Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Wir verlangen einen leistungsfähigen Verfassungsschutz, der uns vor den Bedrohungen von links, von rechts, durch Islamisten und durch ausländische Geheimdienste beschützt. Wir nehmen nicht hin, dass Sie auch nur einen Datensatz, beispielsweise einen der 1 400 Datensätze aus dem Bereich des Rechtsextremismus, löschen, der später gebraucht werden könnte, um die Aufgaben des Verfassungsschutzes zu erfüllen.

Wir bieten weiterhin ausdrücklich an, in einer Enquetekommission zusammenzuarbeiten, meinetwegen auch in einem engen Zeitraum, um diese Dinge zu besprechen. Wir werden aktiv mittun und unsere Vorschläge in die Gesetzesberatungen einbringen, weil ich sicher bin, dass es am Ende zumindest zwischen CDU und SPD zu einer einvernehmlichen Lösung kommen kann.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. Sie haben im Übrigen, was die Redezeit anbelangt, beinahe eine Punktlandung hingelegt.

Ich darf auf Folgendes hinweisen: Was die Fraktionen anbelangt, liegen mir jetzt Wortmeldungen in der Reihenfolge SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP vor. Es liegt aber auch eine Wortmeldung von Herrn Innenminister Pistorius vor. Wie Sie wissen, kann die Landesregierung hier jederzeit das Wort ergreifen und es auf Wunsch sofort erteilt bekommen. Ich weise nur auf den feinen Unterschied hin, dass dies nicht mehr Regierungserklärung ist, sondern Teil der Aussprache. So oder so kann es Redezeiten für die anderen Fraktionen im Hause auslösen. - Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sehen mich - ich habe es gestern in einem anderen Zusammenhang gesagt - einigermaßen fassungslos.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich hatte aufgrund der Äußerungen der vergangenen Wochen und Monate den Eindruck gewonnen, dass es Einsicht in die Reformnotwendigkeiten und auch in die Notwendigkeit der Überprüfung dessen gibt, was in der Vergangenheit passiert ist. Ich stelle jetzt, nach Ihrer Rede, Herr Nacke, fest:

Erstens. Sie beginnen mit konsensorientierten Bemerkungen, holen dann zum großen Rundumschlag aus, schließen mit einem Gesprächsangebot und kappen anschließend die Telefonleitung. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zweitens. Ich stelle fest: Sie haben nichts dazugelernt, Sie haben buchstäblich nichts dazugelernt.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie heben auf die Maßstäbe ab, die die Taskforce angelegt hat. Ich habe gesagt: Sie war frei darin, sie zu definieren. Da hat die Taskforce etwas gemacht - ich empfehle, zuzuhören -, was längst hätte passieren müssen. Sie hat nämlich ins Gesetz und, was noch wichtiger ist, in unsere Verfassung geschaut.

(Beifall von Marco Brunotte [SPD] - Petra Tiemann [SPD]: Hört, hört!)

Da gibt es nämlich einen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da ist die Rede von Vorläufigkeit, Zweckmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Muss ich hier wirklich ein juristisches Kolloquium veranstalten,

(Zuruf von der SPD: Ja!)

um deutlich zu machen, dass die Taskforce nur das gemacht hat, was notwendig ist, um zu evaluieren, ob die Daten überhaupt hätten gespeichert werden dürfen oder wann sie hätten gelöscht werden müssen, weil sie eben nicht mehr erforderlich waren?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Insofern ist an diesen Maßstäben zunächst einmal überhaupt nichts auszusetzen.

Es ist schon bemerkenswert: Sie wussten schon gestern Abend von der Regierungserklärung, aber haben heute Morgen offenbar nur teilweise zugehört; sonst wäre Ihnen nämlich nicht entgangen, dass ich im Zusammenhang mit dem Rechtsextremismus sehr deutlich auf die Besonderheiten des Moratoriums hingewiesen habe. Offenbar hat man Ihnen etwas aufgeschrieben; aber das will ich unkommentiert lassen. Ich habe im Zusammenhang mit dem Rechtsextremismus auf den besonderen Umstand des Moratoriums hingewiesen. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass es natürlich notwendig ist, zu prüfen, welche Dateien am Ende wirklich zu löschen sind. Das wird jetzt Aufgabe der Behörde sein, im Einvernehmen mit mir; da wird jetzt nicht pauschal auf den Löschknopf gedrückt, zumal im Ausschuss bereits Akteneinsicht beantragt worden ist.

(Ulf Thiele [CDU]: Sie haben gerade gesagt, sie müssen gelöscht werden!)

Daher wird das selbstverständlich zunächst nicht passieren.

