Protokoll der Sitzung vom 14.03.2013

Es ist jetzt an der Zeit, an die Arbeit zu gehen und die handelnden Akteure, die Expertinnen und Experten endlich wieder als Partner einzubinden, mit ihnen gemeinsam reale Bedarfe vor Ort zu ermitteln und diesen zu begegnen.

Es ist vor allem auch an der Zeit, dass das Land hier endlich wieder Verantwortung übernimmt. Als überörtlicher Träger der Jugendhilfe müssen wir in Zusammenarbeit mit den Kommunen, den Trägern und den Jugendverbänden dem Ziel der Chancengerechtigkeit für junge Menschen näher kommen und uns endlich wieder mit jungen Menschen und den Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien auseinandersetzen und diesen einen hohen Stellenwert in der Politik geben. Denn dass Kinder und Jugendliche unsere Zukunft sind und deshalb besonderer politischer Aufmerksamkeit bedürfen, ist nicht etwa eine gern benutzte politische Wort

hülse, sondern eine Tatsache, der wir in diesem Haus endlich wieder Beachtung schenken sollten.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt hat sich die Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration zu Wort gemeldet. Frau Cornelia Rundt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Regierungserklärung vom 19. Februar kündigte Ministerpräsident Stephan Weil einen neuen Politikstil der Landesregierung an: weg vom Obrigkeitsstaat, weg von der Klientelpolitik, hin zur Gemeinwohlorientierung, zur kontinuierlichen Beteiligung und hin zur Transparenz. Das ist gerade einmal drei Wochen her. Und nun legt die Regierungskoalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen den Entschließungsantrag zur Wiedereinrichtung des Landesjugendhilfeausschusses vor, der dieses Wahlversprechen von kontinuierlicher Beteiligung und Transparenz insbesondere in der Jugendpolitik umsetzt.

Für die Landesregierung kann ich erklären, dass wir sehr, sehr gerne der Bitte der Regierungskoalition folgen werden und mit einer entsprechenden Änderung des Ausführungsgesetzes zum Kinder- und Jugendhilfegesetz die Fachlichkeit der Beteiligten in die Jugendpolitik zurückbringen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir wollen damit einen schweren Fehler der vorherigen Landesregierung korrigieren, die 2006 - ausgerechnet im Jahr der Jugend - gegen den massiven Protest der Jugendverbände, wie ich zufällig weiß, und versteckt im Haushaltsbegleitgesetz den Landesjugendhilfeausschuss abschaffte. Er wurde durch den Landesbeirat für Kinder- und Jugendhilfe und Familienpolitik ersetzt, der seitdem dem Sozialministerium zugeordnet ist.

Für die neue Landesregierung hat Kinder- und Jugendpolitik einen sehr, sehr hohen Stellenwert. Denn die Arbeit für junge Menschen, vor allem aber auch mit jungen Menschen ist Daseinsvorsorge und Zukunftspolitik zugleich. Eine qualitativ hochwertige Kinder- und Jugendpolitik kann man nur gemeinsam mit den jungen Menschen selber und allen Expertinnen und Experten der Jugendhil

fe machen. Nur wenn öffentliche und freie Träger konstruktiv zusammenarbeiten, gemeinsame Ziele definieren und diese dann auch strategisch umsetzen, kommt am Ende eine gute Kinder- und Jugendpolitik heraus. Deshalb wollen wir so schnell wie möglich den Landesjugendhilfeausschuss wieder einführen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Landesjugendhilfeausschuss haben wir die Chance, alle Kräfte der Kinder- und Jugendhilfe in Niedersachsen zu bündeln, zum Wohlergehen der Kinder und Jugendlichen in unserem Land. Wir wollen den Trend der vergangenen zehn Jahre umkehren. Wir wollen, dass mehr junge Menschen als bisher ihren Platz in unserer Gesellschaft finden, dass sie sich zugehörig fühlen, dass sie Anerkennung erringen und ernst genommen werden. Deshalb hat der Landesjugendhilfeausschuss für mich hohe Priorität.

Es ist zwar Aufgabe des Landesbeirates gewesen, sich mit allen Angelegenheiten der überörtlichen Jugendhilfe und der Familienpolitik zu befassen, das Beratungsergebnis den obersten Landesjugendbehörden zuzuleiten und Vorschläge und Empfehlungen abzugeben, es gab jedoch keine bindenden Beschlussrechte. Damit ist der Landesbeirat zu einem zahnlosen Tiger gemacht worden. Das werden wir ändern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nur so werden wir uns Wege eröffnen, um zukunftsorientiert die aktuellen Herausforderungen und Chancen der Kinder- und Jugendpolitik nutzen zu können. Es geht darum, dass Kinder und Jugendliche Transparenz und ein echtes Mitspracherecht bekommen. Die Betroffenen sollen ihre eigenen Interessen einbringen können. Wir werden die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen und das derzeit geltende Ausführungsgesetz zum KJHG um die entsprechenden Beschlussrechte für den Landesjugendhilfeausschuss ergänzen, damit sich die jungen Menschen in diesem Land ernst genommen fühlen können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Rundt. - Wir sind damit am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration zuständig sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen und Enthaltungen gibt es nicht. Dann ist das so beschlossen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Den Niedriglohnsektor zurückdrängen - Initiative zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns unterstützen - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/28

Zur Einbringung hat sich der Kollege Ronald Schminke gemeldet. Sie haben das Wort, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen fünf Jahren haben wir Ihnen immer wieder gebetsmühlenartig erklärt, wie folgenschwer Niedriglöhne für unsere Wirtschaft und unsere sozialen Systeme sind. Ferner haben wir Ihnen die menschenunwürdigen Auswirkungen von Lohndumping für die Betroffenen aufgezeigt.

