Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

Jetzt wird die Luft - bezogen auf Dank und Gemeinsamkeiten - aber langsam dünn. In der Pressemitteilung meines Sitznachbarn Herrn Gruppe vom 18. Juni heißt es - das ist im Grunde auch der Tenor, Herr Dammann-Tamke, den Sie hier angeschlagen haben -: „schwerste tierquälerische Verletzungen werden in Kauf genommen“, „Tierschutz wird zum Roulette-Spiel“, „Prämienexperiment“. - Geht’s auch halblang?

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Nein!)

- Doch, es geht auch halblang! „Halblang“ heißt, sich genau zu fragen: Was muss passieren, damit 2016 aus dem routinemäßigen Kupieren der Schwänze ausgestiegen werden kann? - Wir brauchen breite Erfahrungen!

(Ulf Thiele [CDU]: Die Standards müssen angepasst werden!)

Ein Weg ist, diejenigen zu honorieren, die jetzt anfangen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn beim Benchmarking - das ist ein Begriff aus der Qualitätsentwicklung - von 70 % ausgegangen wird, dann ziehen Sie daraus den Schluss, dass das Kupieren bei 30 % der Tiere billigend in Kauf

genommen wird. - Das ist schlicht und einfach falsch!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Miriam Staudte [GRÜNE]: Falsch, genau! - Christian Dürr [FDP]: Es geht um Lebewesen!)

Es geht hier nicht um eine Revolution in niedersächsischen Schweineställen. Es geht darum, diejenigen zu honorieren, die anfangen und diese gewiss schwere und verantwortungsvolle Aufgabe auf sich nehmen. Das sind - Herr DammannTamke, da sind wir uns dann doch noch einmal einig - in erster Linie die Landwirte.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip vorzugehen und beispielsweise zu sagen, dass wir im Benchmarking eine 100-%-Klausel brauchen, führt völlig an der Zielsetzung vorbei. Das ist kein Anreizsystem. Das wäre Augenwischerei.

Wir folgen damit im Übrigen auch genau dem, was das Landvolk sagt. Besondere Leistungen müssen besonders honoriert werden. Eine Honorierung in Höhe von 16 bis 18 Euro kann sich durchaus sehen lassen.

(Christian Dürr [FDP]: Diese spätkapi- talistischen Begriffe heute! Unglaub- lich!)

Immer wieder wird gesagt, dass zu wenig geforscht wird. An dieser Stelle darf man nicht außer Betracht lassen, dass die Schweiz bereits vor vier Jahren ausgestiegen ist. Die Finnen verzichten auf das routinemäßige Kupieren, und die Schweden ebenso. Auch in Deutschland gibt es Beispiele: Die Biobetriebe und die NEULAND-Betriebe verzichten darauf. - Die machen das doch nicht, weil sie fahrlässig an den Verletzungen ihrer Tiere vorbeischauen! Nein, das ist nicht der Fall.

Wir wissen natürlich auch, was passieren muss. Einige Faktoren kennen wir. Wir sind ja nicht völlig ohne Erfahrung. Wir brauchen mehr Platz. Wir brauchen mehr Strukturierung in den Schweineställen. Wir brauchen Beschäftigungsmaterial.

(Björn Thümler [CDU]: Das gibt es doch schon alles!)

Was wir vor allem brauchen, ist das Engagement der Landwirtinnen und Landwirte. Es wird vor allem notwendig sein, genau hinzugucken, die Tiere in ihrem Verhalten zu studieren und entsprechende

Konsequenzen daraus zu ziehen. Gegebenenfalls werden wir auch Veränderungen in der Tiergenetik brauchen.

(Zuruf von der CDU: Solch eine Rede kann nur ein Lehrer halten!)

- Das mit dem Lehrer lassen wir jetzt mal außen vor. In Bezug auf Verhaltensbeobachtung kann ich da durchaus Analogien ziehen. Damit hätte ich keine Probleme.

Es geht doch nur vordergründig um das Kupieren der Schwänze. Im Tierschutzplan heißt es: „Das Kupieren der Schwänze ist ein Indikator.“ Einen Indikator brauche ich, um ein Ziel zu erreichen. Das Ziel heißt: Mehr Tierschutz in der Nutztierhaltung! - Ganz einfach!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Seit 1994, also seit rund 20 Jahren, ist EU-weit das routinemäßige Kupieren der Schwänze verboten, und wir hangeln uns von Ausnahmegenehmigung zu Ausnahmegenehmigung. Damit muss Schluss sein!

