Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

ten, auf den Weg gebracht werden? Muss nicht erst die Arbeit der Kommission, die der Herr Innenminister eingesetzt hat, abgeschlossen sein? - Das Ergebnis, das das Innenministerium vorlegen wollte, soll ja nun auch in den nächsten Wochen präsentiert werden; so ist es jedenfalls in der Öffentlichkeit angekündigt worden.

Insofern ist heute der richtige Zeitpunkt, die erste Beratung über unseren Antrag auf Einsetzung einer Enquetekommission durchzuführen. Damit bestünde die Möglichkeit, diese Kommission schon im Mai einzusetzen.

Herr Bachmann, Sie haben damals angekündigt, dass Sie, wenn die genannten Berichte vorliegen, die Einsetzung einer Enquetekommission in Erwägung ziehen wollen. Wir halten das für richtig. Ich will Ihnen auch sagen, warum.

Zunächst, Herr Kollege Brunotte, halte ich es nicht für richtig, dass sich der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit diesem Thema befasst. Der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes tagt vertraulich und soll dies auch ausdrücklich tun, weil er sich mit den internen Angelegenheiten des Verfassungsschutzes befassen soll. Hier aber geht es um etwas ganz anderes. Hier geht es um die gesetzlichen Grundlagen, nach denen der niedersächsische Verfassungsschutz arbeiten soll. Diese gesetzlichen Grundlagen, diese elementaren Regelungen wollen, nein müssen wir in ganz großer Breite öffentlich diskutieren, damit wir dafür eine breite und große Akzeptanz bekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es stand diesem Haus in der Vergangenheit gut zu Gesicht und würde das auch in Zukunft tun, wenn es eine breite Mehrheit gäbe, die den Verfassungsschutz in denjenigen Aufgaben unterstützt, die wir ihm auf den Weg geben wollen. Ich möchte kurz darauf hinweisen, worum es sich dabei handelt:

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Björn Thümler, hat in der Pressekonferenz, in der er den Kommissionsbericht vorgestellt hat, gesagt: „Gefährdungen unserer Demokratie bleiben oft im Verborgenen, der Verfassungsschutz ist daher als Frühwarnsystem für die Gesellschaft unverzichtbar.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Bericht, dessen Ergebnisse ich in der Kürze der Zeit natürlich nicht vollständig präsentieren kann, wird an der Stelle noch etwas deutlicher.

Zunächst geht es um die Aufgaben des Verfassungsschutzes im engeren Sinne:

„Dabei ist die Gefahr als solche zu betrachten und nicht die Richtung, aus der sie kommt. Gefährdungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung können aus allen politischen Richtungen kommen, notwendig ist daher ein ‚360°-Blick’ des Verfassungsschutzes. Die Kernfrage ist immer, ob eine politische Bestrebung die Kernelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt und bekämpft. So sind zum Beispiel sowohl Gottesstaat, Führerprinzip als auch eine ‚Diktatur des Proletariats’ mit ihnen nicht vereinbar. Wer solche oder andere Formen der Diktatur in unserer Gesellschaft aktiv herbeiführen möchte, muss von einem effektiven Verfassungsschutz beobachtet werden, damit die wehrhafte Demokratie rechtzeitig einschreiten kann.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ferner spricht der Bericht einige Fragen an, die wir beantworten müssen. Diese Fragen sind ganz bestimmt auch in Ihrer Kommission erörtert worden. Es geht z. B. darum, ob wir, so wie es derzeit geregelt ist, nur Organisationen vom Verfassungsschutz beobachten lassen wollen oder ob wir aufgrund der technischen Voraussetzungen und der Gegebenheiten unserer heutigen Zeit nicht auch Einzeltäter genau in den Blick nehmen dürfen.

