Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Wir sind gegen eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit, und wir möchten Transparenzregeln für die Drittmittelforschung so gestalten, dass unseren Hochschulen keine Wettbewerbsnachteile entstehen und Niedersachsen ein attraktiver Forschungsstandort bleibt. - SPD und Grüne lehnen das ab.

Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, das Thema ist Ihnen sichtlich unangenehm. Sie fühlen sich ertappt mit der Hand in der Ladenkasse der Wissenschaftsfreiheit.

(Grant Hendrik Tonne [SPD] - lacht -: Wer schreibt Ihnen denn so etwas auf?)

Auch in anderen rot-grün regierten Ländern wird die Hochschulautonomie ausgehöhlt; ich nenne Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg.

Die große Konferenz der Vorsitzenden aller 17 CDU/CSU-Fraktionen hat sich auf der Grundlage des hier beratenen niedersächsischen Antrags für den Erhalt der Hochschulautonomie in Deutschland ausgesprochen.

Wir haben hier am 27. März die erste Beratung durchgeführt, und die Ministerin hat mit keinem Wort erwähnt, dass sie am selben Tage, am 27. März dieses Jahres, Leitlinien des Landes für die Erarbeitung von Zielvereinbarungen mit den Hochschulen veröffentlicht hat.

(Ministerin Dr. Gabriele Heinen-Kljajić lacht)

Sie haben das hier verheimlicht und klammheimlich durch die Tür geschoben. Das hätte man auch anders machen können.

In diesen Leitlinien formulieren Sie in 100 Einzelpunkten die Erwartungen des Landes, die die Hochschulen zu erfüllen haben. Unter anderem definieren Sie Felder, in denen Forschung besonders „erwünscht" ist. Ich zitiere aus Ihren sogenannten „Leitlinien", Seiten 10 und 11. Dort heißt es in Kapitel 6 „Forschung und Innovation stärken“ bei den Erwartungen des Landes gegenüber den Hochschulen u. a.:

„Das Land Niedersachsen bietet besondere Unterstützung in den Themenfeldern Gesundheit, Energie, Mobilität, Produktionstechnik, Klima und Meer, demografischer Wandel, Ernährung und Agrarwesen an.“

Gemeinsam mit den Hochschulen sind wir als CDU-Fraktion sehr gespannt, wie diese Unterstützung aussehen wird. Besonders gespannt sind wir auch darauf, was geschieht, wenn eine Hochschule sich traut, zu keinem der genannten Felder zu forschen. Welche Konsequenzen wird das haben?

Die Braunschweiger Zeitung formulierte es am 7. April 2014 so:

„Doch mit den strikten Vorgaben könnte RotGrün ‚böser’ Wissenschaft - von militärischer Forschung über Gentechnik bis zu Tierversuchen - ebenso den Boden entziehen wie zu wenig nachhaltiger oder zu wenig geschlechterneutraler - was immer das wäre.“

(Unruhe)

Herr Kollege Hillmer, einen Moment bitte! - Meine Damen und Herren, es laufen zu viele Neben- und Randgespräche. Ich darf bitten, das einzustellen, die Plätze einzunehmen, notfalls rauszugehen! - Wir haben Zeit. - Herr Kollege Ehlen! - Frau Janssen-Kucz! - Weiter geht es!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Und an anderer Stelle in dem Artikel schreibt die Braunschweiger Zeitung: Die Hochschulen werden nun schauen müssen, wie das Korsett nicht zu eng wird.

Meine Damen und Herren, eine Anhörung im Wissenschaftsausschuss haben Sie abgelehnt. Sie vermeiden die Auseinandersetzung mit den Betroffenen. Sie interessieren sich nicht für die Meinung der Hochschulen, der Beschäftigten oder der Studierenden.

Sie haben sogar eine Unterrichtung zum Thema Hochschulautonomie im Ausschuss abgelehnt. Das muss man sich einmal vorstellen. Sie sind so eingeschüchtert, dass Sie sich zu diesem Thema noch nicht einmal unterrichten lassen wollen. - Sie vermeiden die Auseinandersetzung mit dem Parlament.

Aber, meine Damen und Herren, warum blocken Sie das Thema so ab? - Sie könnten der Landesregierung doch deutlich vorgeben, wie Sie sich die Weiterentwicklung der Hochschulautonomie vorstellen. Ich hatte in der Vergangenheit durchaus den Eindruck, dass z. B. Frau Dr. Andretta ein tiefes Verständnis für den Wert der Hochschulautonomie ganz im Sinne des früheren Ministers Oppermann hatte, der ja immerhin die Stiftungshochschulen gegründet hat. Heute, meine Damen und Herren, wäre Gelegenheit gewesen, dies zu loben. Aber Sie lehnen das ab.

Warum sind Sie bei der Hochschulautonomie so meinungslos? Wollen, können oder dürfen Sie keine Position beziehen? Sind Sie so vergattert in Ihrer knappen Mehrheit, dass das selbstständige Denken untersagt ist nach dem Motto: Die Regierung hat immer recht? - Das wäre schlecht für die Demokratie und für das Land.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In diesem Tagungsabschnitt haben Sie Entschließungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen und zu Green shipping auf die Tagesordnung gebracht. Das sind sicher wichtige Themen -

aber ohne großen Gestaltungsspielraum des Landes Niedersachsen.

Die Entwicklung unserer niedersächsischen Hochschulen ist mindestens so wichtig für uns - und das Land hat hier einen 100-prozentigen Gestaltungsspielraum. Dazu eine Position zu Papier zu bringen, sind Sie aber außerstande.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie weichen der öffentlichen Diskussion im Parlament aus. Transparenz, meine Damen und Herren, sieht anders aus!

