Darüber hinausgehende Kenntnisse über den Stand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen waren im Prüfungsamt nicht vorhanden.
Am 19. Januar, einem Sonntag, informierte der Präsident des Landesjustizprüfungsamtes den Justizstaatssekretär telefonisch von dem Vorfall. Dieser unterrichtete mich selbst, die Leiterin meines Büros, den Pressesprecher sowie die Leiterin der Abteilung I des Hauses. Diese war bereits am Vorabend von der Leiterin der Staatsanwaltschaft in Verden von dem ersten Verdacht in Kenntnis gesetzt worden.
Die Leiterin der Abteilung I setzte zu einem nicht mehr zu bestimmenden Zeitpunkt den Leiter der Abteilung IV, Strafrecht, von dem Verfahren in Kenntnis.
Solange die verdeckten Ermittlungen liefen, also bis zum Tag der Durchsuchungen, wurde das Ermittlungsverfahren in meinem Haus mit höchst
möglicher Diskretion behandelt. Kenntnis von den geplanten Ermittlungsschritten und vom Stand der Ermittlungen hatten auf der Fachebene zunächst lediglich die beiden Abteilungsleiter. In allgemeiner Form und ohne nähere Detailkenntnisse waren auch die Leiterin des Personalreferats und der Leiter des Hauptbüros am 23. Januar über die Einleitung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen informiert worden.
Um den 13. März wurde auch die Leiterin des für Korruptionskriminalität zuständigen Referats einbezogen.
Am 19. März wurde die Leiterin des Personalreferats gebeten, dienstaufsichtliche Maßnahmen gegen den Beschuldigten vorzubereiten.
Diese Personen - mit Ausnahme des Leiters des Hauptbüros - waren in der Folge in der verdeckten Phase der Ermittlungen über den Stand im Ermittlungsverfahren weitgehend informiert. Der Abteilungsleiter und die Referatsleiterin aus Abteilung IV hatten dabei detaillierte Kenntnisse. Sie kannten insbesondere jeweils die Aufnahme der Ermittlungen, die Planung der Durchsuchung, die verdeckten operativen Maßnahmen, den Termin der Durchsuchung, den Erlass des Haftbefehls durch das Gericht am 27. März, das Bekanntwerden der Flucht, die Fahndung und die Festnahme.
Auch war bekannt, dass am Tag der Durchsuchung ein Zeuge, bei dem als Unverdächtigen durchsucht worden war, staatsanwaltschaftlich vernommen worden ist. Der Inhalt der Aussage wurde der Referatsleiterin am selben Tag bekannt gegeben. Sie hat davon den Abteilungsleiter IV sowie den Justizstaatssekretär mündlich in Kenntnis gesetzt.
Kenntnis von dem Schriftverkehr mit der Generalstaatsanwaltschaft Celle und der Staatsanwaltschaft Verden hatte auch die Vorzimmerkraft des Abteilungsleiters Strafrecht. Bis zum Tag vor der Durchsuchung enthält dieser Schriftwechsel nur ein Minimum an Angaben.
Im Vorgangserfassungsprogramm des Ministeriums, LIMA, wurde der Vorgang in Abteilung IV angelegt, also Abteilung Strafrecht, ohne dass ein Inhalt notiert wurde. Das Verfahren wurde als verdecktes Verfahren eingetragen. Auch die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle kannte den Inhalt nicht.
Ich selbst, der Justizstaatssekretär, die Pressestelle, meine Büroleiterin sowie ab dem 24. März mein persönlicher Referent hatten in der verdeckten Phase der Ermittlungen in unterschiedlicher Tiefe
vom jeweiligen Ermittlungsstand Kenntnis. Dabei liefen die Informationen aus den Fachabteilungen über den Justizstaatssekretär. Dieser ist - wie Sie alle wissen - in seiner Funktion als Amtschef auch Dienstvorgesetzter des Beschuldigten. Der Staatssekretär wurde bis zum 24. März in unregelmäßigen Abständen über den Stand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unterrichtet.