Insbesondere geht es in dem Bericht um den Komplex der Spionage. Ich glaube, wir alle haben nach dem Ende des Kalten Krieges geglaubt, das Thema Spionage sei in Deutschland, in Niedersachsen nicht mehr von elementarer Bedeutung. Heute wissen wir es besser. Der Verfassungsschutz muss helfen, niedersächsische Unternehmen vor Industriespionage zu schützen. Wir wissen auch von Aktivitäten fremder Nachrichtendienste. Gerade dazu wird in Berlin jetzt ja ein Untersuchungsausschuss eingesetzt.

Eine ganz besonders interessante Frage, die sich für den Verfassungsschutz neu stellt, ist die des Datenschutzes. Es scheint nicht mehr zeitgemäß zu sein, dass beim Verfassungsschutz noch Papierakten geführt werden. Wer macht das heute noch? - Heute ist die elektronische Akte der Normalfall. Das steht sogar in der Aktenordnung des Landes Niedersachsen. Dort heißt es, dass wir elektronische Akten führen sollen.

Wenn der Verfassungsschutz nun aber elektronische Akten führt, dann hat er auch ganz andere technische Möglichkeiten, sie beispielsweise nach Fundstellen durchsuchen zu lassen. Die bisherige Organisationsform, nämlich Sachakten zu führen, die das gesammelte Material enthalten - dabei handelt es sich meistens sogar um öffentlich zugängliches Material -, und diese dann in einen Zusammenhang mit einem Personenregister zu stellen, ließe sich elektronisch natürlich noch ganz anders nutzen. Wir müssen darüber sprechen, und zwar in breiter Öffentlichkeit, wie wir diese Verknüpfung zukünftig behandeln, welche rechtlichen Grenzen wir dabei setzen wollen.

Und wir brauchen eine Kultur zum Umgang mit Fehlern. Der Verfassungsschutz leidet ein klein wenig darunter, dass seine Fehler eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit finden - das ist auch zu Recht so -, dass seine Erfolge aber oftmals im Verborgenen bleiben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Parlament ist auch zum Schutz des Verfassungsschutzes da. Es hat seine Erfolge herauszustellen, sie zu akzeptieren, sie zu betonen und sich hinter diese Beamtinnen und Beamten des Landes Niedersachsens zu stellen.

Im Zuge der Erörterung des Umgangs mit Fehlern müssen mehrere Fragen beantwortet werden. Eine Frage ist z. B. die der V-Leute. Wir müssen akzeptieren, dass V-Leute nicht automatisch gute Menschen sind, sondern möglicherweise sogar selber verfassungsfeindliches Gedankengut oder Ideen mit sich herumtragen. Gleichwohl sind sie eine unverzichtbare Informationsquelle. Die Schwäche kann bei denjenigen Personen auftreten, die diese V-Leute führen. Diese Personen bedürfen einer engen Begleitung. Wir müssen fragen, wie wir damit umgehen wollen.

Ferner müssen wir das Thema der ersten Speicherung neu diskutieren, und zwar mit Blick auf die elektronischen Möglichkeiten. Dazu schlägt die Kommission in ihrem Bericht vor, die Zustimmung des Referatsleiters obligatorisch zu machen.

Meine Damen und Herren, wir haben die Vorgänge innerhalb des Verfassungsschutzes massiv kritisiert und fühlen uns, Herr Minister, durch Ihre Äußerungen und Ihre Antworten auf unsere Fragen in unserer Kritik auch ausdrücklich bestätigt. Wir müssen fragen, wie innerhalb des Verfassungsschutzes mit Fehlern umgegangen wird. Aber wir

müssen uns auch selbstkritisch fragen, wie die äußere Reaktion auf solche Dinge aussieht.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes werden zu leicht als „Schlapphüte“ bezeichnet. Auch wenn der Verfassungsschutz nur öffentlich zugängliche Informationen sammelt und auswertet, heißt es gleich, dort habe eine Bespitzelung stattgefunden. Damit stellt man die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eine unangenehme Nähe zu anderen Diensten.