Aber Sie wollten das alles gar nicht hören. Sie haben sämtliche Anträge von uns abgebügelt. Sie haben uns mit Ihrer ignoranten Verweigerungshaltung gedemütigt. Meine Damen und Herren, darum haben wir auch die Rollen getauscht - deshalb sitzen Sie heute in der Opposition und wir in der Regierung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Annette Schwarz [CDU]: Aber nicht lange!)

Sie haben nun viel Zeit, um darüber nachzudenken, wie Sie mit Ihren Leiharbeitern umgehen, meine Damen und Herren der CDU. Damit meine ich nicht etwa die Leiharbeiter mit den skandalösen Niedriglöhnen, über die wir hier so oft geredet haben, sondern ich spreche jetzt über die FDPLeiharbeiter, die mit der Gnade der CDU-Leih

stimmen als Leiharbeiter in diesen Landtag eingezogen sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der FDP)

- Ich weiß, das quält Sie!

Ich rede über diejenigen, die uns in den vergangenen Jahren mit ihren neokonservativen Ansichten schier zur Weißglut getrieben haben, wie Frau König.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich rede über diejenigen, die bis heute daran festhalten, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn zu verhindern, obwohl eine breite Mehrheit in diesem Lande längst verstanden hat, dass der Mindestlohn schnell kommen muss, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Regierung McAllister wurde vom Volk auch deshalb abgewählt, weil sie sich von ihrer FDP-Leiharbeiterriege nicht losgesagt hat. Denn deren arbeitsmarktpolitische Ansichten sind mehr als skandalös. Das war und ist Feudalherrschaft von vorgestern. So etwas straft unser Volk ab, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!)

Nun werden wir handeln. Wir werden mit diesem Antrag ein deutliches Zeichen für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland setzen. Wir stärken die Bundesratsinitiative der Länder, und wir setzen uns für Fairness und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt ein. Weil es ohne klare Regeln nicht geht! Das ist unsere Überzeugung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die aktuelle Niedriglohngrenze lag schon 2010 bei 10,36 Euro. Darum ist der Mindestlohn von 8,50 Euro wirklich nur ein Einstieg. Wir müssen sehr schnell zu weiteren Erhöhungen kommen, um auch die schlimmsten Folgen für eine in die Zukunft verlagerte Altersarmut zu verhindern. In Ihrer Regierungsverantwortung, meine Damen und Herren von CDU und Leihstimmenpartei, ist die prekäre Beschäftigung rasant angestiegen. Der Staat und damit wir alle müssen die Aufstockerleistung dieser verfehlten Politik tragen. Ein gesetzlicher

Mindestlohn von 8,50 Euro wäre - das muss man wissen - für über 5 Millionen Menschen bereits eine deutliche Einkommensverbesserung.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch der Staat würde - mit geschätzten 7 Milliarden Euro - von einem Wegfall der Aufstockerleistungen profitieren. Darum ist der Mindestlohn gut für die Wirtschaft, gut für uns alle und insbesondere Balsam auf die Wunden der Betroffenen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wie gleichgültig muss man eigentlich sein, wenn man in den Medien täglich Berichte über ausbeuterische Dumpinglöhne in der Fleischbranche sieht und hört - unser Wirtschaftsminister hat oft genug darüber gesprochen - und trotzdem nichts unternimmt?

Wenn über 80 % der Beschäftigten im Dienstleistungssektor, z. B. im Friseurhandwerk, im Taxigeschäft, in der Gastronomie, in den Wäschereien, in der Pflege, im Kosmetikbereich oder im Wachdienst im Niedriglohnbereich sind, wenn immer weniger Abgrenzung zur Sittenwidrigkeit festgestellt wird und wenn diese Armutslöhne seit 2005 mit über 50 Milliarden Euro subventioniert worden sind, sind diese unhaltbaren Zustände doch Grund genug, etwas zu ändern. Wenn Sie das nicht ändern, müssen Sie sich wirklich die Frage stellen, ob Sie in diesem Parlament richtig am Platz sind.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wie gefühlskalt ist eine Politik, die mit allen Mitteln der Sprachakrobatik die Verantwortung auf die Tarifpartner abschieben will, obwohl gerade die vom Dumpinglohn betroffenen Branchen daran kranken, dass die Seite der Arbeitgeber gar nicht erst an den Verhandlungstisch kommt, um mit den Gewerkschaften zu verhandeln?

Die Leihstimmenpartei FDP ist strikt gegen einen gesetzlichen Mindestlohn. Als Begründung wird vorgeschoben, man wolle die Tarifautonomie schützen.

(Christian Grascha [FDP]: So ist es!)

Herr Kollege Schminke, ich darf Sie unterbrechen. Herr Kollege Bley möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Wir haben im Ausschuss noch genug Zeit zu diskutieren.

(Gabriela König [FDP]: Das ist Knei- fen!)