Mein Demokratieverständnis ist: Das Parlament macht Vorgaben, und die Regierung führt Sie aus. Bei Ihnen, Rot-Grün, ist das umgekehrt. Programmpartei war gestern! Wir erleben einen rotgrünen Abnickverein. Sie geben mit Ihrem Abstimmverhalten der Landesregierung einen Blankoscheck. Sie ermächtigen die Landesregierung mit ihrem Beschlussvorschlag uneingeschränkt.

Stimmen Sie für unseren Antrag, und verhindern Sie, dass die Wissenschaftsministerin diesen Gestaltungsspielraum zum Nachteil von Lehre und Forschung in unserem Land missbraucht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hillmer. - Es folgt sodann für die Fraktion der SPD Frau Dr. Lesemann. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Herr Hillmer, ich denke, Sie müssen einmal ein bisschen fleißiger werden, statt hier Nebelkerzen zu werfen.

(Jörg Hillmer [CDU]: Wann haben Sie denn Ihren letzten Antrag geschrie- ben?)

Das ist zuletzt in der Ausschusssitzung passiert, und jetzt geht das schon wieder los.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der CDU-Antrag und auch die Einlassungen der Oppositionsfraktionen im Ausschuss haben gezeigt, dass Sie uns schlechterdings einfach nur eine Debatte andichten wollen, die in anderen Bundesländern geführt wird. Mehr ist es nicht. Für

diese Phantomdebatte besteht hier keinerlei Notwendigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Niedersachsen bleibt Niedersachsen - und das ist auch gut so, meine Damen und Herren. Aber wenn Sie schon unbedingt einen Blick über den Tellerrand werfen wollen, dann lassen Sie uns doch gemeinsam einmal in das schöne Sachsen-Anhalt schauen. Dort hat jetzt ein Ihnen wohlbekanntes CDU-Mitglied die Hoheit über den Wissenschaftsbereich. Und was macht Herr Möllring dort eigentlich? - Er nimmt massive Eingriffe in die Struktur der Hochschullandschaft vor. Mit dem expliziten Herausgreifen einzelner Institute erweist der Wissenschaftsminister der Autonomie der Hochschulen in Sachsen-Anhalt einen Bärendienst.

Die Strafe folgt auf dem Fuß. Im Ranking des Deutschen Hochschullehrerverbandes hat Herr Möllring als Wissenschaftsminister die rote Laterne. Unsere Ministerin ist schon nach einem Jahr auf einem guten Platz zu sehen. Herzlichen Glückwunsch hierzu, Frau Heinen-Kljajić!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die CDU baut mit diesem Antrag einen Popanz auf und will Scheingefechte führen, die wir hier nicht nötig haben. Sie reiten hier ständig auf dem vermeintlich so beliebten Hochschulfreiheitsgesetz aus Nordrhein-Westfalen herum. Deshalb vielleicht mal eine kleine Gedächtnisstütze: Als es verabschiedet wurde, protestierte die Hochschullandschaft fast geschlossen empört. Das PinkwartGesetz wurde in keinem anderen Bundesland kopiert. Kein schwarz-gelbes Bundesland - davon gab es von 2006 bis 2012 reichlich - hat es übernommen. Akzeptieren Sie doch einfach, dass es keine parlamentarischen Mehrheiten gab, das Pinkwart-Gesetz zum UNESCO-Weltkulturerbe zu erheben.

Meinen Ausführungen aus der ersten Plenarberatung habe ich nicht viel hinzuzufügen. Herr Hillmer, ich denke, Sie sollten noch einmal in dem Protokoll lesen. Sie würden dort noch einiges finden, das lehrreich für Sie wäre.

Die Hochschulautonomie bleibt bei Rot-Grün in guten Händen.

Vielleicht noch so viel: Wir brauchen keinen Antrag, der sich in Feststellungen und Behauptungen ergeht. Unsere Hochschulen und Universitäten in Niedersachsen sind absolut leistungsfähig. Man

muss nur die Pressemitteilungen des MWK vom Anfang dieses Monats studieren, um Auskunft darüber zu erhalten.

Ich nenne nur zwei Beispiele aus den vergangenen zehn Tagen: Die Alexander von HumboldtProfessur, der höchstdotierte internationale Preis für Forschung in Deutschland, geht in diesem Jahr gleich zweimal nach Niedersachsen, und erst vorgestern haben Niedersachsens Hochschulen erneut die hohe Qualität ihrer Projekte zur Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses unter Beweis gestellt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat insgesamt rund 7,6 Millionen Euro für zwei neue Graduiertenkollegs an den niedersächsischen Hochschulen bewilligt.

Graduiertenkollegs bieten Doktorandinnen und Doktoranden die Chance, in einem strukturierten Forschungs- und Qualifizierungsprogramm auf hohem fachlichem Niveau zu promovieren, und das wollen wir. Diese Projekte sind von der DFG aus einer Vielzahl von Bewerbungen ausgewählt worden. Sie zeigen auch, dass es in Niedersachsen herausragende Konzepte für die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses gibt.

Ich finde, an dieser Stelle haben sich die Leibniz Universität Hannover, die TU Braunschweig und auch die Preisträgerinnen bzw. Preisträger einen herzlichen Applaus unsererseits verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In dem zur Abstimmung stehenden Antrag geht es um die Hochschulautonomie. Aber weder hier noch in den Ausschussberatungen haben Sie uns verraten, was Sie unter Hochschulautonomie im Wissenschaftsbereich eigentlich verstehen. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir hierzu sehr wohl eine Meinung. Für uns ist Hochschulautonomie nämlich kein Selbstzweck. Wir definieren sie als Freiheit der Wissenschaft zum Nutzen der Gesellschaft. Autonomie verpflichtet aber auch zur Transparenz.