Protokoll der Sitzung vom 14.03.2013

(Zustimmung bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Ich fasse es nicht! - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Zehn Jahre das Thema verschlafen, und dann so was! - Weitere Zurufe von der SPD)

Ich bitte um etwas Ruhe! - Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Hilbers, eigentlich haben Sie mir bis jetzt ganz gut zugehört. Wenn Sie auch am Anfang meiner Rede gut zugehört hätten,

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das waren nur Allgemeinplätze!)

dann wüssten Sie, dass wir eine Fachkommission brauchen,

(Reinhold Hilbers [CDU]: Arbeitskreis! - Weitere Zurufe von der CDU: Ja ge- nau! - Unruhe - Glocke der Präsiden- tin)

die sich genau mit diesen Fragen beschäftigt.

Wenn ich mich recht erinnere, habe ich Ihnen umfänglich und auch für Nichtjuristen verständlich erläutert, wie das in Niedersachsen nur aussehen kann. Diese Fachkommission wird kurzfristig ins Leben gerufen werden. Daran werden alle betroffenen Akteure beteiligt werden. Sie haben es gehört - ich darf es kurz wiederholen -: Es geht um die Bereiche des SGB XI und des SGB V und die an den entsprechenden Verhandlungen Beteiligten. Wir werden zusätzlich weitere Gruppen, die etwas davon verstehen, mit an den Tisch holen, wie z. B. die Gewerkschaften und die entsprechenden Berufsverbände. Wir werden das Ganze mit dem vorhandenen geballten Fach-Know-how auf den Weg bringen.

Wie das Ganze dann abgeschlossen wird, muss man sehen. Es wird sicherlich viele einvernehmliche Regelungen dazu geben können. Dann wird es zusätzlich im Landespflegeausschuss dazu Berichte und Beschlüsse geben müssen, und wir werden auch Pflegevergütungskommissionen usw. mit im Boot haben müssen.

Das ist der Weg, den wir gehen werden. Es wird kein einfacher Weg, weil wir es mit sehr vielen Vertragspartnern zu tun haben. Aber wir haben nur eine einzige Alternative, nämlich die, die die bisherige Landesregierung gewählt hat, nämlich alles so

weiterlaufen zu lassen und sehenden Auges in einen Pflegenotstand in Niedersachsen zu gehen.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Böhlke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage vor dem Hintergrund des Eindrucks, den ich gewonnen habe, nämlich dass die Ministerin sehr ausführlich, aber allgemein auf die Fragen der SPD-Fraktion antwortet, während sie sehr allgemein, unverbindlich und kurz auf die Fragen der CDU-Fraktion antwortet,

(Widerspruch bei der SPD)

ob die Ministerin nunmehr die konkrete Frage im Zusammenhang mit der Umlagefinanzierung beantworten kann, wie viele Ausbildungsplätze sie in der Altenpflege in Niedersachsen für notwendig hält, um den angesprochenen Mangel auszugleichen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Uwe Schwarz [SPD]: Was wollt ihr denn nun wissen? Umlage?)

Frau Ministerin Rundt antwortet.

Wie viele Plätze wir tatsächlich brauchen werden, ist natürlich Spekulation. Ich gehe davon aus, dass wir den Anteil der Pflegekräfte - und zwar nicht nur den Anteil derjenigen, die eine Berufsausbildung beginnen, sondern vor allem den Anteil derjenigen, die sie auch beenden; das ist der mir wichtigere Teil -, um jährlich ungefähr 10 % steigern müssen.

(Zustimmung bei der SPD - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das ist ein Unter- schied!)

Wir wissen, dass es gerade im Bereich der Pflege einen relativ hohen Anteil an Berufsabbrechern gibt. Zum Teil erfolgt der Abbruch bereits während der Ausbildung. Insbesondere gibt es aber ein sehr starkes Problem beim Berufsverbleib nach Ende der Ausbildung in den ersten Berufsjahren. Dort gab es teilweise in den vergangenen Jahren einen

durchschnittlichen Verbleib von nur drei Jahren. Man muss sich vorstellen, welche Ressourcenverschwendung das ist: Eine dreijährige Ausbildung war sozusagen umsonst, weil nach drei Jahren Berufsleben der Ausstieg aus dem Beruf erfolgt. Ich glaube, wir müssen uns gemeinsam fragen, wie das überhaupt sein kann, warum der Beruf in der Ausbildung noch ganz attraktiv ist, während des Praxisteils der Ausbildung aber schon deutlich weniger attraktiv ist und die Berufstätigkeit nach der Ausbildung auf einmal abgebrochen wird.

(Heinz Rolfes [CDU]: Sie müssen hier keine Fragen stellen!)

Das ist nur mit der wirklichen Enttäuschung zu erklären, die die Pflegekräfte erfahren und die aufgrund der Arbeitsverdichtung entsteht. Sie sind mit anderen Vorstellungen in den Beruf eingestiegen, haben Menschen Pflege, Hilfe und Unterstützung geben wollen und stellen dann fest, dass sie dies nun unter den gegebenen Umständen im Minutentakt machen müssen und dass sie in höchstem Maße Dokumentationspflichten unterliegen.

