Da kann man nur sagen: Donnerwetter, Leihstimmenpartei! Leihstimmenpartei für Tarifautonomie - wie geht das denn? Dieselben Leute wie Frau König, die den kleinen Betrieben Betriebsräte verweigern wollte, sind auf einmal für Tarifautonomie.
Meine Damen und Herren, diese Täuschung stinkt zum Himmel. Sie sind der Wolf im Schafspelz, wenn es um Arbeitnehmerrechte und Tarife geht. Ihre Glaubwürdigkeit ist so weit geschädigt, dass man besser erst einmal aus dem Fenster guckt, wenn Sie einem „Guten Tag“ sagen. Vielleicht ist es tiefe Nacht.
(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Gero Hocker [FDP]: Das ist sogar dem Wirtschaftsminister peinlich!)
Wäre die Tarifautonomie wirklich in Gefahr, würde der DGB den Mindestlohn gar nicht fordern; denn die Tarifautonomie ist doch die heilige Schrift der Gewerkschaften. Das sollten Sie doch wissen!
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Busemann, der Präsident dieses Hauses, hat sich höchstpersönlich als Befürworter eines flächendeckenden Mindestlohnes geoutet und dies mit einem christlich-sozialen Profil begründet. Er hat damit ausgedrückt, was Millionen Menschen in Deutschland fühlen und fordern.
In den Talkshows ist übrigens auch Herr Geißler zu hören, der ganz ernsthaft über nicht auskömmliche Einkommen trotz vollschichtiger Arbeit redet - auch Herr Blüm tut das hin und wieder -, der die Situation von Millionen Menschen als Bittsteller anprangert und dazu auffordert, die Zustände schnellstens zu verändern, meine Damen und Herren. Denn hier tickt eine Zeitbombe, sagt er. Die Zeitbombe tickt wirklich. Herr Geißler erntet dafür Beifall. Aber seine Bundespartei, die mit der FDP in Regierungsverantwortung ist, sieht sich nicht in der Lage, sich in dieser Frage von der
Leihstimmenpartei der FDP zu lösen. Was ist denn das? Was ist denn das in Wirklichkeit? - Das ist doch Schwäche hoch fünf.
Meine Damen und Herren, nachdem Leiharbeiter ihren Anspruch auf Equal Pay und somit auf Lohnzahlungen und Sozialversicherungsbeiträge über das Bundesarbeitsgericht durchgesetzt hatten, wurde sogar die CDU aktiv. Sie setzte sich aber nicht für die betrogenen Menschen ein, sondern für eine Amnestie der Zeitarbeitsfirmen. Hier wird Ihre Geisteshaltung sichtbar. Sie schützen die Ausbeuter, während es uns um die Verbesserung der Situation von Millionen von Menschen geht, meine Damen und Herren.
Selbst den Armutsbericht verfälschen Sie. So hilflos sind Sie inzwischen. Ihr Geschäftsmodell der Lohndrückerei wird demnächst ein Ende finden. Sie sind bereits heute handlungsunfähig, weil Ihnen die gestaltende Mehrheit im Bundesrat abhanden gekommen ist. Sie werden für Ihren krankhaften Deregulierungswahn bluten. Wir freuen uns auf die Auseinandersetzung im Ausschuss.
Als nächster Rednerin erteile ich für die FDP-Fraktion der Kollegin Gabriela König das Wort. Bitte schön, Frau König!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schminke, das war eine sehr schöne Gewerkschaftsrede - aber die sollte normalerweise nicht im Landtag gehalten werden.
Meine Damen und Herren, Sie schreiben in Ihrem Antrag, der Niedriglohn habe sich in letzten Jahren rasant ausgedehnt. Ich weiß nicht, woher Sie diese Zahlen nehmen.
(Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das war schon die letzten fünf Jahre Ihr Pro- blem, dass Sie nicht erkannt haben, was hier passiert!)
Fakt ist, der Anteil der sogenannten atypisch Beschäftigten - der Teilzeitarbeiter, befristet Beschäftigten, Zeitarbeiter und Minijobber - an allen abhängigen Beschäftigten liegt seit 2005 stabil bei 25 %. Normalarbeitsverhältnisse werden dadurch überhaupt nicht verdrängt. Die Arbeitslosigkeit hat sich hingegen stark verringert, und die Aufstiegslöhne reichen damit in sehr vielen Bereichen bereits weit über Ihre Forderungen eines Mindestlohnes hinaus. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO bescheinigt Deutschland eine der erfolgreichsten Arbeitsmarktentwicklungen weltweit. Nicht nur das Volumen der Beschäftigung ist gestiegen, auch die Struktur hat sich verbessert. Unfreiwillige Teilzeit und unfreiwillige Befristung sind rückläufig.
