Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

In dem zur Abstimmung stehenden Antrag geht es um die Hochschulautonomie. Aber weder hier noch in den Ausschussberatungen haben Sie uns verraten, was Sie unter Hochschulautonomie im Wissenschaftsbereich eigentlich verstehen. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir hierzu sehr wohl eine Meinung. Für uns ist Hochschulautonomie nämlich kein Selbstzweck. Wir definieren sie als Freiheit der Wissenschaft zum Nutzen der Gesellschaft. Autonomie verpflichtet aber auch zur Transparenz.

Gern wird nämlich übersehen, dass Autonomie auch Konsequenzen hat. Das ist, streng genommen, eigentlich eine Selbstverständlichkeit; denn je größer das Maß der Freiheit für die Hochschulen ist, desto größer ist auch das Maß der Verantwortung. Insbesondere finanzielle Auswirkungen von Entscheidungen sind im Rahmen der gewährten Kompetenz nur der Hochschule selbst zuzuordnen.

Wer eine Aufgabe übernimmt, hat auch in vollem Maße die Verantwortung dafür zu tragen. - Ein

Schelm, dem dazu jetzt nicht die Leuphana Universität einfiele.

Die finanzielle Verantwortung für die öffentlichen Hochschulen - das gilt auch für die Stiftungshochschulen - liegt nach wie vor bei den Regierungen und bei den Parlamenten.

Für Rot-Grün ist eine hervorragende Bildungspolitik unabdingbar, und deshalb geben wir den Hochschulen und Universitäten in Niedersachsen zur Erfüllung ihrer weitreichenden Aufgabe in Forschung und Lehre mehr als 2 Milliarden Euro.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Noch einmal zu diesen 100 Leitlinien, die für Sie ja eine unheimliche Gängelung darstellen: Es handelt sich bei diesen 2 Milliarden Euro um Steuergelder, und unter dem Aspekt einer systematischen Qualitätssicherung und als Basis für eine Rechenschaftslegung auch gegenüber der Öffentlichkeit werden zwischen Land und Hochschulen in Form von Ziel- und Leistungsvereinbarungen Absprachen darüber getroffen, was mit diesem Geld passieren soll. Wir alle legen Wert darauf, dass das im Dialog miteinander geschieht. Das ist keine einsame Definition strategischer Ziele durch das Ministerium oder durch sonst wen, sondern ein gemeinsamer Dialog und eine gemeinsame Definition strategischer Ziele.

Es handelt sich dabei übrigens auch nicht um eine neue Form der Detailsteuerung, wie Sie es uns hier glauben machen wollen, sondern das begann spätestens 2009, und da waren wir nicht an der Regierung.

Meine Damen und Herren, Rot-Grün will den Hochschulstandort Niedersachsen ausbauen und stärken. Dafür stehen wir. Hierbei hilft der ideenlose und nicht perspektivisch denkende Antrag der CDU nicht weiter. Wir werden ihn deshalb ablehnen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Lesemann. - Es folgt jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr von Holtz. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hillmer, ich verstehe nicht, wie Sie zu dem kommen, was Sie sagen. Es hört sich immer so an, als wenn Sie keine Ahnung hätten. Sie haben in der Braunschweiger Zeitung von 100 Vorgaben gelesen, die den Hochschulen gemacht werden müssen. Dabei ist es so, dass die Landesregierung in die Gespräche über Zielvereinbarungen ihre eigenen Vorstellungen einbringt, so wie es bereits 2009 unter Ihrer Regierung geschehen ist. Es wird verhandelt, man redet mit den Hochschulen, und am Ende steht ein Gerüst von Zielvereinbarungen. - Das ist nichts neues, sondern ein normaler Vorgang, den Sie nicht hochstilisieren müssen, als gehe es hier um einen Anschlag auf die Hochschulautonomie.

SPD und Grüne stehen zur Hochschulautonomie. Das haben wir letztes Mal schon gesagt, und das sage ich jetzt auch hier wieder.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das bleibt auch so, selbst wenn Sie sich hier noch so oft hinstellen und meinen, dass es nicht der Fall ist.