Deswegen müssen wir konsequent in der Erarbeitung der Tierschutzplans fortfahren - im Sinne dessen, was im Übrigen auch die Landwirte erwarten. Die Landwirte wollen nicht mehr an der Wand stehen und ständig mit Vorwürfen konfrontiert werden. Das heißt, wir müssen auch die Landwirte stärken, um zu einer Tierhaltung zu kommen, die eine höhere Akzeptanz in unserer Gesellschaft hat.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Scholing. - Für die SPDFraktion hat nun Herr Kollege Siebels das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zunächst sozusagen einige Eckpfeiler dieses Themas zu nennen. In der Tat ist es so, dass im Tierschutzplan von der alten Landesregierung vorgesehen wurde, dass im Jahr 2016 der Ausstieg aus dem routinemäßigen Kupieren erfolgen soll.

In der Tat ist es übrigens auch jetzt schon so, dass, rechtlich gesehen, das routinemäßige pro

phylaktische - so will ich es einmal nennen - Kupieren eigentlich schon verboten ist. Trotzdem erfolgt es routinemäßig prophylaktisch, glaube ich, fast überall in der konventionellen Schweinehaltung. Der Verbraucher hat aber - das ist auch die Ursache dafür gewesen, diese Regelungen im Tierschutzplan vorzusehen - neue, andere Anforderungen an Tierhaltung im weitesten Sinne und formuliert deshalb den Anspruch, dass das Kupieren der Schweineschwänze wenn auch nicht völlig abgeschafft, so doch jedenfalls zur Ausnahme gemacht wird.

Ich sage das deshalb als Einleitung, weil daran deutlich wird, dass das ein schwieriges Thema in einem Spannungsfeld ist, weil die Schweinehalter, die im Moment routinemäßig prophylaktisch diesen Eingriff vornehmen, ihn nicht deshalb vornehmen, weil sie böse, schlimme Landwirte sind, sondern weil sie versuchen wollen - ich glaube, das haben meine Vorredner sachlich korrekt dargestellt -, auf diesem Wege größeres Leid an einer anderen Stelle zu verhindern, um das Schwanzbeißen zu vermeiden, um zu vermeiden, dass Tiere verletzt werden, meine Damen und Herren.

Die Ursachen für dieses Verhalten der Tiere sind vielfältig. Ich glaube aber, dass man zwei Punkte herausgreifen kann: erstens fehlende Beschäftigung, zweitens spielt, glaube ich, auch die Platzfrage eine entscheidende Rolle.

Deswegen ist auch klar, dass wir dann, wenn wir versuchen wollen, diesen Eingriff zu vermeiden, wie es bis 2016 vorgesehen ist, auch über Mehrkosten in der Tierhaltung reden. Wenn wir beispielsweise einen Ausgleich für fehlende Beschäftigung organisieren wollen oder wenn wir den Tieren mehr Platz zur Verfügung stellen wollen, dann kostet das schlichtweg Geld.

Deshalb finde ich es vom Prinzip her alles andere als falsch - das will ich hier deutlich sagen -, wenn wir an dieser Stelle nicht nur ordnungsrechtlich eingreifen, sondern wenn wir das, was wir als Ziel erreichen wollen, auch durch Zuschüsse fördern. Ich meine, mich erinnern zu können, dass in der vergangenen Landtagssitzung auch aus den Reihen der Opposition solche Forderungen - wenn auch nicht konkret auf dieses Beispiel bezogen, so aber doch im Allgemeinen - erhoben worden sind in dem Sinne: Ihr dürft nicht nur ordnungsrechtlich eingreifen, sondern ihr müsst das, was ihr als Zielerreichung haben wollt, auch fördern! - Meine Damen und Herren, deshalb verstehe ich, ehrlich

gesagt, was diesen Teil angeht, die Aufregung nicht.

Ich freue mich übrigens sehr, dass sich das, was in den vergangenen Tagen und Wochen in den Medien vonseiten der Opposition, vonseiten der FDP gekommen ist, hier im Landtag schon sehr viel sachlicher, sehr viel differenzierter anhörte; das will ich hier ausdrücklich sagen.

