Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder-Ehlers. - Es hat sich jetzt zu Wort gemeldet Helge Limburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Limburg, bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Strafrecht muss in einem demokratischen Rechtsstaat stets Ultima Ratio sein. Dieser Grundsatz ist im Übrigen auch im rot-grünen Koalitionsvertrag in Niedersachsen festgehalten.

Was heißt das? - Das heißt zum einen, dass das für die Formulierung und die Verabschiedung strafrechtlicher Normen gilt. Es gilt für die konkrete Anwendung dieser Normen, und es gilt schließlich auch für die Strafzumessung. Es ist aus meiner Sicht durchaus fraglich, ob dieser Grundsatz, dass das Strafrecht stets die Ultima Ratio sein sollte, bei der Gesetzgebung des Bundes mit seinen zahllosen in den letzten Jahren vorgenommenen Strafverschärfungen immer zur Anwendung gekommen ist.

Wir müssen uns vor reflexartigen Forderungen nach Strafverschärfungen als Reaktion auf zu missbilligendes Verhalten hüten. Nicht alles - die Kollegin Schröder-Ehlers hat es gerade angesprochen -, was von uns, einer großen Mehrheit der Gesellschaft, sozial missbilligt wird, kann und darf in einem freien demokratischen Rechtsstaat mit dem scharfen Schwert des Strafrechts belegt werden.

Gleichwohl gilt umgekehrt natürlich auch: Wenn uns neue Phänomene, neuartige Taten des Missbrauchs und der Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen begegnen, dann müssen wir als Gesetzgeber natürlich alle Normen - auch das Strafrecht - auf den Prüfstand stellen und dahin gehend überprüfen, ob und welche Gesetzesverschärfungen dringend notwendig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

In diesem Sinne hat sich auch - das ist bereits angesprochen worden - der Rechtsausschuss des Niedersächsischen Landtages auf einen Entschließungsantrag der CDU-Fraktion hin auf eine wirklich breite, umfassende und gründliche Anhörung verschiedenster Gruppen verständigt. Ich begrüße das ausdrücklich.

Ich begrüße auch die Ankündigung des Bundesjustizministers Heiko Maas und der Landesjustizministerin Antje Niewisch-Lennartz, sehr sorgfältig, aber auch mit der gebotenen Konsequenz und Schnelligkeit zu überprüfen, wie man diesem Phänomen, das uns rund um die Affäre Edathy beschäftigt, mit dem Strafrecht oder anderen Rechtsverschärfungen angemessen begegnen kann.

Verhindern müssen wir dabei die Kriminalisierung normaler Familienfotos. Verhindern müssen wir auch, dass normale Schulbücher, Aufklärungsbücher und Aufklärungszeitschriften kriminalisiert werden. Wir müssen verhindern, dass die Kunstfreiheit eingeschränkt wird. Wir müssen aber auch verhindern - Herr Thümler hat es zu Recht angesprochen -, dass unter dem Deckmäntelchen der Kunstfreiheit der vielfache Missbrauch von Kindern und Jugendlichen weltweit legitimiert und bagatellisiert wird, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Herr Edathy ist angesprochen worden. Er hat als Beschuldigter alle Rechte der Strafprozessordnung. Er hat selbstverständlich auch das Recht, nichts zur Aufklärung der ihm vorgeworfenen Taten beizutragen. So sehr es uns alle hier gemeinsam schmerzen und moralisch empören mag: Er hat auch das Recht, seine Taten und Handlungen zu rechtfertigen. Die Beschuldigtenrechte mögen uns in der konkreten Ausgestaltung schmerzen. Sie sind gleichwohl unverzichtbarer Bestandteil eines demokratischen Rechtsstaates. Eine andere Frage ist es allerdings, welchen Raum Medien in diesem Lande solchen Aussagen und solchen Interviews einräumen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Meine Damen und Herren, es ist von Herrn Thümler angesprochen worden: Bei diesem Antrag geht es letztendlich um Kinder weltweit. Deshalb müssen wir uns auch unserer globalen Verantwortung bewusst sein; denn z. B. die Armut in vielen Ländern kann mit dazu beitragen, solche Formen des Missbrauchs und der Ausbeutung zu erleichtern und zu begünstigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass heute auf Initiative der CDU ein kraftvolles Signal von diesem Parlament für den Schutz von Kindern und Jugendlichen ausgeht. Wir sind es allen Kindern und Jugendlichen weltweit schuldig.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Für die FDP hat sich jetzt Herr Dr. Marco Genthe zu Wort gemeldet. Herr Dr. Genthe, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in der letzten Plenarwoche haben wir uns an dieser Stelle mit dem Thema Kindesmissbrauch und der strafrechtlichen Bewertung beschäftigt. In der angenehm sachlichen Debatte hatte ich dazu gesagt, dass Kindesmissbrauch mit dem schärfsten Schwert, welches der Rechtsstaat zur Verfügung hat, bekämpft werden muss, und dabei sind wir uns auch alle einig. Insoweit begrüße ich ausdrücklich, dass sich die Fraktionen bei diesem wichtigen Thema auf einen gemeinsamen Text geeinigt haben.