Lassen Sie mich etwas anderes festhalten, was mich wirklich umtreibt: Sie nehmen hier eine Umkehr der Unschuldsvermutung vor, Herr Nacke.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir müssen sehr deutlich die Fälle unterscheiden - das haben Sie auch nicht gemacht -, in denen nie hätte gespeichert werden dürfen. Dabei handelt es sich in gut zwei Dritteln der Fälle um Minderjährige;

von Kindern habe ich übrigens nie gesprochen. Ich will Sie darauf hinweisen: Auch da erleichtert ein Blick ins Gesetz, wie die Juristen gerne sagen, die Rechtsfindung. Das Gesetz schließt als Regel die Speicherung der Daten von Minderjährigen aus,

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: „Als Regel“!)

es sei denn, es gibt einen individuellen, nachweisbaren Gewaltbezug. Da reicht es nicht, mit irgendwelchen Leuten zu tun zu haben, die Gewalt verüben. Das ist der entscheidende qualitative Unterschied.

Es ist Ihr Gesetz, das Sie auf den Weg gebracht haben, welches Sie jetzt infrage stellen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Mit Ihrer Zustimmung!)

Es ist ein mehr als durchschaubares Ablenkungsmanöver, auf die wenigen Fälle vom September und das, was jetzt die Taskforce dazu festgestellt hat, abzuheben.

(Jens Nacke [CDU] lacht)

Ich habe in meiner Presseerklärung vom 18. September gerade nachgelesen: Ich habe nicht von einer systematischen Speicherung gesprochen, sondern von einer jahrelangen Speicherung, und das war die Tatsache, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe der Vorgängerregierung an keiner Stelle unterstellt, sie habe systematisch Journalisten beobachtet. Ich habe gesagt, sie habe die Daten jahrelang gespeichert. Das ist ein qualitativer Unterschied.

Sie stellen sich hin und sagen: Einen Moscheebesucher in einer extremistisch beeinflussten Moschee muss man sich anschauen, denn er könnte ja etwas mit Extremismus zu tun haben - und dann bauen Sie das ganze Schreckensszenario auf.

Meine Damen und Herren, es ist beschämend, jemanden, der in eine Moschee geht, um zu beten, das Freitagsgebet zu hören - es ist beileibe nicht in jedem Fall verfassungsfeindlich relevant -, in eine Datei aufzunehmen. Wenn man es tut - man kann das selbstverständlich im Verdachtsfall tun -, dann muss man aber umso sorgfältiger hinsehen, und zwar regelmäßig und nicht erst nach fünf Jahren, ob sich neue Elemente, neue Hinweise ergeben haben, die es rechtfertigen, ihn entweder noch

einmal zwei Jahre als Verdachtsfall zu speichern oder ihn als Extremisten einzustufen. Aber genau das ist nicht passiert; es wurde nicht hingesehen. Die Speicherung wurde verlängert, ohne dass auch nur ein weiteres Erkenntnisdetail hinzugekommen wäre. Das ist rechtswidrig, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zur Enquetekommission ist aus meiner Sicht alles gesagt. Ich habe immer gesagt: Wenn der Landtag sie will, dann soll er sie einsetzen, dann werde ich mich gerne einbringen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Sie haben gesagt, Sie wollen sie nicht!)

- Ich habe immer davon abgeraten oder für mich geurteilt, dass ich sie nicht brauche. Aber das ist mein gutes Recht. Ich will nur sehr deutlich sagen: Ich werde die Telefonleitung - um das Bild vom Anfang meiner Ausführungen aufzugreifen - nicht kappen. Ich bleibe gesprächsbereit.

Aber ich stelle eine Bedingung: dass Sie sich von dieser Scheuklappenmentalität verabschieden, wenn Sie glauben, Sie müssten die Praxis der Vergangenheit - egal, wer sie zu verantworten hat - immer noch rechtfertigen.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Innenminister.

Ein Hinweis zu den Redezeiten: Die Landesregierung hat jetzt weitere 6,5 Minuten gesprochen, sodass die Redezeit der Landesregierung in der Addition - Regierungserklärung und Aussprache - bei 30,5 Minuten lag. Ich stocke die Redezeit der SPD jetzt auf ebenfalls 30,5 Minuten auf und die Redezeiten von Bündnis 90/Die Grünen und FDP auf je 15 Minuten. Die CDU bekommt 6,5 Minuten zusätzliche Redezeit.

Jetzt ist für die Fraktion der SPD der Kollege Brunotte dran. Bitte sehr! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte dem Innenminister für seine klaren Worte in der Regierungserklärung und auch für seine klaren Worte in der Erwiderung herzlich danken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der FDP: Erst einmal huldigen!)

Ich glaube, das war eine wichtige Positionsbestimmung.