Laut Verdienststrukturerhebung des Statistischen Bundesamtes stieg der Durchschnittslohn zwischen 2006 und 2010 von 9,90 Euro auf 10,36 Euro.
Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist seit 2007 um 40 % gesunken. 2012 sank sie von 1,7 Millionen auf 1 Million.
Was das bedeutet? - Es ist immer besser, Arbeit zu haben, als die Zeit ohne Arbeit und ausgeschlossen vom gesellschaftlichen Leben zu fristen.
Unsere vordringlichste Aufgabe muss doch wohl sein, in allen Teilen des Landes Vollbeschäftigung zu erlangen und aus den Einstiegslöhnen der Ungelernten so schnell wie möglich Aufstiegslöhne zu erzeugen.
Das kann man aber nicht mit einem flächendeckenden, allgemeinverbindlichen gesetzlichen Mindestlohn. Und Sie wissen nur zu gut: Das will auch die Mehrheit der Gewerkschaftler nicht - jedenfalls wenn ich mit denen rede.
Selbst Herr Steinbrück hat den gesetzlichen Mindestlohn 2006 noch vehement abgelehnt. Mit dieser Forderung kommen die Langzeitarbeitslosen und die Unqualifizierten nämlich gar nicht erst in Arbeit. Ganz im Gegenteil: Sie vernichten sogar Arbeitsplätze damit. Außerdem schwächen Sie die Tarifautonomie, was ich für sehr gefährlich halte. Haben Sie sich noch nie gefragt, warum einige Unternehmen aus der Tarifautonomie ausgestiegen sind?
- Ich kann Ihnen das erklären. Einige Unternehmen konnten die sehr hoch gesteckten Lohnforderungen nämlich teilweise gar nicht mehr erfüllen. Zur Wahl stehen entweder Entlassungen oder Insolvenz des Unternehmens. Beides heißt: Arbeitsplätze gehen verloren. Was würden Sie denn da tun? - Jetzt sind Sie still.
Besonders für arbeitslose und gering qualifizierte Jugendliche ist ein Zugang zum Arbeitsmarkt sehr wichtig. Hier sind der Einstieg und der Aufstieg auch sozial von Bedeutung. Ansonsten besteht die Gefahr, die Arbeitslosenzahlen der unter 25-Jährigen unserer europäischen Nachbarn zu bekommen. Das wissen auch Sie. Sie liegen nämlich in Skandinavien - selbst dort - über 20 % und in den anderen Krisenländern bei bis zu 50 %. Überlegen Sie sich das einmal. Wollen Sie da gerne hin?
Dagegen muss man auch vorgehen. Wir müssen soziale Verwerfungen auffangen. Das ist aber keineswegs mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn möglich. Sie bestehen insbesondere in Bereichen der funktionierenden Tarifpartnerschaften und bei Unternehmen, die beispielsweise über Werkverträge Regelungen bewusst umgehen. Hier müssen wir ansetzen, unsere Instrumente prüfen. Das kann eine Regelung im Wirtschaftsrecht. Wenn es um Lohnuntergrenzen geht, gibt es viele Stellschrauben, die als Weg zur Verfügung stehen. Möglich wäre etwa ein Arbeitnehmerentsendegesetz oder ein Mindestarbeitsbedingungengesetz, um einen Vergleichslohn zu erwirken, der dann auch vom Staat kontrolliert werden sollte.
Es ist jedoch falsch zu glauben, dass es ein flächendeckender allgemein verbindlicher gesetzlicher Mindestlohn sein soll. Ich spreche Ihnen auch ab, dass Sie in jeder Branche genau das Richtige tun, was dort eigentlich gefordert ist. Das können Sie gar nicht wissen.
Okay. - Ich will Ihnen noch eines sagen. Altersarmut lässt sich mit diesem Lohn überhaupt nicht bekämpfen. Dann müssten Sie 14,40 Euro fordern, und das ist selbst für Sie ein bisschen zu hoch gegriffen.
Vielen Dank, Frau König. - Sie haben gerade im Präsidium ein kleines Schmunzeln ausgelöst, als Sie an eine Fraktion gerichtet sagten: Jetzt sind Sie aber still. - Wir sollten es nicht so weit treiben, dass die Redner die Zwischenrufe und das Stören selber herausfordern.