Protokoll der Sitzung vom 27.06.2014

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Einbringungsrede. - Wir eröffnen die Debatte in der ersten Beratung. Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Kollege Lutz Winkelmann.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin, damit Sie meine Ausführungen zu

dem Gesetzentwurf verstehen, möchte ich zunächst auf das verweisen, was uns beide vereint, und dann auf das, was uns trennt.

Beide sind wir - Sie erwähnten vorhin, Sie kämen aus der Praxis - als Organ der Rechtspflege in unterschiedlichen Berufen seit mehr als zweieinhalb Jahrzehnten tätig. Beide sind wir mit Beginn dieser Legislaturperiode in eine neue Rolle geschlüpft. Und uns beide vereint auch die Wertschätzung für die Justiz, an der ich überhaupt keinen Zweifel lassen möchte. Ich möchte deshalb hier klarstellen: Wir vonseiten der CDU-Fraktion kritisieren nicht die Justiz als solche, sondern bringen etwas anderes zur Sprache; darauf gehe ich nachher ein.

(Beifall bei der CDU)

Und, Frau Ministerin, wir haben beide auch ein sicherlich gleich intensives Interesse daran, dass die Justiz weiterentwickelt wird, modernisiert wird.

Was trennt uns? - Sie haben als Ministerin die Gestaltungsmöglichkeiten. Verstehen Sie bitte, dass ich in meinen nachfolgenden Ausführungen bei einem Gesetz mit dem Titel Niedersächsisches Justizgesetz auch darüber sprechen muss, welche Erwartungen ich als Praktiker an ein solches Gesetzesvorhaben haben muss.

Als die Drucksache mit den 107 Seiten und 113 Paragrafen kam, dachte ich: Toll, wir kriegen ein Niedersächsisches Justizgesetz. Die Ministerin hat geliefert. - Dann habe ich den Gesetzentwurf durchgearbeitet und dabei festgestellt: Was da drin ist, ist im Grunde genommen das, was auch vorne in dem Anschreiben steht, nämlich lediglich ein Gesetz über die Neuordnung von Vorschriften über die Justiz. Vom Prinzip her sind es bekannte Inhalte in einer neuen Verpackung. Neuordnung von Vorschriften statt Innovation.

Als Neuerungen sind mir aufgefallen in den § 98 ff.: Neuregelungen für die Anerkennung von Gütestellen nach § 794 ZPO. Das ist genauso begrüßenswert wie der Umstand, dass jetzt in den § 12 ff. eine gesetzliche Regelung über sicherheits- und ordnungsrechtliche Befugnisse der Beschäftigten der Gerichte und Staatsanwaltschaften formuliert wurde, wobei ich mich da frage - - -

(Ulrich Watermann [SPD]: Die Frage- stunde ist vorbei!)

- Man darf sich Fragen stellen, wenn sie sinnvoll sind - auch sich selbst!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Bei der Fragestunde darf man auch andere Fragen stellen!)

- - - wobei ich mir die Frage gestellt habe: Warum verwenden Sie den allgemeinen Begriff der Beschäftigten? Hier geht es um die Justizwachtmeister, und ich finde, deren berufliche Stellung sollten wir an dieser Stelle auch durch eine ausdrückliche Benennung unterstreichen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Schreibkräfte der Justiz Ordnungsmaßnahmen ergreifen sollen.

(Beifall bei der CDU)

Über die Detailpunkte dieses Gesetzentwurfs werden wir im Ausschuss beraten und dort alle anstehenden Fragen klären.

Als ich dieses Papierstück durchgelesen hatte, habe ich festgestellt, dass sich in mir Enttäuschung und Verärgerung breitmachte. Ich habe mich gefragt, warum. „Niedersächsisches Justizgesetz“ ist ein großer Name, und der Gesetzentwurf sollte diesem Namen auch inhaltlich entsprechen. Ich habe überlegt: Ist das, was wir jetzt von Ihnen, aus Ihrem Hause vorgelegt bekommen haben, die Leistungsbilanz von inzwischen 15 Monaten Ihrer Amtsführung?

