Wir haben in Oldenburg am letzten Samstag den CSD gefeiert - eine Veranstaltung mit mehr als 10 000 Menschen. Ich habe mich sehr gefreut, dass drei Parteien aus dem Landtag, nämlich SPD, Grüne und FDP, mit einem Wagen dabei waren. Das ist ein Riesenevent. Man trifft da unterschiedlichste Menschen - teilweise auch Menschen, die man da gar nicht unbedingt erwartet.
Am Rande des CSD in Oldenburg habe ich gehört, dass an diesem Wochenende sogar in Cloppenburg erstmals ein CSD ansteht.
Daran sieht man: Diese Bewegung ist auch in der Fläche Niedersachsens angekommen. Das ist eine sehr positive Geschichte.
Auf der anderen Seite sind nach wie vor Anfeindungen und Diskriminierungen an der Tagesordnung. Immer noch sind Redewendungen und Schimpfwörter üblich, die offen diskriminieren. Hinter vorgehaltener Hand werden immer noch Vorurteile gegen Homosexuelle und Bisexuelle verbreitet.
Deswegen muss hier die Verfassung Farbe bekennen; wir als Parteien im Landtag müssen Farbe bekennen und das in die Verfassung schreiben.
Das ist nicht nur ein Symbol. Es verpflichtet die Rechtsprechung, die Verwaltung und uns als Gesetzgeber gleichermaßen. Noch ist nicht alles Gold, was glänzt. Ich erinnere an das noch fehlende Adoptionsrecht, die Öffnung der Ehe usw. Mit einer solchen Änderung können wir vielleicht auch ein Signal nach Berlin senden.
Wir nehmen mit sehr viel Wohlwollen und Freude zur Kenntnis, dass Sie jetzt diesen Vorschlag machen. Ob wir eine Verfassungsänderung hinbekommen, ob eine verfassungsändernde Mehrheit in diesem Haus zu organisieren ist, werden wir sehen. Besser spät als nie, könnte man sagen. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.
Vielen Dank, Herr Kollege Prange. - Das Wort hat jetzt Mechthild Ross-Luttmann, CDU-Fraktion. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat zwei Änderungen der Niedersächsischen Verfassung beantragt, nämlich zum einen die Streichung des Begriffs „Rasse“ und zum anderen die Einfügung des Begriffs der sexuellen Identität in Artikel 3 unserer Niedersächsischen Verfassung.
Die Intention, Rassismus, Diskriminierung und Benachteiligung engagiert zu bekämpfen, teilen wir als CDU-Fraktion uneingeschränkt.
Es stellt sich aber die Frage, ob eine Verfassungsänderung hierfür der richtige Weg ist. Die Verfassung sollten wir nur dann ändern, wenn wir eine Regelungslücke erkennen, die zwingend geschlossen werden muss.
Artikel 3 Abs. 3 unserer Niedersächsischen Verfassung entspricht seit 1997 dem Artikel 3 Abs. 3 unseres Grundgesetzes. Unser Grundgesetz besteht seit nunmehr 65 Jahren. An etlichen Orten wurde dieser Geburtstag gebührend gefeiert. Un
ser Grundgesetz hat einen verlässlichen Rahmen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft geschaffen.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hatten die schrecklichen Bilder des Krieges und die entsetzlichen Gräueltaten der Nazis vor Augen, als sie zusammensaßen, um über das Grundgesetz zu beraten. Die Würde des Menschen wurde unter den Nazis verneint, Leben genommen. Deshalb war es den Müttern und Vätern des Grundgesetzes so eminent wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass sich eine solche Katastrophe, dass sich so entsetzliche Gräueltaten auf deutschem Boden niemals wiederholen. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben sie die Formulierungen in Artikel 3 Abs. 3 in das Grundgesetz aufgenommen, um die Menschen vor Benachteiligungen und Diskriminierungen zu schützen.
