Aber bevor ich doch in die Sache einsteige: Lieber Kollege Schminke, eines ist mir jetzt ein Herzensbedürfnis.
Sie sind mir an sich ans Herz gewachsen, und Ihre klassenkämpferische Rhetorik hat mir in den letzten Wochen wirklich gefehlt.
Zur Versachlichung - um es noch einmal darzustellen -: In der Tat - ich denke, Herr Schremmer, das haben Sie eben schon richtig angedeutet - ist in den letzten Jahren eigentlich deutlich geworden,
dass auch wir, die CDU-Fraktion, für die Einführung eines Mindestlohnes sind - nenne man ihn Lohnuntergrenze oder wie auch immer. Da gibt es nichts zu deuteln.
Sie haben vollkommen recht: Es geht nicht an, dass Menschen hier zu menschenunwürdiger Bezahlung in Lohn und Brot gebracht werden. Das heißt, sie können nicht einmal ihr Brot davon bezahlen. Auch wir finden es nicht gut, dass dänische Schweine, bevor sie in Italien zu Parmaschinken verarbeitet werden, zu Hungerlöhnen in Niedersachsen zerlegt werden. Das ist nicht richtig. Das ist menschenunwürdig. Das ist eine Frage der Menschenwürde, nicht nur des Existenzminimums.
Ich hatte den Eindruck, dass wir in den letzten Jahren unsere Positionen schrittweise einander angenähert haben. Insbesondere im NovemberPlenum waren wir eigentlich schon so weit, dass wir zwischen CDU, SPD und Grünen gar nicht mehr über das Ob eines Mindestlohns, sondern mehr über das Wie eines Mindestlohns gesprochen haben. Ehrlich gesagt: Das, finde ich, ist in der Debatte eben viel zu kurz gekommen.
- Herr Schminke, ich habe eben von Bank zu Bank Ihrem Minister erklären müssen, warum wir vermutlich diesem Antrag in dieser Fassung nicht zustimmen können. Ich tue es auch gern für Sie: Inhalt dieses Antrags ist die Bundesratsinitiative in Drucksache 136/13. Die muss man sich durchlesen. Dann stellt man fest, dass diese Bundesratsinitiative offensichtlich auch deswegen gestartet worden ist, weil man dem Grundproblem begegnen wollte, das wir haben: dass wir keinen politischen Mindestlohn wollen, sondern einen von den Tarifparteien unter Achtung der Tarifautonomie festgelegten Mindestlohn, während Sie immer noch den politischen Mindestlohn wollen.
Herr Toepffer, ich glaube, es ist bekannt, dass auch ich für eine Lohnuntergrenze bin oder einen Mindestlohn.
Ich frage jetzt - vor dem Hintergrund, dass viele in der SPD Gewerkschaftler sind und Gewerkschaftler bekanntlich gerne Tarif- und Lohnverhandlungen führen wollen -: Gehe ich vielleicht recht in der Annahme, dass man das gar nicht vor der Bundestagswahl abschließen möchte? Sonst kann ich mir nicht erklären, dass die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses das Thema erst im Mai auf der Tagesordnung haben möchte.
Herr Kollege Bley, zunächst einmal ehrt es mich, dass Sie glauben, dass ich eine Frage beantworten kann, die Sie an Herrn Schminke richten wollten.
Ihr Problem ist offensichtlich, dass der Wirtschaftsausschuss vor Mai nicht tagen soll. Das finde auch ich nicht gut. Die Vorsitzende gehört aber nicht meiner Partei an. Deswegen müssten Sie diese Frage in der Tat an die SPD richten. Aber auch ich bin der Meinung, dass dieses Thema schnell beraten werden muss.
Nun zu der Bundesratsinitiative. Frau Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, hat erklärt, es gehe bei diesem Gesetzentwurf nicht um einen politisch festgesetzten Mindestlohn, sondern um eine Entscheidung einer neu einzurichtenden Kommission. Das heißt, sie hat versucht, unseren Einwand irgendwie entgegenzunehmen und zu sagen: Liebe Leute, in der Tat soll hier eine Kommission entscheiden.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Das teilen ganz viele hier im Plenarsaal!)
Dann muss man diese Drucksache in der Tat einmal zur Hand nehmen und gucken, was dort wirklich gewollt wird.
Formal geht es darum, dass eine Kommission den Mindestlohn festlegen soll. Das ist sicherlich richtig. Liest man die Drucksache aber, kommt man irgendwann zu § 4 Abs. 3, und da steht dann wieder geschrieben:
Da fragt man sich natürlich: Warum bitte schön wollen Sie eine Kommission einrichten, die den Mindestlohn festlegen soll, wenn Sie ihn dann doch wieder im Gesetz festschreiben? - Das muss mir jemand erklären.
Damals haben Sie als Abgeordneter gesagt: Na ja, die 8,50 Euro sind ein ungefährer Anhalt. Das ist ein Parameter; es kommen weitere Parameter dazu. - Sie nannten die Pfändungsfreigrenze, Sie nannten die Regelleistung, Sie nannten die Armutsschwelle.
Nun habe ich in diese Bundesratsdrucksache geguckt, um zu sehen, wie die mit diesen Parametern auf 8,50 Euro gekommen sind, wie die das ausgerechnet haben. Ich habe festgestellt, dass in der Einzelbegründung des Gesetzentwurfes steht:
„Diese untere Grenze hat das Ziel, vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein ihre Existenz sicherndes Einkommen zu gewährleisten und eine angemessene Teilhabe am soziokulturellen Leben zu ermöglichen.“
Wir kommen dann zur zweiten Frage: Warum wird überhaupt eine Zahl genannt, wenn doch die Kommission diesen Lohn festlegen soll?
Warum wurden die 8,50 Euro in den Entwurf geschrieben? Es ist doch die Kommission, Herr Schremmer, die das machen soll.