Es gibt viele, viele Punkte, bei denen die Justiz Weiterentwicklung braucht. Frau Ministerin, bei Ihrer Antrittsrede vor dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen habe ich gesagt: Jawohl, die Frau weiß, worum es geht. Sie haben davon gesprochen, dass Sie die vorgerichtliche Streitschlichtung voranbringen wollten.

Ich selbst habe das auch gesagt: Wir brauchen im Zusammenwirken mit den Handwerkskammern und den Industrie- und Handelskammern und unter Einbeziehung von Anwälten, was Beratungshilfe oder Ähnliches im Hinblick auf die Kosten angeht, eine der Justiz vorgeschaltete Streiterledigung, um die Justiz zu entlasten.

Wir brauchen beispielsweise mehr Adhäsionsverfahren, damit die gleiche Materie, z. B. ein Körperverletzungsdelikt, nicht zunächst vom Strafrichter und später vom Zivilrichter mit den gleichen Zeugen noch einmal abgehandelt wird. Es wäre ein Einfaches, die Erledigungsstatistik der Richter, die innerhalb des Strafprozesses die zivilrechtlichen Ansprüche mit entscheiden, etwas anzuheben, um damit einen Anreiz für diese Richter zu schaffen.

Solche Dinge hätte ich von Ihnen erwartet, und neben vielen anderen auch einen verbesserten

Täter-Opfer-Ausgleich, nicht nur verbal als Absicht in den Raum gestellt.

Zum jetzigen Zeitpunkt, nach immerhin 15 Monaten im Amt, hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie in einem niedersächsischen Justizgesetz aufzeigen, wohin die Reise gehen soll und welche kreativen Elemente Sie einbringen, damit es in Niedersachsen mit der Justiz vorwärtsgeht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Ministerin, Sie haben vorhin in der Fragestunde gesagt, Sie hätten etwas von der Vorgängerregierung geerbt. Das ist richtig. Das Gesetz, das Sie vorlegen, ist in den Grundzügen bereits zu Zeiten Ihres Amtsvorgängers, in der letzten Legislaturperiode initiiert gewesen. Das heißt: Ihr Ministerium hat jetzt, bezogen auf das, was auf dem Tisch liegt, eine handwerklich gute Arbeit abgeliefert, aber nicht aufgrund einer eigenen Initiative, die Sie als Ministerin ergriffen hätten, sondern in der Ausführung dessen, was bereits im Hause existierte.

Als Sie vorhin von „Erbschaft“ sprachen, ist mir der Spruch eingefallen: „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.“ - Ich habe das Gefühl, Frau Ministerin, Sie sind noch am Beginn der Erwerbensphase. Sie haben eine grundsätzlich sehr gut aufgestellte Justiz übernommen, aber ich habe als Mensch mit langjährigem praktischen Hintergrund bis jetzt noch nicht entdeckt, wo Sie Neuerungen bringen, wo Sie die Justiz nach vorn gebracht hätten.

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie initiativ werden, kreativ werden, dass Sie ein Arbeitsergebnis abliefern, das über den hier auf vielen Seiten abgedruckten, aber nicht wirklich innovativen Gesetzesinhalt deutlich hinausgeht.

Da meine Redezeit gleich zu Ende ist, möchte ich noch Folgendes zitieren. In meiner örtlichen Zeitung, der Böhme-Zeitung, musste ich am 19. Juni 2014 lesen: „Richter platzt der Kragen: Wir leben im 21. Jahrhundert.“ Der Vorsitzende der Zehnten Großen Strafkammer am Landgericht Lüneburg wurde hier mit der Feststellung zitiert, dass auf den gerichtsinternen Computern wegen fehlenden Speicherplatzes die Speicherung farbiger Dokumente nicht funktioniere. Ich zitiere: „’Ich halte das für eine Katastrophe. Hallo! Wir leben im 21. Jahrhundert!’, echauffierte sich Richter Knaack im Sitzungssaal 121.“

Frau Ministerin, es ist nicht nur Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir uns in einer auch aus meiner

Wahrnehmung viel zu langen Fragestunde heute Morgen mit Pleiten, Pech und Pannen befassen müssen.