Eigentlich ist jede Theorie, die das Bestehen von Rassen bejaht, an sich schon rassistisch. Nun kann man sicherlich darüber streiten, ob man deshalb darüber nachdenken muss, den Begriff „Rasse“ zu streichen. Doch ich möchte an dieser Stelle vor einem warnen: Welch ein verheerendes Signal würden wir damit an die rechten und linken Ränder unserer Gesellschaft aussenden, an die Menschen, die immer noch nicht verstanden haben, welch hoher Wert einem Menschen innewohnt! Eine ersatzlose Streichung könnte leicht missverstanden werden.
Von daher, denke ich, sollten wir im Rechtsausschuss - ich gehe davon aus, dass er der federführende Ausschuss sein wird - sehr genau über den Gesetzentwurf nachdenken. Zu Symbolpolitik sollten wir sicherlich nicht greifen. Die vorgeschlagene Streichung könnte missverständlich sein und würde uns dann letzten Endes dem Ziel, Benachteiligung zu vermeiden, nicht näherbringen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun zu dem Vorschlag, den Begriff der sexuellen Identität in unsere Verfassung aufzunehmen.
Unser Grundgesetz enthält eine Ewigkeitsklausel. Das war unglaublich klug und weise von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes. Demnach kann der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ niemals gekippt werden.
Punkt anders lautet als das Grundgesetz. Denn ich fürchte, wir machen hier Symbolpolitik, und zu Symbolpolitik sollten wir bei unserer Niedersächsischen Verfassung nicht greifen.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Buschmann hat zu entsprechenden Vorschlägen, das Grundgesetz zu ändern, in der letzten Bundestagswahlperiode Folgendes gesagt: Die beantragte Grundgesetzänderung hätte lediglich symbolische Wirkung. Wir wollen aber keine Symbolpolitik, sondern das alltägliche Leben von Menschen, ganz gleich welcher sexuellen Identität, verbessern. - Ich glaube, dass dies unser aller Ziel sein muss.
Wenn man sich unser Grundgesetz genau anguckt, dann merkt man, wie modern es gestaltet ist, auch noch nach 65 Jahren. Angesichts der Rechtsprechung sowie der Gesetzgebung, die auf dem Grundgesetz fußen, und vor allen Dingen angesichts des gesellschaftlichen Wandels, der in den letzten 20 Jahren eingetreten ist und der zu sehr viel mehr Akzeptanz und mehr Gleichstellung beigetragen hat - auch wenn immer noch das eine oder andere fehlt und nachgebessert werden könnte -, bin ich der festen Überzeugung, dass unser Grundgesetz etwas ganz Besonderes ist, auf das wir alle sehr stolz sein können.
Wo unsere Niedersächsische Verfassung deckungsgleich mit dem Grundgesetz ist, sollten wir sehr sorgfältig prüfen, ob sich eine Abweichung tatsächlich anbietet. Wenn keine Regelungslücke vorliegt, wenn es nur um Symbolpolitik geht, dann sollten wir unsere Niedersächsische Verfassung nicht anfassen.
Wir sollten gemeinsam weiterhin engagiert - sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich - gegen Benachteilungen und Diskriminierungen eintreten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Ross-Luttmann. - Jetzt hat sich Helge Limburg, Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet. Herr Limburg, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP hat zwei Änderungen der Niedersächsischen Verfassung vorgeschlagen. Ich möchte gerne auf beide einzeln eingehen.
Forderung bereits seit vielen Jahren immer wieder diskutiert - Sie haben das angesprochen, Herr Dr. Birkner -, auf europäischer Ebene und in Deutschland. Beispielsweise die Grüne Jugend, unsere Jugendorganisation, hat bereits vor mehreren Jahren gefordert, das Wort „Rasse“ in sämtlichen Gesetzen in Niedersachsen und Deutschland nicht mehr zu verwenden. Ich begrüße, dass die FDP diese Forderung der Grünen Jugend aufgreift. Ich kann Ihnen sagen: Das sollten Sie häufiger tun, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich bin dem Kollegen Ulf Prange aber sehr dankbar, dass er auf die Frage eingegangen ist, ob wir den Begriff „Rasse“ tatsächlich ersatzlos streichen können.