(Beifall)

Der angesprochene Reformbedarf im Strafrecht wird demnächst Gegenstand einer Anhörung im Rechtsausschuss sein. Die Debatte im Plenum hat jedoch deutlich gemacht, dass die strafrechtliche Normierung in diesem Bereich durchaus anspruchsvoll ist. Daher weise ich auch vor dem Hintergrund des bereits angesprochenen Ursprungsantrages nochmals darauf hin, dass das Strafrecht einem Bestimmtheitsgrundsatz unterliegt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen einer Strafbarkeit konkret umschreiben muss. Der Anwendungsbereich einer Norm muss klar erkennbar sein. Inhaltlich konturlose Begriffe sind daher zu vermeiden.

(Beifall)

Auf diese Art und Weise soll u. a. auch jede Art von Willkür verhindert werden. Deshalb sind schlichte Formulierungen wie z. B. „Nacktaufnahmen von Kindern und Jugendlichen“ zu vermeiden; denn darunter sind nicht nur die im Fall Edathy diskutierten Bilder zu fassen, sondern auch diverse andere. Das eigentliche Ziel, meine Damen und Herren, ist die Verhinderung jeder Art von gewerblichem Handel oder des Austausches Zug um Zug von missbräuchlich entstandenen Bildern.

(Beifall)

Die Herausforderung ist, an dieser Stelle klar zu sein; denn ein einfacher Austausch findet z. B. bereits statt, wenn Urlaubsfotos von einer gemeinsamen Reise unter Nachbarn ausgetauscht werden.

Herr Kollege Thümler hat es bereits angesprochen: Die Abgrenzung zur Kunst ist ein sehr schweres Thema. Dass sich Herr Edathy in diesem Fall auf den Kunstbegriff berufen hat, ist, ehrlich gesagt, ein unfassbarer Vorgang. Da fliegt mir der Draht aus der Mütze, auch als Vater.

(Lebhafter Beifall)

Wir müssen jedoch beachten - und das wurde angesprochen -, dass unter unscharfen Formulierungen unter Umständen auch der Handel bzw. der Austausch mit berühmten historischen Gemälden wie z. B. von Bosch, von Rubens, von Goya oder von Caravaggio fallen. Im Extremfall müsste die Polizei die Bilder aus den Museen holen. Hinzu kommt diverse Literatur beispielsweise von Thomas Mann oder von Nabokov. Aber dieses Ergebnis ist nicht gewollt. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, ist es jedoch notwendig, an dieser Stelle fachlich deutlich zu formulieren. Auf die verheerenden Folgen einer Falschverdächtigung habe ich in der letzten Plenarwoche am Beispiel des angeblichen Wormser Kinderpornorings bereits hingewiesen.

