Ich habe klar gesagt, dass die Mehrkosten einer Konvergenz von den Pflegebedürftigen und den Trägern der Sozialhilfe übernommen werden müssen. Es überrascht deshalb nicht, dass Sie da jetzt nachhaken. Ihnen sollte aber sehr klar geworden sein, dass die Pflege insgesamt unterfinanziert ist. Das bedeutet, dass Sie das Ganze auch als Gesamtpaket sehen müssen. Sie haben eben gehört, dass wir auch auf der Bundesebene etliches tun müssen. Sie haben gehört, dass wir das Beitragssystem auf ein Beitragssystem der Bürgerversicherung umstellen müssen. Insofern müssen Sie dies wirklich als Gesamtpaket betrachten. Das heißt: Eine Konvergenz auf Landesebene muss gemeinsam mit einer Änderung der Beitragsfinanzierung auf der Bundesebene erfolgen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Ministerin, Sie haben uns vorhin mitgeteilt, dass die Pflegesätze in Niedersachsen im bundesweiten Vergleich die niedrigsten sind. Meine Frage hierzu an die Landesregierung ist die folgende: Wie hat sich der Abstand der Pflegesätze seit dem Regierungswechsel 2003 entwickelt?
(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Was gibt es denn da zu klatschen, wenn das auseinanderklafft?)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe folgende Frage an die Ministerin: Frau Ministerin, wie möchten Sie die Attraktivität des Pflegeberufes steigern? Es gibt ja einen Fachkräftemangel. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen? Was ist aus Ihrer Sicht notwendig?
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Das ist besser! Keine Zahlen! Da kann sie plaudern!)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Das ist eigentlich die interessanteste aller Fragen. Von diesen Maßnahmen hängt nämlich letztlich ab, ob Pflege in Niedersachsen zukünftig weiter funktioniert oder nicht. In Zeiten des zukünftigen Fachkräftemangels wird das genau eine Frage von Fachkräften sein.
Die Herausforderung in der Altenhilfe besteht auf jeden Fall darin, dieses Berufsbild deutlich attraktiver zu machen. Gott sei Dank ist es in Niedersachsen so, dass sich die Zahl der Altenpflegeschülerinnen und -schüler in den letzten Jahren positiv entwickelt hat.
Wir wissen aber auch, dass dies angesichts des Szenarios des demografischen Wandels nicht annähernd ausreichend sein wird.
Wenn wir einmal jemanden fragen, der etwas davon versteht, nämlich die Bertelsmann Stiftung, die regelmäßig einen Pflegereport herausbringt, stellen wir fest: Der Pflegereport 2030 prognostiziert für das Jahr 2030 einen Mangel von Pflegefach
Alles, was wir von der bisherigen Landesregierung gesehen haben, waren irgendwelche netten Imagekampagnen. Das ist zwar nicht falsch. Es reicht aber bei Weitem nicht aus.
Wir brauchen eine Förderung der Altenpflegeschülerinnen und -schüler über das hinaus, was bis jetzt geschehen ist.
Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die Pflegeeinrichtungen wieder zum Kreis der attraktiven Arbeitgeber aufrücken.
Aus Sicht der Landesregierung ist die strukturelle Unterfinanzierung der Pflege aufzubrechen. Das wäre der wirklich zielführende Schritt.
Die Pflegesätze in Niedersachsen müssen auf den Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer angehoben werden.
Die ambulante Pflege macht uns hier besondere Sorge, weil die Arbeitsbedingungen in der ambulanten Pflege möglicherweise noch einmal unattraktiver sind, als dies im Bereich der stationären Pflege der Fall ist. Sie wissen, dass es dort neben einer Art Einzelkämpfertum zusätzlich das Problem der geteilten Dienste und der nicht wirklich bestehenden Möglichkeit für Vollzeitstellen gibt.
An dieser Stelle werden wir also deutlich etwas tun müssen. Das heißt, dass die Vergütungen im ambulanten Bereich steigen müssen; denn sonst werden wir in Niedersachsen dort ein Riesenchaos erleben.