Für den 24. März schließlich hatte die Staatsanwaltschaft Verden dann kurzfristig wegen neu gewonnener Erkenntnisse eine Unterrichtung des Justizministeriums angekündigt. An dieser Besprechung nahm auch der Justizstaatssekretär teil.
Die Staatsanwaltschaft Verden legte dabei Erkenntnisse dar, die den dringenden Verdacht begründeten, dass der Beschuldigte Referendaren Examensklausuren zum Verkauf anbieten würde. In dem Gespräch teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass für den 26. März Durchsuchungen der Privat- und Diensträume beabsichtigt seien. Die Staatsanwaltschaft bat vor diesem Hintergrund darum, dass bis dahin von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens und dienstrechtlicher Maßnahmen abgesehen werden solle, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Dies sagte der Staatssekretär zu.
Die Vorzimmerkräfte im Ministerbüro erhielten durch Schriftwechsel ab dem 26. März und danach Kenntnis von den Ermittlungen.
Weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilungen I und IV waren mit Aufgaben im Zusammenhang mit der administrativen Bewältigung des Verfahrens befasst, ohne Kenntnisse vom Stand der Ermittlungen zu erlangen.
Ab dem 26. März, dem Tag der Durchsuchung in Celle, erlangten einzelne weitere Mitarbeiter der Abteilung I Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren. Das geschah im Zusammenhang mit der Bearbeitung des dienstaufsichtsrechtlichen Verfahrens gegen den Beschuldigten und seine Folgen, etwa vor allen Dingen aufseiten der IT.
Ich selbst habe am Tag der Durchsuchung, und zwar nach deren Beginn, hier in diesem Saal den Ministerpräsidenten von einem Ermittlungsverfahren gegen einen Mitarbeiter des Prüfungsamtes wegen eines Korruptionsverdachts informiert. Am selben Tag unterrichtete der Justizstaatssekretär die Sprecherin der Landesregierung, Frau Staatssekretärin Pörksen. Innerhalb der Staatskanzlei
Das Ministerium für Inneres und Sport hat berichtet, dass der für Kriminalitätsbekämpfung zuständige Referatsleiter am 25. März, also am Tag vor der Durchsuchung, über die Ermittlungen informiert wurde. Am Tag der Durchsuchungsmaßnahmen, also am 26. März, habe der Präsident des Landeskriminalamtes den Präsidenten des Landespolizeipräsidiums telefonisch vom Grundsachverhalt informiert. Das Referat für Kriminalitätsbekämpfung sei über das vorläufige Ergebnis der durchgeführten Durchsuchungen und die Sachstände der bis dahin durchgeführten Vernehmungen informiert gewesen. Wegen der Sensibilität der Ermittlungen sei vereinbart worden, dass das Landeskriminalamt auf die sonst übliche und geforderte Meldung wichtiger Ereignisse - unter WE-Meldung bekannt - aus Geheimhaltungsgründen verzichten könne.
Am 28. März habe der Präsident des LPP auf Grundlage eines Berichts des Präsidenten des Landeskriminalamtes im Rahmen der morgendlichen Besprechung mit den Referatsleitern seiner Abteilung mitgeteilt, dass ein Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen worden sei, dass sich dieser der Festnahme durch Flucht entzogen habe. Deshalb werde seit dem 28. März 2014 eine Zielfahndung nach dem Beschuldigten betrieben. Am 1. April habe der zuständige Dezernatsleiter des LKA den zuständigen Mitarbeiter des Referats für Kriminalitätsbekämpfung im Innenministerium von der Festnahme des Beschuldigten in Mailand berichtet.
Nun zu den übrigen Ministerien. Der Justizstaatssekretär Scheibel hat in meiner Vertretung das Kabinett am 1. April 2014, also am Tag nach der Festnahme des Beschuldigten in Italien, von dem Ermittlungsverfahren in Kenntnis gesetzt.