Meine Damen und Herren, ich frage mich ein wenig, warum sich der Landtag vor der Anhörung im Rechtsausschuss ein zweites Mal mit dieser Angelegenheit beschäftigt. Wir sprechen zudem über ein Gesetz, über das nicht der Landtag, sondern der Bundestag zu entscheiden hat. Der Bundesjustizminister hat bereits einen Vorschlag angekündigt. Zudem liegen im Bundesrat Initiativen aus den Ländern Thüringen und Hessen vor.

Wer allerdings glaubt, man könne dieses Phänomen einfach mit ein paar Paragrafen aus der Welt schaffen, der irrt gewaltig.

(Beifall)

Man wird nie jede Abbildung, die bestimmten Menschen mit bestimmten Neigungen in irgendeiner Form zur Befriedigung dient, verbieten können. Jede andere Behauptung ist blanker Populismus.

(Beifall)

Ich glaube, wir gehen Herrn Edathy mit dieser Diskussion ein Stück weit auf den Leim. Ich würde es begrüßen, man würde weniger an den Paragrafen herumdoktern und mehr für deren Vollzug tun.

Meine Damen und Herren, die Wahrheit ist doch, dass der Kern des Problems nicht irgendeine Grauzone ist, die man mal eben mit ein paar weiteren Paragrafen auslöschen könnte; das wäre einfach. Man könnte den Menschen da draußen sagen: Alles gut, Problem verstanden, Problem gelöst!

Die Wahrheit ist vielmehr, dass wir an dieser Stelle - und übrigens nicht nur an dieser Stelle - ein Vollzugsproblem haben. Der Innenminister wird das bestätigen. Wir brauchen am Ende ausreichend Polizisten, die die Strukturen des organisierten Kindesmissbrauchs aufdecken und mit modernen Mitteln konsequent verfolgen. An dieser Stelle sollte und kann mehr geschehen, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Edathy hin oder her: Ich würde mir wünschen, wir würden den Fokus mehr auf die Opfer dieser schrecklichen Taten richten und mehr über Opferschutz im Verfahrensrecht reden.

Nunmehr sollten wir zunächst einmal die Anhörung im Rechtsausschuss abwarten. Möglicherweise ergeben sich dann noch Argumente, die über den Bundesrat transportiert werden können. Ich freue mich auf die entsprechende Anhörung.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall)

Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Jetzt hat sich die Justizministerin zu Wort gemeldet. Frau NiewischLennartz, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es zeichnet die parlamentarische Kultur dieses Hohen Hauses aus, dass Sie gerade

zu diesem Thema über einen fraktionsübergreifenden Antrag debattieren.

Es kann bei dem Ziel, unsere Kinder und Jugendlichen möglichst umfassend in ihrer sexuellen Selbstbestimmung und Würde zu schützen, keine zwei Meinungen geben.

(Lebhafter Beifall)

Welche Maßnahmen erforderlich sind, habe ich in der letzten Landtagssitzung angesprochen.

Ich unterstütze erstens eine umfassende und wohl durchdachte Reform des Sexualstrafrechts. Das Vorhaben des Hohen Hauses, sich selbst eine Meinung zum Reformbedarf in diesem Bereich zu bilden, verdient meine unbedingte Anerkennung.

Zweitens meine ich, dass wir es nicht bei der Verschärfung des Strafrechts belassen dürfen. Meine Vorredner haben es angesprochen. Wenn wir Kinder- und Jugendpornografie wirksam bekämpfen wollen, müssen wir den Fokus ganz entschieden auf die Prävention richten, und wir müssen den Opferschutz im Auge behalten.

Wir brauchen drittens natürlich eine effektive Strafverfolgung, wie Sie ganz zu Recht fordern. Das ist gerade im Bereich der Kinderpornografie kein geringes Anliegen; denn wir haben es mit einem Kriminalitätsbereich zu tun, der sich im Wesentlichen im Internet abspielt. Sie wissen, dass die Polizei und die Strafverfolgungsbehörden in dem Bereich leicht ins Hintertreffen geraten können.

Wir müssen deswegen den mit dem Haushalt 2014 in Niedersachsen beschrittenen Weg, die Strafverfolgungsbehörden im Bereich der Internetkriminalität zu stärken, konsequent mit dem nächsten Haushalt weitergehen.