Genau das, Herr Kollege Bachmann, haben Sie in Ihrem Redebeitrag vor zwei Monaten getan. Sie haben permanent von „Bespitzelung“ gesprochen. Aber das, was da passiert ist, war das Auswerten öffentlicher Unterlagen und hat mit Bespitzelung nun wirklich nichts zu tun gehabt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Natürlich wird sich der Verfassungsschutz zurückziehen - in dem Kommissionsbericht ist die Rede von einer „Wagenburg-Mentalität“ -, wenn er in Gänze angegriffen wird, wenn er, zum Teil sogar ohne Anknüpfung an tatsächliche Fehler - die in Niedersachsen nicht zwingend zu erkennen sind -, in seiner Gänze infrage gestellt wird. Das gilt natürlich in erster Linie für die Fraktion der Grünen und hier insbesondere für ihre Vorsitzende, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes auf einem Parteitag als „Scheißhaufen“ bezeichnet hat. So etwas muss einfach dazu führen, dass sich der Verfassungsschutz einigelt und eine Wagenburg-Mentalität entwickelt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ziel einer solchen Enquetekommission muss doch sein - und da, glaube ich, kommen wir auch wieder zusammen -, dass wir alle sagen: Der Verfassungsschutz ist eine Sicherheitsbehörde, die wir in diesem Haus gemeinsam tragen, weil wir ihr Aufgaben übertragen haben, die wichtig sind und zu denen wir stehen. Das, meine Damen und Herren von den Grünen, ist doch auch Ihre Botschaft aus dem Koalitionsvertrag. Deshalb ist es doch umso wichtiger, dass das gemeinsam für alle gilt.

Frau Präsidentin, ich schließe mit einem Zitat von Helmut Schmidt. Auch das ist in dem Bericht der Kommission zu finden. - Ich zitiere heute zwei Sozialdemokraten, weil ich gerade an dieser Stelle die Gemeinsamkeiten betonen möchte. - Helmut Schmidt hat in seiner Publikation „Verfassungsschutz als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern“ von 1966 gesagt:

„Wir können nicht auf Behörden verzichten, denen von Amts wegen der Schutz des Staates und seiner Bürger anvertraut ist. Eine dieser Behörden ist der Verfassungsschutz.“

Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, lassen Sie uns in einer Enquetekommission darüber reden. Springen Sie über Ihren Schatten! Wir würden ein gutes Ergebnis erzielen.

Wir bringen den Antrag heute neu ein, weil Sie, Herr Bachmann, dieses Angebot gemacht haben. Die Berichte liegen vor. Das, was Sie als Voraussetzung genannt haben, ist damit jetzt erfüllt. Ich glaube, wir würden eine gute Enquetekommission ins Leben rufen können.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Limburg das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst zu den äußeren Vorgängen und der wiederholt geäußerten Angst der CDU, das Verfahren zur Reform des niedersächsischen Verfassungsschutzes würde insgesamt unter zu geringer Beteiligung und zu wenig transparent stattfinden.

Herr Kollege Nacke, Sie haben bedauert, dass der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes ausschließlich vertraulich oder nicht öffentlich tagt. Dazu will ich zwei Anmerkungen machen:

Zum einen sind wir von SPD und Grünen selbstverständlich offen dafür, noch einmal über die Geschäftsordnung des Landtags zu reden und - wie es andere Landesparlamente bereits machen - wenigstens Teile der Beratungen im Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes öffentlich zu machen. Dieses Angebot kann ich Ihnen hier und jetzt unterbreiten. Das können wir auch gern schnell auf den Weg bringen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Zum Zweiten: Wenn wir das Verfassungsschutzgesetz ändern, wird der Rechtsausschuss einen wesentlichen Teil der Beratungen durchführen. Der Rechtsausschuss tagt, wie Sie wissen, öffentlich. -

Insofern, Herr Nacke, verstehe ich Ihre Bedenken nicht.

