Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 24: Erste (und abschließende) Beratung: Klare Kante gegen Kindesmissbrauch - Handel mit Nacktfotos stoppen! - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/1338 - Änderungsantrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP - Drs. 17/1393

Wir kommen zur Einbringung. Das Wort hat der Abgeordnete Björn Thümler für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit mehreren Monaten beschäftigt die Öffentlichkeit der Fall Edathy mit all seinen Facetten. In diesem Zusammenhang haben auch Debatten um bestehende Strafbarkeitslücken im Bereich der Kinderpornografie enorm an Fahrt aufgenommen. Im Bundestag ist der Weckruf längst angekommen. Erst gestern berichtete die Rheinische Post, dass Union und SPD auf Bundesebene an konkreten Maßnahmen arbeiten, um ein internationales Verbot des Handels mit aufreizenden Nacktbildern von Kindern und Jugendlichen zu erreichen.

Ich persönlich, meine Damen und Herren, halte es für völlig inakzeptabel, dass der kommerzielle Handel mit Kindernacktfotos, egal welcher Art, immer noch legal ist.

(Beifall)

Ich halte es auch für völlig inakzeptabel, dass einzelne Personen - und Herr Edathy ist nun einmal im Fokus - unter Berufung auf diese Gesetzeslücke ihre Hände in Unschuld waschen. Sie haben

es im Spiegel gelesen: Er ist sich noch nicht einmal zu schade dafür, sich auf die schönen Künste zu berufen - als wäre jener mittlerweile in Haft sitzende Produzent der in Rede stehenden Fotos in eine Reihe mit Michelangelo und da Vinci zu stellen.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Was Herr Edathy getan hat und was andere erwachsene - ich sage es ausdrücklich - Menschen mit ähnlicher Neigung tun, jeden Tag, immer wieder, war und ist durch nichts zu entschuldigen oder zu rechtfertigen.

(Beifall)

Es ist zudem feige. Ich muss es so deutlich sagen: Es ist feige, auch von Herrn Edathy, sich dieser moralischen Verantwortung - aus meiner Sicht besteht hier eigentlich eine moralische Bringschuld - nicht zu stellen, nämlich offene Fragen aktiv hier in Deutschland zu klären bzw. zur Klärung dieser offenen Fragen beizutragen.

Fotografen und Erwerber derartiger Fotos nutzen, meine Damen und Herren, die Arglosigkeit schutzloser Kinder schamlos aus. Sie nehmen diesen Kindern die Würde, sie verletzen mit diesen Bildern die Kinder, es gibt gebrochene Kinderseelen. Insofern ist Nils Minkmar voll zuzustimmen, der in der FAZ vom 21. März 2014 zu Recht darauf hingewiesen hat, dass derartige Bilder nicht ohne das Grauen der Umstände ihrer Produktion zu haben sind und dass die Welt von den finsteren Machenschaften der Mittelsmänner, von denen die Welt wirklich nicht noch mehr gebrauchen kann, zu befreien ist.

(Beifall)

Das ist genau das, was, meine Fraktion und - ich denke, aufgrund der Debatten, auch der, die wir vor einem Monat geführt haben - auch alle anderen Fraktionen umtreibt: Es geht um den Schutz der Kinder, damit sie nicht Opfer skrupelloser Geschäftemacher weltweit werden.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, das Schließen von Strafbarkeitslücken ist das eine, Prävention und Aufklärung sind das andere. Hier gibt es in Niedersachsen ein vorbildliches Projekt - Sie kennen es alle -, das auf Initiative von Uwe Schünemann mit IT-Firmen, Verbänden, Ärztevertretern und Wissenschaftlern in Niedersachsen im Jahr 2009 auf den Weg gebracht worden ist: das Bündnis zum

Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern unter dem Titel „White IT“.

Ich habe eines der von diesem Projekt eigens entwickelten Pixi-Bücher - es sind mehrere - mitgebracht. Es trägt den Titel „Lena sagt Nein!“. Dort heißt es ganz zum Schluss: „Du“ - also Lena bzw. andere Kinder - „darfst laut und deutlich Nein sagen, wenn du nicht magst, was Erwachsene von dir wünschen. Du bist stark, du kannst dich wehren. Du kannst um Hilfe rufen, du kannst Hilfe holen, wenn du sie brauchst. Du bist nicht allein.“

Nicht nur auf den Fall Edathy bezogen, sondern grundsätzlich - und da schließe ich überhaupt keine Richtung aus - muss man sich fragen: Wer hilft den Kindern auf solchen Fotos? Wer schützt diejenigen Kinder vor wiederkehrendem Missbrauch, die nicht die Möglichkeit haben, Nein zu sagen? Wer erhebt seine Stimme für diese Kinder? - Wer, meine Damen und Herren, wenn nicht wir hier in diesem Parlament und in anderen Parlamenten weltweit, die sich dafür einsetzen sollten, dass man sich um die Opfer kümmert?!