Sie haben argumentiert, Herr Dr. Birkner, dass die übrigen Begriffe „Abstammung“, „Herkunft“ usw. ausreichend seien, weil sie alles umfassen würden. Ich teile diese Einschätzung ausdrücklich nicht. De facto wird doch ein schwarzer Deutscher, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt und dessen Familie schon seit vielen Generationen in Deutschland wohnt, nicht wegen seiner Herkunft diffamiert, wenn er z. B. als „Nigger“ oder wie auch immer diffamiert wird, weil der Beleidiger weiß, wo er noch Verwandte hat, die vielleicht vor fünf Generationen woanders geboren worden sind oder was auch immer. Das ist doch überhaupt nicht der Punkt. Er wird vielmehr deswegen diskriminiert, weil der Diskriminierende ein Rassist ist, weil er mit rassistischen Beleidigungen operiert. Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte man das auch so in den Artikel schreiben.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat ausdrücklich vorgeschlagen - Herr Prange hat es bereits gesagt -, den Begriff „Niemand darf rassistisch diskriminiert werden“ zu verwenden. Das sollten wir auch tun.
Ich möchte auf ein anderes Beispiel eingehen, auf den leider immer noch allgegenwärtigen Antisemitismus, den wir bedauerlicherweise auch in Niedersachsen haben. Antisemitismus umfasst nicht nur diejenigen Menschen, die sich sozusagen aktiv zur Religion des Judentums bekennen und aus voller Überzeugung die Religion ausüben. Er ist also nicht nur eine Diskriminierung wegen der Religion. Antisemitismus ist selbstverständlich eine rassistische Konstruktion, eine rassistische Ideolo
gie, die leider auch Menschen treffen kann, die mit Religion überhaupt nichts am Hut haben wollen, die Atheisten sind, die sich als völlig areligiös bezeichnen. Auch darum sind wir es den Opfern solcher Diskriminierungen schuldig, dass wir Rassismus als das benennen, was er ist, und dann auch in der Verfassung erwähnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zur zweiten Forderung, der Aufnahme sexueller Identität: Wir sind ausdrücklich bei Ihnen. Das haben wir schon in der von Herrn Prange angesprochenen Beratung in der letzten Legislaturperiode deutlich gemacht. Ich freue mich, dass sich die FDP in Niedersachsen in dieser Frage bewegt hat. Ich war schon in der letzten Legislatur ein bisschen überrascht über die öffentlich sehr skeptischen Äußerungen der Kolleginnen und Kollegen zu einer Verfassungsänderung. Ich mutmaße, dass es damit zusammenhängt, dass Sie damals noch in einer Koalition mit der CDU und z. B. Herrn Schünemann waren. Ich freue mich, dass Sie sich jetzt in der Opposition das Ganze noch einmal grundlegend anders überlegen.
Wir unterstützen ausdrücklich den Vorschlag, das Verbot der Benachteilung durch die sexuelle Identität in die Verfassung aufzunehmen. Ich teile nicht Ihre Ansicht, Frau Kollegin Ross-Luttmann, dass dies keinen Mehrwert hätte und reine Symbolpolitik sei. Sie haben richtig ausgeführt, der Artikel 3 ist auch eine Konsequenz aus der Naziideologie, aus dem NS-Regime. Er umfasst darum die Diskriminierungen, die es im NS-Regime gab, und sagt deutlich, dass das nie wieder passieren darf. Ausgenommen ist die sexuelle Identität, obwohl im NS-Regime natürlich auch Menschen - Homosexuelle, Schwule, Lesben - verfolgt worden sind. Das ist damals ausdrücklich ausgenommen worden, weil man das in den 40ern und 50ern in Deutschland, gelinde gesagt, noch sehr anders gesehen hat.
Wir finden, dass es an der Zeit ist, im Jahr 2014 auch hier eine klare Kante zu ziehen. Auch das Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität soll in die Landesverfassung. Ich hoffe, dass wir in konstruktiven, ausführlichen und gründlichen Ausschussberatungen zu einer einvernehmlichen Lösung in diesen Fragen kommen.