Nun zu der Frage, wie wir den Reformprozess am besten einleiten können. Sie wissen - Sie haben es gerade ja auch angesprochen -, dass es hierzu auch eine Regierungskommission gibt. Diese wird in den nächsten Monaten ihren Bericht vorlegen. Darüber hinaus gibt es eine Task-Force zur Analyse der mutmaßlich widerrechtlichen Speicherungen beim niedersächsischen Verfassungsschutz. Herr Nacke, was neben diesen beiden Instrumenten eine Enquetekommission zusätzlich bewirken können soll, ist mir trotz Ihres Redebeitrages völlig schleierhaft.

Es ist doch vielmehr so, dass es aufgrund der Zeit, die von der Einsetzung einer Enquetekommission bis hin zu ihrer Konstituierung und zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Arbeit aufnehmen kann, vergeht, zu einer erheblichen Verzögerung des Reformprozesses und zu einer Verlängerung des Schwebezustandes kommen wird. Die können wir uns gerade im Bereich der öffentlichen Sicherheit - und um die geht es ja beim Verfassungsschutz - nicht leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Herr Kollege Nacke, Sie haben den erneuten Antrag Ihrer Fraktion auf Einsetzung einer Enquetekommission ganz wesentlich mit den Ergebnissen Ihrer eigenen Reformkommission begründet. Deswegen möchte ich gern auf einige Aspekte, die im Abschlussbericht vorgestellt worden sind, eingehen.

Dort wird z. B. auf das Trennungsgebot rekurriert. Während zunächst ausdrücklich erklärt wird, das Trennungsgebot sei wichtig und erhaltenswert - diese Auffassung teile ich übrigens ausdrücklich -, wird später davon gesprochen, dass man den persönlichen direkten Austausch, gemeinsame Fortbildungen usw. zwischen Polizei und Verfassungsschutz fördern müsse. Herr Kollege Nacke, auch wenn es nicht beabsichtigt sein mag: Das, was dort steht, ist genau das Gegenteil einer Ausgestaltung des Trennungsgebots. Damit würde das Trennungsgebot de facto unterminiert. Ich glaube also nicht, dass man in diese Richtung gehen kann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie sprechen ferner die Fehlerkultur an. Das ist ein wichtiger Aspekt. Wir brauchen nicht nur beim Verfassungsschutz, sondern auch bei anderen Landesbehörden einen offenen und konstruktiven Umgang mit Fehlern. Ich finde es aber, gelinde

gesagt, bemerkenswert, dass Sie in Ihrem Bericht die Fehler, die passiert sind, nahezu ausschließlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes zuschreiben. Kein einziges Wort davon, dass die politische Spitze - Ihr geliebter Innenminister Schünemann - die Vorgaben gemacht hat! Die politische Verantwortung für die Fehler liegt nicht bei den armen kleinen Mitarbeitern, die das ausführen mussten, sondern die Verantwortung dafür liegt bei der damaligen CDU/FDP-Landesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Nacke, Sie gehen in Ihrem Bericht leider mit keinem Wort darauf ein, welch gravierende Auswirkungen die Bespitzelung - und es handelt sich hier um Bespitzelungen; das sollten Sie nicht auch noch beschönigen - von jungen Menschen hat: Hausbesetzer, Tierschutzaktivisten, Menschen, die sich gegen Nazis engagieren. Das ist natürlich eine gravierende Stigmatisierung, ein gravierender Einschnitt in das Leben dieser Menschen. Aber darauf gehen Sie, wie gesagt, mit keinem Wort ein.

Zum Abschluss: Herr Nacke, ich bitte Sie, Ihre Angriffe auf Frau Piel endlich zu unterlassen. Frau Piel hat sich diesen Ausrutscher in der Tat geleistet. Aber Sie unterschlagen immer wieder, und zwar bewusst, dass sie sich anschließend schriftlich und auch in einem ausführlichen persönlichen Gespräch beim Verfassungsschutz - beim Präsidenten, beim Personalrat, bei den Abteilungsleiterinnen und -leitern - entschuldigt hat. So viel Größe, Herr Nacke, sollten Sie nicht unerwähnt lassen. Sie täte vielen Personen in diesem Geschäft gut.

Vielen Dank.