Allerdings gestehe ich auch zu, dass den Tätern dringend geholfen werden muss. Das gehört dazu. Aber man muss die Opfer absolut im Fokus sehen. Denn sie können sich nicht wehren. Deswegen ist dieses Buch ein gutes Beispiel dafür, wie man damit verfahren soll.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, deswegen bin ich froh, dass es dazu gekommen ist, dass die Parlamentarischen Geschäftsführer sich im Auftrag ihrer Fraktionen darauf gemeinsam verständigt haben, einen gemeinsamen Text einer Entschließung heute diesem Parlament vorzulegen, aus dem eindeutig hervorgeht, dass dieses Parlament wahrscheinlich auch in seiner Gesamtheit eben genau diese Punkte, die ich dargestellt habe, ablehnt, dass wir uns gegen den Missbrauch von Kindern, in welcher Form auch immer, aussprechen, dass wir fordern, dass die Strafbarkeitsgesetzlücken geschlossen werden, dass wir darauf aufmerksam machen, dass Prävention ein wichtiges Mittel ist und dass alle Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, Prävention in den Vordergrund zu stellen, gestärkt werden müssen. Und wenn es dort Defizite geben sollte, müssen diese Defizite - sofern es diese in Niedersachsen gibt - gemeinsam, auch von diesem Landesparlament, beseitigt werden.

Deswegen, meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass tatsäch

lich kein Hilferuf eines Kindes ungehört bleibt, und dass kein Kind alleine bleibt.

(Beifall)

Darum, meine Damen und Herren, beantrage ich sofortige Abstimmung. Das ist so besprochen worden. Ich freue mich, dass wir wirklich zu einem kraftvollen Signal in dieser Frage kommen, parteiübergreifend als gemeinsames Parlament in unserer gemeinsamen Verantwortung.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Thümler. - Um das Wort gebeten hat jetzt Frau Kollegin Andrea SchröderEhlers, SPD-Fraktion. Frau Schröder-Ehlers, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Thümler, ich bedanke mich sehr herzlich für Ihren Beitrag, und ich kann Ihnen versichern: Uns alle in diesem Hause eint der Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie. Es wird eine große Aufgabe sein, tatsächlich auch die richtigen Schritte aus diesem Haus heraus einzuleiten.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, Sie wissen, der Rechtsausschuss hat sich bereits in der letzten Woche darauf verständigt, eine lange Liste von Experten zu diesem Thema anzuhören. Wir wollen einige von ihnen dann auch zu einer mündlichen Debatte einladen, um zu ergründen, welches die richtigen Schritte zur Änderung der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuches sind.

Herr Thümler hat es schon angesprochen: Der Bundestag beschäftigt sich intensiv mit diesem Thema. Erst gestern ist eine Anfrage, die auf eine Initiative von Bündnis 90/Die Grünen zurückgeht, beantwortet worden. Dabei ist auch der aktuelle Sachstand dargestellt worden. Die Rheinische Post hat darüber berichtet.

Eines ist aber auch klar, meine Damen und Herren: Der Antrag, den die CDU-Fraktion hier eingebracht hatte, war so nicht tragfähig. Darüber waren wir uns auf der linken Seite des Hauses auch einig. Strafprozessual müssen nun einmal bestimmte Regelungen für alle Beschuldigten beachtet werden. Jeder, der in einen Verdacht kommt, hat das

Recht, sich entsprechend zu verhalten und seine Rechte vor den Ermittlungsbehörden wahrzunehmen.

Den Rechtskundigen ist klar - auch das muss man an dieser Stelle noch einmal sagen -, dass die Anwendung des Strafrechts immer nur die Ultima Ratio sein kann. Nicht alles, was moralisch falsch, dumm oder vielleicht auch nur naiv ist und letztendlich ausgenutzt wird, kann unter Strafe gestellt werden. Also: Auch in Zukunft müssen Eltern der Oma Bilder von badenden Säuglingen schenken können. Auch das Kind, das schon seit Jahrhunderten bei der Madonna auf dem Arm ist, darf nackt bleiben und darf auch fotografiert werden. Diese Fotos dürfen auch verschickt und gepostet werden. Aber jeder von uns sollte immer wieder und ständig darüber nachdenken, welche Bilder er ins Netz stellt; denn das Netz vergisst nicht, und es ist für die Kinder, die dort abgebildet werden, eine große Strafe, wenn sie sich nach vielen, vielen Jahren auf vielleicht gut gemeinten Bildern wiederfinden.