Die Menschen, die sich eigentlich mehr um ihre Mitmenschen kümmern wollen und deswegen diesen Beruf ergriffen haben, sind hoch enttäuscht von diesem Beruf. Genau das ist der Grund, weswegen wir diesen Beruf wieder attraktiver machen müssen. Wir werden ein Riesenproblem mit der Versorgung in Niedersachsen haben, wenn uns das nicht gelingt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Schröder-Köpf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich würde gerne wissen - das betrifft ja die Attraktivität der Pflegeberufe -, in welchen Bundesländern es bereits die Umlagefinanzierung für die Berufe in der Altenpflege gibt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau SchröderKöpf, es gibt Umlageverfahren in den Ländern Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Aber wir wissen, dass weitere Länder diese Frage zurzeit prüfen. Es gibt z. B. Rückfragen aus Hamburg und Hessen, aus denen wir schließen können, dass auch diese Länder eine Einführung planen.

Warum haben inzwischen so viele Bundesländer dieses Verfahren eingeführt? Herr Böhlke hat das Thema Umlagefinanzierung in seiner Frage eben angesprochen, aber letztlich nicht konkret dazu gefragt. Wir sind der ganz festen Überzeugung, dass die jetzige Situation im Bereich der Ausbildung mit Blick auf die Kostentragung sehr unglücklich ist. Es gibt im ambulanten Bereich so gut wie keine Auszubildenden, was sozusagen durch das System und die Finanzierung bedingt ist. Im ambulanten Bereich würde das nämlich heißen, dass eine Ausbildungskraft parallel zu der einzeln laufenden Pflegekraft mit in die Häuslichkeit geht. Das ist zurzeit schlicht und ergreifend nicht refinanziert. Damit kann es kaum eine Ausbildung im ambulanten Bereich geben.

Im stationären Bereich sieht das anders aus. Dort gibt es ein anderes Phänomen. In Niedersachsen ist es nämlich so geregelt, dass die Kosten der Ausbildung in den Entgeltsatz der Pflegeeinrichtungen mit einkalkuliert werden dürfen. Das hört sich zunächst mal gar nicht so schlecht an. Jetzt kommt aber das Aber: Da wir - unglücklicherweise, muss man sagen - eine Marktöffnung in diesem Bereich haben und damit der Preis bei der Nachfrage nach Pflegeeinrichtungen eine große Rolle spielt, heißt das, dass die Einrichtungen, die ausbilden, teurer sind als die Einrichtungen, die nicht ausbilden.

(Uwe Schwarz [SPD]: So ist es!)

Ich glaube, alle sind sich darüber einig, dass das ein völlig verkorkstes Anreizsystem ist, das zum Gegenteil des Gewollten führt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Damit dies besser wird und nicht diejenigen Einrichtungen, die ausbilden, bestraft werden und die belohnt werden, die nicht ausbilden, bedarf es dringend einer solchen Umlagefinanzierung. In eine Umlagefinanzierung sind alle Betriebe einbezogen - auch die, die nicht ausbilden. Das heißt,

Nichtausbilden ist nicht mehr attraktiv, sondern Ausbilden wird attraktiv.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Polat.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund, dass die bisherige Landesregierung bei der Novellierung des Niedersächsischen Heimgesetzes insbesondere die betreuten Wohnformen erschwert hat, welche Maßnahmen die Landesregierung bei diesem Thema ergreifen möchte. Mich würde auch interessieren, wie die Landesregierung dieses bisherige Verfahren oder diese bisherige Regelung beurteilt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Frau Ministerin antwortet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wie beurteile ich das? Man muss sagen: Das war bis jetzt ein Schuss in den Ofen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn man ein solches Heimgesetz novelliert, sollte man berücksichtigen, was im Land existiert, und insbesondere das möglich machen, was man positiv fördern möchte. Die letzte Änderung des Heimgesetzes ist vollkommen verunglückt, weil sie in der Praxis dazu geführt hat, dass moderne Wohnformen wie Demenzwohngemeinschaften, aber auch Seniorenwohngemeinschaften oder Ähnliches dermaßen starke Auflagen bekamen, dass sie schlicht und ergreifend von denen, die sich privat zusammentun, nicht erfüllt werden konnten.

Deswegen wollen wir das Heimgesetz sehr kurzfristig - so kurzfristig wie irgend möglich - ändern. Wir überlegen, in welcher Art und Weise wir das tun. Denkbar wäre z. B., dass eine Mindestbewohnerzahl so definiert wird, dass selbstbestimmtes Wohnen für Senioren - was wir alle wollen - nicht mehr runter fällt.

Wir müssen uns ganz klar über einen weiteren Punkt unterhalten. An diesem Heimgesetz hängen weitere Verordnungen. An dem Heimgesetz hängen z. B. die Bereiche der Heimpersonalverordnung und der Heimmindestbauverordnung.

Die Heimmindestbauverordnung ist genau der Punkt, der es den kleinen selbstbestimmten Wohngemeinschaften im Moment unmöglich macht, sich - was den Bau betrifft - finanziell vernünftig aufzustellen.

Zur Heimpersonalverordnung sage ich sehr klar - das ist unsere ganz klare Ansage; Sie dürfen das gerne im Koalitionsvertrag nachlesen -: Wir wollen auf jeden Fall bei einer Fachkraftquote von 50 % bleiben.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)