bitteren und faden Beigeschmack für eine nicht beherrschbare und vor allem auch lebensverachtende Industrie.

In gleich drei Reaktoren des Atomkraftwerkes Fukushima kam es nach dem schweren Erdbeben und dem Tsunami am 11. März 2011 zur Kernschmelze. Radioaktive Stoffe wurden in großen Mengen freigesetzt, und weite Gebiete mussten evakuiert werden. Die Aufräumarbeiten dazu werden noch Jahrzehnte dauern. All das - Kollegin Piel ist darauf eingegangen - hatte und hat immer noch katastrophale Folgen mit unermesslichem Leid für Mensch und Umwelt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Japan macht auch heute noch für mich persönlich und für viele andere auch einen völlig überforderten Eindruck beim Umgang mit den Folgen der Katastrophe. Ich persönlich nehme auch an, dass es kaum ein anderes Land besser machen würde als Japan, die Folgen der Katastrophe zu bewältigen. Die japanische Regierung und auch der Betreiber Tepco tun immer noch einiges, um das ganze Ausmaß der Katastrophe zu verschleiern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Nach dem Atomunfall von Tschernobyl 1986 in der damaligen Sowjetunion wurde gesagt: Na ja, so etwas kann nur im Ostblock passieren. Dort ist man ja technisch völlig unterentwickelt. Im Westen kann und wird so etwas letzten Endes nicht passieren. - Doch Fukushima, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat bewiesen, dass auch hoch technisierte Industrienationen diese Risikotechnologie nicht beherrschen können. Obwohl Fukushima den Beweis erbracht hat, dass die Atomkraft eine kaum zu verantwortende Technologie ist, wurde in nur wenigen Ländern die richtige Konsequenz gezogen.

Der Schock von Fukushima hat bei uns zu einem radikalen Umdenken und einem radikalen Schwenk in der deutschen Energiepolitik geführt. Wir wollen in Zukunft auf Atomkraft verzichten und uns lieber auf regenerierbare Energien verlassen. Das ist gesellschaftlicher Konsens. Zwei Drittel der Bevölkerung stehen dem bei. Das ist eine schöne Idee. Das ist eine gute und auch wichtige Idee.

Aber die Diskussion um die dadurch steigenden Energiepreise und um monströse Überlandleitungen, die unser Land durchziehen werden, ist damit auch eröffnet. Im Übrigen lacht das Ausland noch über uns und baut zum Teil auf weitere Atomkraftwerke. Doch ich persönlich bin davon überzeugt, dass es nicht mehr lange so sein wird. Dann wird dieses Gekicher und Gelache über die angebliche Dummheit der Deutschen in neidvolles Staunen übergehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Energiewende birgt auch riesige Chancen für Investitionen, gerade auch in Niedersachsen. Deutschland kann aber auch noch mehr tun. Deutschland kann - auch wenn es selbst alle Hände voll zu tun hat - mit der Energiewende einen ganz wichtigen Beitrag für den Atomausstieg andernorts leisten, etwa indem es durch weniger Bürgschaften für den Reaktorbau in Deutschland sorgt.

Der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland ist durchaus bewusst, dass die sogenannte Energiewende seit den eiligen Beschlüssen unmittelbar nach der Katastrophe von Fukushima nur schleppend vorankommt. Vielen ist auch bewusst, dass die Ängste von Atomkraftbefürwortern bezüglich der Versorgungssicherheit und der angeblich enorm hohen Energiekosten schon wieder geschürt werden.

Niedersachsen - Kollegin Piel hat das angesprochen - ist wie kein anderes Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland von der Lagerung atomarer Abfälle betroffen, die vornehmlich - und das wissen wir alle in diesem Haus - aus dem Süden der Republik stammen. Niedersachsen trägt damit die Hauptlast. Niedersachsen ist sich aber auch der Verantwortung und auch der Risiken bewusst, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Niedersachsen selbst hat sich auch Aufgaben gestellt. Wir wollen den Atomausstieg, und zwar so schnell wie möglich. Bis 2050 soll der Ausstoß von Treibhausgasen auf null sinken, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Wir benötigen unbedingt die Akzeptanz der Bevölkerung.

Planungssicherheit und Verlässlichkeit müssen beim Ausbau der erneuerbaren Energie und bei der Steigerung der Effizienz des Energiesystems gewährleistet sein. Um Investitionen zu sichern

und neue zu mobilisieren, müssen die Eckpfeiler für die Energiewende parteiübergreifend und auch legislaturperiodenübergreifend festgelegt werden.

Aus Fukushima kann man mit Sicherheit drei Schlüsse ziehen:

Der erste Punkt: Raus aus der Atomkraft!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der zweite Punkt: Die Energiewende muss zügig, transparent, sicher und im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern fortgesetzt werden.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der dritte Punkt: Ein Zurück zur Kernenergie ist für uns ausgeschlossen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bosse. - Es folgt für die Fraktion der FDP der Kollege Dr. Hocker. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grünen haben in Niedersachsen das letzte Mal bis zum Jahr 1994 regiert. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie, verehrte Frau Piel, nach einem so langen Zeitraum quasi platzen vor Gestaltungswillen, was Niedersachsen anbelangt, platzen vor eigenen Konzepten, wie Sie Niedersachsen in Zukunft gestalten wollen und wie Sie vielleicht auch Niedersachsen in Zukunft einen grünen Stempel aufdrücken wollen. Stattdessen fällt Ihnen ein gutes Jahr, nachdem Sie in Niedersachsen die Mehrheit errungen haben, nicht mehr ein, als den vielleicht auch manchmal versonnenen Blick zurückzurichten in das Jahr 2011 und die Zeit vor der Katastrophe, vor dem Erdbeben in Japan.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Den ver- sonnenen Blick?)

Nichts, Frau Piel und Herr Kollege Limburg, zeigt den mangelnden Gestaltungswillen Ihrer Partei mehr, als dass Ihnen nach einem Jahr, sozusagen noch zu Beginn einer Legislaturperiode, nichts Besseres einfällt, als drei Jahre zurückzublicken, anstatt vielleicht einmal den Blick nach vorne zu richten und uns zu erklären, wo Sie Niedersachsen

im Jahr 2017 sehen wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.