Übrigens: Nach meiner Erinnerung hat auch die CDU in ihrem Antrag zum Thema „Bäuerliche Familienbetriebe“, den wir morgen behandeln werden, die Forderung erhoben, man müsse an dieser Stelle doch Zuschüsse gewähren.

(Grant Hendrik Tonne [SPD]: Ach ja?)

- Also nicht konkret auf dieses Beispiel bezogen, sondern im Allgemeinen: Wenn man ein Ziel erreichen will, dann darf man nicht nur ordnungsrechtlich eingreifen, sondern dann muss man auch bezuschussen.

Auch andere Leute sind schon auf diese Idee gekommen. So sagt z. B. die Vion Group, die ein „Besser Leben“-Tierlabel hat: Wir wollen fördern! - Die machen aber, anders als in diesem Programm vorgesehen, kein Benchmarking, wie einer meiner Vorredner es genannt hat, sondern sie zahlen einfach pro Tier, ohne darauf zu gucken, was mit dem gesamten Bestand passiert. Deshalb finde ich es richtig, wenn wir sagen, dass wir nicht nur pro Tier zahlen und bei den anderen gar nicht mehr genau hingucken, sondern eine Grenze einziehen, weil wir das Ziel eigentlich für den gesamten Bestand erreichen wollen. Deswegen finde ich es sinnvoll, dass das in diesem Vorschlag bisher so vorgesehen ist.

Ich sage ganz ausdrücklich, dass wir über die konkrete Ausgestaltung, auch was die Kontrolle angeht, diskutieren müssen und dass das im Rahmen des Tierschutzplanes diskutiert werden muss. Ich halte es auch für angemessen, dass wir im Ausschuss dann, wenn das Konzept tatsächlich am Ende steht, durch eine Unterrichtung in diese ganze Frage detailliert eingebunden werden.

Lassen Sie mich hier aber ganz ausdrücklich sagen: Die Unterstellung, dass derjenige, der an dieser Stelle eine Grenze von 70 % einzieht, die anderen 30 % verloren gibt und Tierqual fördert - so steht es sogar in der Überschrift bei diesem Tagesordnungspunkt -, will ich deutlich zurückweisen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Genau das tun Sie!)

Ich glaube vielmehr, es ist richtig, was ISN und Landvolk in der Summe dazu öffentlich kundgetan haben: Es ist ein langsames Herantasten, um das Ziel zu erreichen. - In der Tat birgt dieses Thema hohe Risiken. Das bestreite ich nicht. Aber ich werbe sehr dafür, dass wir als Niedersächsischer Landtag unsere Verantwortung wahrnehmen und versuchen, nach Lösungen zu suchen. Das, was Sie bisher machen, ist einfach nur, aufzuzeigen, was alles nicht geht. Das, meine Damen und Herren, ist ein bisschen wenig. Das darf man an dieser Stelle schon sagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht nun der Landwirtschaftsminister. Herr Minister Meyer, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 2011 titelte die HAZ: Wende beim Tierschutz in Niedersachsen. - Anlass war der von Minister Lindemann und Schwarz-Gelb vorgestellte Tierschutzplan der damaligen Landesregierung, der ohne vorherigen Dialog insgesamt 38 konkrete Maßnahmen mit verbindlichen Zeithorizonten festlegte. Dazu hieß es damals: Das Kupieren der Schwänze von Schweinen soll spätestens 2016 untersagt werden. - Herr Lindemann ergänzte dann noch, dass es nicht mehr sein dürfe, dass Tiere an die Ställe angepasst werden, sondern dass wir eine Haltung entwickeln müssen, in der die Tiere unversehrt gehalten werden können. - Da hatte er recht.

Die neue Landesregierung hat die Ziele und Maßnahmen des Tierschutzplans fortgeführt und übernommen. Nach den Redebeiträgen von eben stellt sich für mich schon die Frage, ob CDU und FDP in der Opposition noch an diesen Zielen festhalten, wenn sie z. B. erklären, das Abschneiden der Ringelschwänze sei weiterhin notwendig, ein Verzicht ginge nicht, das alles wäre nicht möglich.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das haben wir nie gesagt!)

Das ist wirklich wenig glaubwürdig und zeigt, dass Sie den Tierschutzplan anscheinend nicht so ernst gemeint haben, wie er beschlossen worden ist.