(Jörg Hillmer [CDU]: Dann stimmen Sie doch zu!)

- Ich kann gerne auf Ihren Antrag und auf die einzelnen Punkte eingehen.

Wenn ich einem Antrag zustimmen soll, muss er in sich stimmig sein, und auch die einzelnen Punkte müssen zustimmungsfähig sein.

Ich gehe die Punkte einfach einmal durch. Ich verkürze das, ich lese nicht den ganzen Antrag vor. Sie sagen unter Punkt 1, die Landesregierung soll die Autonomie der Hochschulen weiter stärken. - Ich hatte es gerade schon gesagt: Weder in den Fraktionen noch auf der Regierungsbank gibt es irgendwen, der die Hochschulautonomie einschränken möchte. Deswegen muss man die Landesregierung nicht extra dazu auffordern.

Unter Punkt 2 wollen Sie keine Kompetenzen aus den Hochschulen auf das Ministerium zurückverlegt wissen. Dort steht aber kein Wort davon, was Sie damit meinen. Ich habe mich intensiv damit beschäftigt, aber ich komme einfach nicht darauf, was Ihrer Meinung nach getan werden soll, damit Kompetenzen aus den Hochschulen ans Ministerium zurückverlegt werden. Ich weiß nicht, ob Sie damit die Zielvereinbarungen, die Gespräche oder

den Hochschulentwicklungsvertrag meinen. Jedenfalls ist davon nichts zu sehen.

Unter Punkt 3 fordern Sie, die Weiterentwicklung zu Stiftungshochschulen bestmöglich zu unterstützen. Ich frage Sie: Welche Hochschule möchte denn gerne Stiftungshochschule werden, und wo wird das verhindert? - Ich weiß davon nichts.

Unter Punkt 4 sagen Sie, die Zusammensetzung der Gremien soll nicht verändert werden. Ich frage Sie: Wo besteht denn da Gefahr für die Hochschulautonomie? Kann es sein, dass Sie etwas verwechseln? Was ist für Sie - Frau Lesemann hat die Frage auch schon gestellt - überhaupt Hochschulautonomie? Ist aus Ihrer Sicht die Hochschulautonomie in Gefahr, wenn Studierende und Lehrende mehr Mitspracherechte bekommen?

Unter Nr. 5 sprechen Sie Transparenzregeln für Drittmittelforschung an. Das ist alles schon im Hochschulentwicklungsvertrag geregelt. Dem haben die Hochschulen zugestimmt, und dem haben sogar Sie im letzten Jahr zugestimmt. Das ist also eine Forderung der Kategorie „völlig überflüssig“.

Unter Nr. 6 fordern sie, keine Zivilklauseln einzuführen. Ich wüsste nicht, dass die Einführung von Zivilklauseln geplant wäre. Ich habe darüber jedenfalls nichts gehört. Im Koalitionsvertrag, an den wir uns halten, steht dazu nichts. Also noch eine Forderung der Kategorie „überflüssig“.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Unter den Nrn. 7, 8 und 9 fordern Sie u. a., dass die Kooperationen von Hochschule und Wirtschaft unterstützt werden sollen, kooperative Promotionsverfahren mit Fachhochschulen gestärkt werden sollen und „die internationale Sichtbarkeit“ - das ist überhaupt der beste Satz in dem Antrag; ich lese das mal vor - „insbesondere der niedersächsischen Universitäten in ihren jeweiligen Schwerpunkten“ gestärkt werden soll. Ich verstehe das nicht - wieso „insbesondere der niedersächsischen Universitäten“? Heißt das, dass die internationale Sichtbarkeit der Unis wichtiger ist als die der international agierenden Unternehmen? - Ich verstehe diesen Satz einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Diese drei letzten Forderungen sind zwar schön und gut; man könnte sie sogar unterstützen. Allein - frage ich mich -: Was hat das alles mit Hochschulautonomie zu tun? - Denn diesen Vorwurf

machen Sie uns ja, dass wir gleichzeitig die Hochschulautonomie ablehnen würden, wenn wir Ihren Antrag ablehnen.