Ambulante Pflege brauchen wir insbesondere im ländlichen Bereich. Lassen Sie mich zum ländlichen Bereich kurz ausdrücklich etwas sagen, weil der Fachkräftemangel dort möglicherweise am größten sein wird. Wir haben im ländlichen Bereich in Niedersachsen - das wissen Sie sehr genau - inzwischen große Probleme mit dem demografischen Wandel. Die Bevölkerung wird deutlich älter. In vielen Regionen tritt dieser Effekt überproportional auf. Die Bevölkerung wird damit auch überproportional pflegebedürftiger.
Wenn es uns nicht gelingt, ambulante Pflege auf dem Land dauerhaft sicherzustellen, werden wir zunehmend vor dem - bereits jetzt vorhandenen - Phänomen stehen, dass Menschen im ländlichen Bereich nicht mehr ambulant versorgt werden können, weil es nicht mehr genügend Pflegedienste mit genügend Fachkräften im ländlichen Bereich gibt. Das führt dazu, dass diese Menschen gezwungen sind, in stationäre Einrichtungen in den innerstädtischen Bereich zu gehen.
Das ist etwas, was diese Menschen auf gar keinen Fall wollen. Ihre Angehörigen wollen das ebenfalls nicht. Auch die Pflegekassen können das nicht wollen; denn es ist natürlich deutlich teurer. Nicht einmal der Sozialhilfeträger kann das wollen, weil er dann sehr frühzeitig mit Hilfe zur Pflege einspringen muss.
Das heißt: Wir kommen in Niedersachsen mit seinen vielen ländlichen Bereichen in eine absolute Verlierersituation, wenn wir es nicht schaffen, ambulante Pflege im ländlichen Raum auf Dauer sicherzustellen.
Frau Ministerin, ich habe noch folgende Frage: Plant die Landesregierung Erleichterungen zur Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland?
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! In der Tat werden wir den Fachkräftemangel in Niedersachsen auf keinen Fall bekämpfen können, wenn wir nicht auch anwerben,
wenn wir nicht auch im Rahmen einer positiven Willkommenskultur aktiv auf ausländische Pflegekräfte zugehen.
Hierzu müssen wir auch die passenden Voraussetzungen schaffen - insbesondere auch, was die Anerkennung pflegerischer Berufe in Niedersachsen betrifft. Wir brauchen die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen. Hier sind wir auf dem Weg: Wir haben gerade die Zuständigkeitsverordnung Berufsqualifizierung zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse im Kabinett auf den Weg gebracht. Das ist ein erster Schritt. Wir werden uns aber auch weiter deutlich mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Dabei werden die Sprachkenntnisse und die Abfrage von Sprachkenntnissen, also die Frage, wie man dies dokumentiert, sicherlich ganz wichtig sein.
Das heißt, wir werden zum einen positive und flexible Voraussetzungen schaffen müssen, damit die Fachkräfte überhaupt zu uns kommen - das setzt voraus, dass die Pflege hier in Niedersachsen so attraktiv ist, dass sie überhaupt kommen und Niedersachsen nicht nur als Durchreiseland auf dem Weg nach Skandinavien sehen. Zum anderen werden wir auch die entsprechenden sprachlichen Voraussetzungen schaffen müssen. Denn klar ist: Pflege ist ein sprechender Beruf. Das heißt nichts anderes, als dass die Menschen, die zu uns kommen, in der Lage sein müssen, zu kommunizieren, und zwar sowohl auf zwischenmenschlicher Ebene als auch auf der Ebene der Fachqualifikation.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, vor dem Hintergrund, dass Sie die Höhe der Pflegesätze beklagt haben und dass Sie gesagt haben, dass Sie die Entlohnung, die Arbeitsbedingungen sowie die Attraktivität der Ausbildungsplätze verbessern wollen,
frage ich Sie, was Sie in den nächsten Wochen und Monaten ganz konkret tun wollen, um diese Sachverhalte zu verändern. Ich möchte von Ihnen ganz dezidiert wissen, was Sie tun wollen.
(Zustimmung bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Ich fasse es nicht! - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Zehn Jahre das Thema verschlafen, und dann so was! - Weitere Zurufe von der SPD)