Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

- Ich bitte Sie um Ruhe, meine Damen und Herren!

Für die ursprünglichen Antragsteller hat der Abgeordnete Dr. Gero Hocker von der FDP-Fraktion das Wort.

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Einverständnis des Präsidenten würde ich vielleicht noch zehn Sekunden warten, bis die Redezeit dann rückwärts läuft und die Uhr hier anfängt zu ticken.

Herr Kollege, warten Sie ruhig. Das war ja eine emotionale Debatte. Das ist nachvollziehbar. Aber ich habe schon gesehen, die meisten Leute, die jetzt etwas entspannen wollen, gehen hinaus. Die anderen hören zu. - Herr Dr. Hocker, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es in dieser Frage eine Partei in diesem Hause gibt, die wirklich stringent immer eine Position vertreten hat, dann ist es die FDP mit ihrer Fraktion. Wir haben seit Monaten gefordert, dass die Umweltzonen in Osnabrück und in Hannover abgeschafft werden müssen, weil sie ihren Zweck und ihren Sinn, die Feinstaubbelastung in diesen beiden Städten zu senken, nicht erfüllen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bleiben wir bei dieser Position. Das, was wir vor Monaten gesagt haben, wird nicht dadurch falsch, dass man im Ausschuss diskutiert hat. Es wird auch nicht dadurch falsch, dass wir eine Anhörung hatten, die unsere Überzeugung bestätigt hat. Wir bleiben dabei und freuen uns darüber, dass die CDU mitmacht, dass die Umweltzonen abgeschafft werden müssen, weil sie ihren Zweck nicht erfüllen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn man einem Patienten ein Medikament verabreicht, sich seine Gesundheitssituation daraufhin verbessert und man ihm noch ein zweites Medikament verordnet, damit sich der Gesundheitszu

stand noch weiter verbessert, man aber erkennt, dass sich durch die zusätzliche Gabe eines Medikamentes der Zustand nicht bessert, dann würde jeder Arzt das zusätzliche Medikament absetzen.

Genau das ist bei den Bestrebungen von Osnabrück und von Hannover passiert, um die Feinstaubbelastung zu reduzieren. Es gibt eine Vielzahl von Instrumenten, um das zu tun. Ich nenne nur die Grüne Welle, Park & Ride und intelligente Verkehrsleitsysteme. Aber die Umweltzone - das hat die Anhörung deutlich gezeigt - hat überhaupt keinen zusätzlichen Effekt bei der Feinstaubemission in diesen beiden Städten geliefert. Deswegen gehört sie abgeschafft. Je schneller das passiert, umso besser ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Die Anhörung hat sehr deutlich gezeigt: Die Tendenzen, die wir erfreulicherweise in beiden Städten Niedersachsens erkennen können, nämlich dass der Trend ungebrochen ist, dass die Belastungen für Feinstaub und andere Emissionen sinken, hat die Anhörung noch einmal sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Deswegen kann ich, sehr geehrter Herr Bajus - so sehr ich Sie persönlich schätze -, überhaupt nicht nachvollziehen, dass Sie sich als Grüne - das gilt auch für die SPD - überhaupt nicht haben bewegen können.

Es ist ja schon interessant: Als dieser Antrag vor ungefähr sechs Wochen erstmals im Umweltausschuss diskutiert wurde, haben Sie sehr wohl - das kann man gerne im Protokoll nachlesen - Diskussions- und Kompromissbereitschaft verlauten lassen und gesagt, dass dies eigentlich ein Instrument sei, über das auch die Grünen und die SPD in Osnabrück nachdenken. Denn Sie haben sehr wohl auch Zweifel daran, ob das wirklich zu dem führt, wie Sie es gerne beabsichtigen.

Dass Sie während der gesamten Debatte im Ausschuss und während der Lesungen hier im Parlament nicht einen einzigen Schritt, einen einzigen Formulierungs- oder Änderungsvorschlag eingebracht haben, ist schon ein Offenbarungseid. Ich kann Ihnen jetzt schon empfehlen, eine zusätzliche Person in Ihrem Wahlkreisbüro einzustellen, Herr Kollege Bajus; denn die Leute in Osnabrück werden bei Ihnen Schlange stehen, um sich bei Ihnen über Ihre Haltung in diesem Parlament zu beschweren. Viel Spaß bei der Personalsuche!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Ich bin dankbar dafür, dass FDP und CDU einen eigenen Antrag einbringen.

Ich sage am Rande: Es ist unter Umständen beispielgebend, dass die ehemaligen Oberbürgermeister von Hannover und Osnabrück mittlerweile den Weg in dieses Parlament gefunden haben. Vielleicht liegt ja ein Grund darin, verehrter Herr Minister Pistorius, dass Sie nicht ausbaden wollten, was alles in Osnabrück auf Sie zurollt, wenn die Umweltzone bestehen bleibt. Das mag für Sie gelten, ebenso für den Ministerpräsidenten, den ich bei dieser Debatte leider vermissen muss.