Wir lehnen Ihren Antrag aber deshalb ab, weil er in sich nicht konsistent ist, weil darin viele Themen angesprochen werden, über die man zwar gut und gerne diskutieren kann, die aber alle nichts mit Hochschulautonomie zu tun haben. Deswegen bleibt es bei der Ablehnung.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege von Holtz. - Es folgt sodann für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Björn Försterling. Herr Försterling, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eben das erlebt, was wir auch schon in der ersten Beratung des Antrags erlebt haben: SPD und Grüne halten die Hochschulfreiheit, die Hochschulautonomie im Land mit Lippenbekenntnissen hoch, aber die Taten sprechen leider eine ganz andere Sprache.

Es ist hier schon angeklungen: Kurz nach der ersten Beratung des Antrags sind die Leitlinien des Landes zur Hochschulentwicklung als Grundlage für die künftigen Zielvereinbarungen auf den Weg gebracht worden. Es mutet schon sehr merkwürdig an, wenn den Hochschulen 96 Leitlinien übermittelt werden und hier im Plenum gleichzeitig daran erinnert wird, dass sie 2 Milliarden Euro Steuergelder vom Land bekommen. Es wird an die Hochschulen appelliert: Überlegt es euch ganz genau, bevor wir mit euch in die Verhandlungen über die Zielvereinbarungen gehen. Ihr bekommt 2 Milliarden Euro von uns, und hier sind übrigens 96 Leitlinien, an denen ihr euch bitte bei den Verhandlungen über die Zielvereinbarungen orientieren sollt.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das ist falsch!)

So gehen Sie mit den Hochschulen in Niedersachsen um.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Schauen wir doch mal, was mit Blick auf die Hochschulautonomie, die Hochschulfreiheit in den Leitlinien steht. Einige Beispiele:

Die Hochschulen „entwickeln geschlechtersensible Lehr- und Lernformen und vermitteln den Lehrenden die erforderliche Genderkompetenz.“

Oder: Die Hochschulen „beschränken Prüfungsfrequenzen der studienbegleitenden Prüfungen auf ein erforderliches Mindestmaß“.

Oder: „Vor Durchführung einer Systemakkreditierung stimmt die Hochschule ihre Planung mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur ab.“

Oder: „Die Hochschulen ermutigen ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sich in Forschung und Lehre kritisch mit dem Konzept einer nachhaltigen Entwicklung auseinanderzusetzen und den wissenschaftlichen Nachwuchs für den Gedanken der Nachhaltigkeit zu sensibilisieren.“

Oder: Die Hochschulen „gewährleisten eine geschlechtergerechte Teilhabe an Ressourcen (Zeit, Geld, Räume, Geräte und Personal).“

Und: „Die Hochschulen schaffen … eine Plattform für den … Diskurs über ihre Forschungsaktivitäten“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was glauben Sie, was passiert, wenn ein Wissenschaftler der Spitzenklasse nach Niedersachsen kommen möchte und erfährt, dass er hier nicht nur permanent in einem Diskurs über seine Forschung Rechenschaft ablegen muss, sondern auch möglicherweise für neue Geräte kein Geld bekommt, wenn er das nicht tut, oder - noch schlimmer - sein Institut sogar räumlich verkleinert werden muss, weil die Quadratmeterzahl nicht mehr zur Geschlechterquote an der Universität passt? - Damit verabschieden wir uns in Niedersachsen von der Spitzenforschung, und damit verabschieden wir uns auch von der Hochschulautonomie. Deswegen wäre es richtig, am heutigen Tag ein klares Signal für die Hochschulfreiheit, für die Hochschulautonomie zu senden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Weitere Wortmeldungen aus dem Plenum liegen mir nicht vor. Ich darf sodann für die Landesregierung Frau Ministerin Dr. Heinen-Kljajić aufrufen. Frau Ministerin, Sie haben das Wort. Bitte sehr!