Das Umweltministerium ergänzt, es seien Staatssekretärin, Ministerbüro und Mitarbeiter der Abteilung I befragt worden.
Das Landwirtschaftsministerium ergänzt, es seien Ministerbüro, Pressestelle, Referatsleitung 401 und die Juristen im Hause befragt worden, bis auf diejenigen, die sich im Urlaub befänden oder aus dienstlichen Gründen abwesend seien.
Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur ergänzt wie folgt: Aufgrund des Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur ist dieses nicht mit den entsprechenden strafrechtlichen Ermittlungen befasst worden. Aus diesem Grund wurde angesichts der zeitlichen Vorgabe davon abgesehen, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu befragen. Auch eine kurzfristige Abfrage hätte kein vollständiges Ergebnis liefern können, da rund 20 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund ihres Urlaubs oder aufgrund von Erkrankungen dienstlich nicht zu erreichen seien. Eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst sind als Prüfer Mitglieder des Landesjustizprüfungsamtes. Auch diese Mitarbeiterin und dieser Mitarbeiter sind nicht mit den Ermittlungen befasst und haben erst aus den Medien von den Ermittlungen erfahren.
Das Kultusministerium weist ebenfalls darauf hin, dass in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragt werden konnten, insbesondere nicht erkrankte, beurlaubte, sich in der Freistellungsphase einer Altersteilzeit oder auf Dienstreisende befindende Mitarbeiter bzw. Beschäftigte, die am 13. Mai 2014 Erholungsurlaub oder Zeitausgleich in Anspruch genommen haben. - Soweit zur Beantwortung der Frage 1.
Zu Frage 2: Die Staatsanwaltschaft Verden berichtete und berichtet fortlaufend schriftlich oder mündlich. Punktuell wurden Berichte ausdrücklich angefordert. Ergebnisse der laufenden Sonderprüfung werden absprachegemäß von der Abteilung I an Abteilung IV des Justizministeriums weitergegeben. Die Abteilung IV leitet dann diese Ergebnisse an die Staatsanwaltschaft weiter, wenn sie für die Ermittlungen dort Relevanz haben können.
Der Justizstaatssekretär informierte am Nachmittag des 27. März 2014 den ermittlungsleitenden Staatsanwalt davon, dass sich der Beschuldigte absprachewidrig bei ihm nicht gemeldet habe. Das werde ich gleich noch ausführen, wenn ich zur Beantwortung der Frage 3 komme.
Nun zum Innenministerium hinsichtlich der Frage 2. Referat 23 habe, so berichtet das Innenministerium, gegenüber dem LKA zugestimmt, aus Geheimhaltungsgründen auf weitere Fernschreibverkehre zu verzichten. Weitere Hinweise oder Anweisungen habe es von dort nicht gegeben.
Zu Frage 3. Sie fragen nach dem Gespräch zwischen Herrn Staatssekretär Scheibel und dem Beschuldigten am Morgen nach der Durchsuchung. - Bei diesem Gespräch war ich nicht zugegen. Ich verlese deswegen die Erklärung meines Staatssekretärs:
„Am Tag der Durchsuchungen - das war der 26.03.2014 - bin ich mit Frau Abteilungsleiterin van Hove ins Landesjustizprüfungsamt gefahren und dort eingetroffen, als die Durchsuchung bereits begonnen hatte. Dort habe ich dem anwesenden beschuldigten Richter die weitere Dienstausübung im Landesjustizprüfungsamt mit sofortiger Wirkung untersagt und ihm mitgeteilt, dass ich ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet habe. Zugleich habe ich ihn aufgefordert, seine Dienstschlüssel abzugeben und mich am darauffolgenden Tag in meinem Dienstzimmer aufzusuchen. Hiervon habe ich den Präsidenten des Landesjustizprüfungsamtes Professor Hupka und den ebenfalls anwesenden Referatsleiter Herrn K. unterrichtet.