Es bleibt dabei: CDU und FDP nehmen die Sorgen der Menschen ernst. Sie möchten die Menschen in Osnabrück und Hannover von der zusätzlichen bürokratischen Belastung, von der Administration und auch von den Kosten befreien. Deswegen möchten wir, dass die Umweltzonen abgeschafft werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hocker. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Frank Henning. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wahrnehmungen bei diesem Thema scheinen sehr unterschiedlich zu sein. Selbstverständlich sind Umweltzonen kein Allheilmittel, sondern allenfalls Mittel zum Zweck. Lieber Kollege Hocker, wir haben nie gesagt, dass Umweltzonen das Allheilmittel sind. Dass sie natürlich mit Einschränkungen verbunden sind, haben wir immer zugestanden. Gleichwohl waren wir immer zu Diskussionen über die Umweltzone bereit und haben sie auch geführt. Die Ergebnisse der Anhörung, lieber Herr Kollege Hocker, haben wir allerdings völlig anders wahrgenommen als Sie, und darüber müssen wir gleich vielleicht streiten.

Der erste Punkt, auf den ich deutlich hinweisen möchte, bezieht sich auf die Frage: Warum haben wir überhaupt Umweltzonen in Osnabrück und Hannover eingeführt? Der Punkt ist: In Osnabrück - das weiß ich sehr genau - leben 17 000 Menschen an Straßenabschnitten mit einer Länge von ungefähr 21 km, an denen die Grenzwerte für

die Stickstoffdioxidbelastung bei Weitem überschritten werden.

Die Stickstoffdioxidbelastung wird durch zahlreiche ältere Dieselfahrzeuge hervorgerufen, die bestimmte Bedingungen nicht erfüllen. Die damit einhergehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen rechtfertigen aus unserer Sicht die von Ihnen monierten Freiheitseinschränkungen.

Ich will jetzt nicht wiederholen, was ich schon im Ausschuss und bei der Beratung im Plenum dazu gesagt habe, dass Sie einen sehr eingeschränkten Freiheitsbegriff haben, Herr Dr. Hocker, wenn Sie meinen, dass man zum Zwecke des Gesundheitsschutzes der Menschen keine Fahrzeugverbote oder Fahrzeugbeschränkungen aussprechen dürfe. Das sehen wir völlig anders. Der Gesundheitsschutz muss an der Stelle Vorrang haben.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, Herr Dr. Hocker, dass die Menschen an diesen belasteten Wohnstraßen ein einklagbares Recht auf Einhaltung der Grenzwerte haben. Dieses einklagbare Recht konnten wir bislang nicht erfüllen, wir konnten die Grenzwerte nicht einhalten, und wir haben deshalb eine Ausnahmegenehmigung bei der EU beantragt. Das haben sowohl die Stadt Osnabrück als auch die Stadt Hannover gemacht. Aufgrund einer Ausnahmegenehmigung der EU wird bis 2015 sanktionsfrei toleriert, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxide überschritten werden.

Das Ergebnis der Anhörung will ich aus meiner Sicht wiedergeben. Ich will sehr deutlich sagen, warum wir der Auffassung sind, dass wir die Umweltzonen zum jetzigen Zeitpunkt - über einen späteren Zeitpunkt kann man sicherlich reden - nicht auflösen oder aufheben können: Das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim und auch der zuständige Referent im Umweltministerium haben uns sehr deutlich vor Augen geführt, dass eine vorzeitige Aufhebung der Umweltzonen schlicht rechtswidrig wäre, da Osnabrück und Hannover die EUAusnahmegenehmigungen für den Zeitraum bis 2015 im Hinblick auf die Überschreitung der Grenzwerte nur deshalb erhalten haben, weil sie deutlich machen konnten, dass sie Luftreinhaltepläne aufgestellt haben, die alle wirksamen Maßnahmen ausschöpfen. Zu diesen wirksamen Maßnahmen gehört nun einmal die Umweltzone.

Auf meine ausdrückliche Frage, ob das Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim als Fachbehörde, die heute noch, wie vom ehemaligen Umweltminister Sander beauftragt, die Feinstaubminderung durch die Umweltzonen untersucht, immer noch der Auf

fassung ist, dass die Umweltzonen das wirksamste Mittel zur Bekämpfung der Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid sind, ist dies bestätigt worden. Auch nach heutiger Auffassung der Fachbehörde sind die Umweltzonen das wirksamste Mittel, um die Stickstoffdioxidbelastungen in den Griff zu bekommen.

Das war der Grund, warum wir bei der EU eine Verlängerung der Ausnahmegenehmigung beantragen konnten und diese auch erhalten haben. Die Aufhebung einer Umweltzone - das ist das Ergebnis der Anhörung - wäre formal erst dann möglich, wenn der Grenzwert für Stickstoffdioxid sicher eingehalten wird. Das ist eben nicht der Fall. Deshalb wäre eine vorzeitige Aufhebung grob rechtswidrig.