(Petra Tiemann [SPD]: Dafür, dass Sie darauf hingewiesen haben, bin ich Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

- Die hatte aber ihre Ursache.

Ich fordere Sie auf: Leisten Sie bitte an der Spitze Ihres Ressorts kreative, gute und zukunftsorientierte Arbeit. Das erwarte ich von Ihnen. - Den Zeitungsartikel bekommen Sie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Andrea Schröder-Ehlers das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Winkelmann, es ist schon erstaunlich, was Sie heute zu Protokoll gegeben haben. Sie wissen doch wie wir auch - vielleicht hätten Sie sich mit Herrn Busemann vorher einmal darüber unterhalten sollen -: Das ist ein Gesetzesvorhaben, das schon lange im Rohr ist, das jetzt endlich in die konkreten Beratungen gegeben wird, das von der Justiz insgesamt sehr begrüßt wird. Wenn Sie die Stellungnahmen zu dem Vorhaben alle durchgelesen haben, werden Sie es gemerkt haben: Es stößt auf große Zustimmung, und es ist an der Zeit, es jetzt endlich umzusetzen. - Das ist etwas, was Herr Busemann leider nicht mehr geschafft hat.

(Zuruf von der CDU: Leider!)

- Ja, ich bedaure das sehr. Es wäre für die Justiz gut gewesen, es auch schon in der letzten Legislaturperiode zu haben. Leider dauerte es so lange, dass es erst jetzt umgesetzt werden kann. Die Justiz hätte sich gefreut, wenn sie diese Regelungen schon eher gehabt hätte.

Lassen Sie mich nur noch einmal ganz kurz sagen: Es sind Regelungen aus 14 Gesetzen, die jetzt einbezogen werden. Es geht um die Organisation und um nichts anderes, Herr Winkelmann, es geht um Verfahren, und es geht um Kosten. Es wird neu

strukturiert, es wird sprachlich überarbeitet. Die Details hat die Ministerin schon angesprochen.

Die vorausgegangene Verbandsanhörung hat es bestätigt: Dieses Gesetz wird von der Justiz erwartet. Es muss jetzt zügig umgesetzt werden. Einige Stellungnahmen weisen auch darauf hin, dass es noch Veränderungsbedarf gibt. Wir werden in den Ausschussberatungen gerne auch über die Anregungen des Verbandes der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sprechen. Wir werden darüber sprechen, wie sich elektronischer Rechtsverkehr auf die Verfahren auswirkt. Das ist ein Punkt - auch das sollten Sie wissen, Herr Kollege Winkelmann -, über den wir natürlich im Ausschuss auch immer wieder gerne und intensiv diskutieren, weil wir wissen, welche Veränderungen in diesem Bereich nötig sind, die in den letzten Jahren unterblieben sind und die jetzt dringend umgesetzt werden müssen.

Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir zu einer guten Lösung kommen und dass wir dann auch zeitnah ein Gesetz verabschieden können, das diesen Anforderungen gerecht wird.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin, Schröder-Ehlers. - Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dr. Marco Genthe das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Landtag liegt ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor, der das Ziel verfolgt, verschiedene Vorschriften zu modernisieren und die Übersichtlichkeit zu erhöhen. Ziel ist es u. a., ein Organisationsgesetz zu schaffen, welches die Zuweisung und Gliederung von Aufgaben der Justizverwaltung neu ordnet und regelt.

Die FDP-Fraktion nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Gerichte sowie die Gerichtsbezirke ohne Änderung bestehen bleiben. Insoweit haben wir in der Vergangenheit ja auch schon andere Signale hören können.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aber nur von Bundesjustizministerin Leutheus- ser-Schnarrenberger! Die wollte die kleinen Amtsgerichte nicht mehr!)