Das Gespräch am 27.03.2014 habe ich in meinem Dienstzimmer allein mit dem beschuldigten Richter geführt. Anlass des Gesprächs war, dass ihm ein neuer Aufgabenbereich im MJ zugewiesen werden musste, weil eine vorläufige Dienstenthebung bei einem Richter nur durch das zuständige Richterdienstgericht angeordnet werden kann. In dem Gespräch habe ich dem beschuldigten Richter mitgeteilt, dass ich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse bereits einen entsprechenden Antrag dort gestellt habe.
Darüber hinaus habe ich ihm deutlich gemacht, dass ich jederzeit bereit bin, mit ihm über die erhobenen Vorwürfe zu sprechen, so er dies wolle. Der beschuldigte Richter bat mich daraufhin, zu seinem Rechtsanwalt nach Hamburg fahren zu dürfen, bei dem er noch am gleichen Tag einen Termin habe. Nach diesem Gespräch, spätestens um 14 Uhr, werde er sich bei mir telefonisch melden und mitteilen, ob er an einem Gespräch interessiert sei. Außerdem beabsichtige er zunächst einmal, längere Zeit Erholungsurlaub zu nehmen, um seine Dinge zu ordnen.
Ich habe dem beschuldigten Richter dann gestattet, seinen Rechtsanwalt aufzusuchen und ihn gebeten, sich wie vereinbart nach
dem Anwaltsgespräch bei mir zu melden. Er hat daraufhin mein Dienstzimmer verlassen, wobei ich aufgrund entsprechender Informationen der Staatsanwaltschaft Verden darum wusste, dass weiterhin Ermittlungsmaßnahmen gegen den beschuldigten Richter fortbestanden.“
Zur Erläuterung: Mit diesen Ermittlungsmaßnahmen sind die schon genannten Observationsmaßnahmen gemeint.
„Der Beschuldigte hat sich bei mir dann nicht bis zum vereinbarten Zeitpunkt gemeldet. Dies habe ich etwa gegen 14.30 Uhr zum Anlass genommen, Herrn Oberstaatsanwalt Röske von der Staatsanwaltschaft Verden telefonisch hiervon in Kenntnis zu setzen. Oberstaatsanwalt Röske teilte mir dabei mit, dass nun ohnehin beabsichtigt sei, Haftbefehl gegen den beschuldigten Richter zu beantragen.
Am Abend des 27. März 2014 wurde mir durch den Leiter der Abteilung Strafrecht im Justizministerium, Dr. Hackner, telefonisch mitgeteilt, dass der Beschuldigte flüchtig sei.“
Dieses Gespräch fand mit meinem Wissen und meiner Billigung statt. Der Justizstaatssekretär hat sich in seiner Funktion als Amtschef amtsangemessen und umsichtig verhalten.
Vielen Dank, Frau Ministerin, für die detaillierte und sicherlich auch notwendig umfassende Beantwortung dieser Dringlichen Anfrage. - Es gibt zurzeit drei Wortmeldungen für Zusatzfragen. Es beginnt Kollege Dr. Genthe für die FDP-Fraktion. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bezüglich der zu überprüfenden Klausuren frage ich: Wie viele Verdächtige sind in dem besagten Verfahren bisher herausgefiltert worden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich nur vergewissern, damit ich nichts Unrichtiges sage. - Es gibt eine ganze Reihe von Auffälligkeiten, die in den Prüfteams, die wir eingerichtet haben, zur Kenntnis genommen wurden. Die werden in Vermerken zusammengefasst und dann an das Landesjustizprüfungsamt weitergegeben. Wir haben noch keinen Fall, in dem sich die Auffälligkeiten so aufsummieren, dass jetzt schon das Justizprüfungsamt in einem Fall einen Bescheid erlassen hätte, dass das Zweite Staatsexamen abzuerkennen sei.