Der damalige Umweltminister Sander hat als einziger Umweltminister landauf, landab die Zuständigkeit des Landes für die Umweltzonen verneint und sie den Kommunen aufgebürdet mit der Folge, dass die Kommunen für die Aufstellung der Luftreinhaltepläne zuständig waren, und der weiteren Folge, dass das Land den Kommunen die Kosten aufgebürdet hat. Deshalb wundert es mich schon, dass ausgerechnet die FDP, die den Kommunen die Zuständigkeit für die Umweltzone gegeben hat, sie ihnen offensichtlich über eine Bundesratsinitiative entziehen will.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Lesen Sie mal den Antrag! Das steht da gar nicht drin! Haben Sie da überhaupt mal reingeguckt? Sie schmoren im ei- genen Saft!)

Zuständig sind im Augenblick die Kommunen, Herr Dr. Hocker. Belassen Sie doch die Zuständigkeit bei den Kommunen; denn die Kommunen Osnabrück und Hannover haben zu Recht gesagt, dass sie den Ausnahmegenehmigungsantrag stellen müssen und wir die Umweltzonen noch brauchen, solange die Grenzwerte überschritten werden. Ich weiß gar nicht, warum Sie da unzulässigerweise in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen wollen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Kommunen müssen übrigens, wenn wir Ihrem Antrag folgen würden, die Luftreinhaltepläne ändern. Dazu wären Beschlüsse in den Räten mit umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung und einem damit verbundenen sehr großen zeitlichem Aufwand erforderlich. Sie können sich vielleicht noch

an die Anhörung erinnern. Da ist davon gesprochen worden, dass das Ganze bis zu anderthalb Jahre dauern kann. Das ist aus meiner Sicht völlig überflüssig; denn wir werden 2015 sowieso wieder über diese Frage sprechen müssen, weil dann die Ausnahmegenehmigungen der EU auslaufen. Das heißt, dann werden wir uns überlegen müssen: Wie gehen wir zukünftig mit den Umweltzonen um? Ich sage einfach mal: Ihr Antrag kommt schlicht zu früh.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: In einem hal- ben Jahr würden Sie es wollen, oder was? Dann schicke ich ihn noch mal!)

Im Augenblick können wir ihn aus rechtlichen Gründen nicht umsetzen, weil es immer noch zu Grenzwertüberschreitungen kommt.

Im Übrigen will ich Ihnen sehr deutlich ins Stammbuch schreiben: Auch ausweislich der Antwort auf die Anfrage, die Sie selber gestellt haben - Sie müssen sie nur lesen -, stimmt es nicht, dass die Umweltzonen gar nichts gebracht haben. Es ist Fakt, dass die Feinstaubbelastung um 4 % und die Stickstoffdioxidbelastung um 5 µg, was etwa 10 % der Belastung entspricht, zurückgegangen sind.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hocker?

(Frank Henning [SPD] - zu Dr. Gero Hocker [FDP] -: Das haben wir schon lang und breit im Ausschuss disku- tiert! Wir bringen das jetzt zu Ende!)

- Ich wollte gerne fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen. - Nein.

(Zuruf von Dr. Gero Hocker [FDP] - Gegenruf von Frank Henning [SPD]: Außerdem habe ich das Wort!)

- Ihr Mikrofon bleibt ausgeschaltet. Wenn ich Ihnen wieder das Wort gebe, haben Sie das Wort. So kommt es ordnungsgemäß zustande. Bitte schön!

Meine Damen und Herren, mit der Einführung der Euro-6-Norm wird sich das Problem nach meiner festen Überzeugung in der Zukunft sowieso erledigen. Deswegen raten ich Ihnen: Warten Sie noch zwei Jahre ab! Dann wird sich die Euro-6-Norm, bei deren Durchsetzung sich die FDP aus meiner Sicht allerdings nicht als Vorreiter hervorgetan hat - sie wurde von anderen eingefordert -, wei

testgehend im Flottenbestand durchgesetzt haben, sodass es zu einer weiteren Reduzierung der Belastungen kommt. Dann sind wir selbstverständlich bereit, nicht nur über eine Abschaffung nachzudenken, sondern die Umweltzonen auch tatsächlich abzuschaffen. Ich sage aber - das hat die Anhörung der Fachleute im Umweltausschuss sehr deutlich gemacht -, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist, weil eben nicht sicher ist, dass wir die Grenzwerte einhalten können. Das Gegenteil ist der Fall, und deswegen brauchen wir die Umweltzonen. Ihre Abschaffung wäre grob rechtswidrig.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Herr Dr. Hocker, Sie sprechen in Ihrem Antrag immer von „Bürokratie“ und vom „Verwaltungsaufwand“. Das, was Sie da schreiben, stimmt schlicht nicht.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Fragen Sie mal die Selbstständigen in Osna- brück, was das für eine Bürokratie verursacht! Die Ausnahmegenehmi- gungen!)