(Beifall)

Und vor allen Dingen muss uns auch klar sein, dass gerade in den sozialen Netzwerken viele mitschauen und diese Bilder für sich anders interpretieren. Eine Grauzone wird es immer geben: Bilder, die der eine unter künstlerischen und ästhetischen Gesichtspunkten betrachtet, sieht sich der andere zur Befriedigung seiner sexuellen Neigungen an. Auch das muss jedem klar sein, der solche Bilder ins Netz stellt.

Meine Damen und Herren, das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite werden die Freiräume des Internets für den Handel und den Tausch von kinderpornografischen Bildern genutzt. Das muss stärker sanktioniert werden. Darin sind wir uns einig.

Aber auch hier streiten wir um die geeigneten Mittel. 2009 wurde die Initiative „White IT“ gegründet; Herr Thümler hat sie angesprochen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, eine ganzheitliche Strategie gegen Kinderpornografie, zum Schutz der Kinder, zur besseren Strafverfolgung und zur Hilfe für alle Opfer zu entwickeln. Der Lenkungskreis unter Vorsitz des Innenministers bündelt die verschiedenen Maßnahmen. Auch Minister Pistorius hat dieses Thema für sich aufgegriffen und viele gute Vorschläge zusammen mit dem Arbeitskreis erarbeitet. Sie können dies auf der Homepage von „White IT“ nachlesen, meine Damen und Herren.

Aber „White IT“ hat nicht nur das Buch, das Herr Thümler gezeigt hat, erstellt, sondern „White IT“ hat auch die Leibniz Universität mit einer Studie beauftragt. Durch die Auswertung von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten und Interviews wurde belegt, dass kinderpornografisches Material nur zu einem geringen Teil gehandelt wird. Zum größten Teil wird Kinderpornografie in geschlossenen Benutzergruppen verteilt. Darum erheben die Wissenschaftler die Forderung, den Staatsanwaltschaften und den Ermittlungsbehörden zu erlauben, verdeckt zu ermitteln, und den § 110 a der Strafprozessordnung zu ändern. Diesen Vorschlag sollten wir unterstützen und mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Berlin diskutieren.

Der Forschungsbericht der Leibniz Universität belegt, dass neue Mitglieder solcher geschlossenen Gruppen oder Tauschbörsen einen sogenannten Keuschheitstest - dieses Wort ist in diesem Zusammenhang wirklich perfide - ablegen müssen. Gemeint ist damit, dass sie zunächst selbst kinderpornografisches Material erstellen und ins Netz stellen müssen, bevor sie das Material der anderen sehen dürfen. Das führt immer wieder dazu, dass es zum Missbrauch der eigenen Kinder oder zum Missbrauch von Kindern im Bekanntenkreis kommt, weil man sich dort dieses Material besorgt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns also zusammen mit unseren Kollegen auf Bundesebene darüber nachdenken, wie wir es schaffen können, diese Netzwerke aufzubrechen und die Teilnahme an diesen Netzwerken auch effektiv unter Strafe zu stellen.

Wichtig ist aber auch, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Die Arbeit von „White IT“ habe ich erwähnt. Angesprochen werden müssen auch der Landespräventionsrat und auch einige kommunale Präventionsräte; denn die schieben viele wichtige Projekte an. Nennen möchte ich z. B. die Arbeit des Kriminalitätspräventionsrates in Lüneburg. Hier gibt es schon seit vielen Jahren Projekte, die Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen wollen.

Diese Arbeit muss auf allen Ebenen im ganzen Land fortgeführt werden. Das kostet zwar Geld, auch Landesgeld, aber dieses Geld ist gut angelegt. Rot-Grün hat zu diesem Zweck einen entsprechenden Ansatz in den aktuellen Haushalt eingestellt.

Meine Damen und Herren, dass wir uns neben dem Schutz der Kinder auch um die Täter und vor allem um diejenigen kümmern müssen, die trotz ihrer Veranlagung immer wieder mit sich ringen,

um nicht straffällig zu werden, habe ich beim letzten Mal schon ausgeführt.

Es bleibt dabei: Kindesmissbrauch und Kinderpornografie sind ein großes Problem. Es gibt keine einfachen Lösungen. Eine ganzheitliche Strategie und ein langer Atem sind nötig, um das Leid der Kinder zu verringern. Ganz verhindern werden wir es wahrscheinlich nie können. Aber wir sollten uns vor übereilten, populistischen oder maßlos übertriebenen Forderungen hüten; denn damit ist niemandem geholfen, schon gar nicht den Kindern.

Lassen Sie uns also im Ausschuss weiter sachlich diskutieren und schauen, was wir hier im Landtag zum Schutz der Kinder erreichen können.

Ich danke Ihnen.