Protokoll der Sitzung vom 23.07.2014

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleichwohl haben die Beratungen im Ausschuss gezeigt - Herr Kollege Hiebing hat es ja eben angedeutet -, dass wir uns so uneinig dann aber doch nicht sind. Wir haben inzwischen sicher alle erkannt, dass es eine große Gebietsreform für Niedersachsen nicht geben wird. Dafür gibt es im Land keine Akzeptanz. Kommunalzuschnitte nach Schema F passen hier in Niedersachsen nicht. - An der Stelle sind wir uns wohl einig, und das ist hier zunächst einmal festzuhalten.

(Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: Es gibt keinen Applaus! - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Was wollt ihr denn?)

Auch die Überprüfung eines neuen Leitbildes, die Sie im Antrag fordern, berücksichtigt nicht wirklich, wie verschieden unser Land ist.

Die Lebensfähigkeit einer Kommune - das beinhaltet ja ein Leitbild - an der Größe und der Einwohnerzahl festzumachen, läuft aus meiner Sicht in die Irre. Wir haben kleine Kommunen z. B. im Westen des Landes, die sehr vital, sehr lebensfähig sind, und wir haben große Kommunen im Osten des Landes, die dies gerade nicht sind. Wir müssen auf

regionale Ansätze setzen, und hier müssen auch andere Faktoren wie der demografische Wandel und ähnliche Dinge berücksichtigt werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Was wollen Sie denn?)

Herr Präsident; meine Damen und Herren, damit ich nicht missverstanden werde: Natürlich sollen sich Kommunen weiterhin aus eigenem Antrieb Gedanken über die Zukunft ihrer Strukturen machen. Aber eben nicht von oben verordnet, nicht vom Ministerium und auch nicht vom Niedersächsischen Landtag. Es ist wichtig, dass sich die Kommunen gemeinsam auf den Weg machen. Das Land kann dabei nur beratend und helfend zur Seite stehen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Wie soll denn das Land helfen?)

Der Impuls muss von der Basis, von den Kommunen selbst ausgehen, und er muss - das ist ganz wichtig - in eine Richtung gehen.

Die Kakofonie - der Ausdruck ist parlamentarisch, das haben wir in der letzten Legislaturperiode geklärt -, die wir in den letzten Monaten gehört haben, dass alles, was rund um Braunschweig, den Harz und Wolfsburg ist - - -

(Jörg Hillmer [CDU]: Ja, von der SPD!)

- Nicht von der SPD. Sie können es im Ausschussprotokoll nachlesen! Das sind Äußerungen des ehemaligen Oberbürgermeisters Hoffmann aus Braunschweig, von Frank Klingebiel aus Salzgitter und von Herrn Junk aus Goslar, der gleich über die Ländergrenzen wollte. Da geht es munter durcheinander, wie auf dem Hochzeitsmarkt.

Vielleicht sollte man sich - das war ja auch das Petitum, das ich von Ihnen gehört habe - intern zusammensetzen, bevor jeder unilaterale Vorschläge in der Sache macht.

(Jörg Hillmer [CDU]: Das ist doch nur Ausdruck der Konzeptlosigkeit des Landes!)

Wir sollten aber auch keine Ratschläge geben.

Die Debatten, die wir dort gesehen haben, zeigen ganz deutlich, dass das Ganze keine Frage des Geldes ist. Es geht nicht in erster Linie darum, dass das Land die Kommunen finanziell unterstützt. Nein, Fusionen sind immer auch ein sehr emotionales Thema. Es geht um Identitäten, es

geht um Heimatgefühl, und es geht natürlich auch um handfeste Interessen. Und manchmal geht es schlicht um das persönliche Schicksal der betroffenen handelnden Personen. Das alles ist menschlich, das ist natürlich und macht die Sache auch nicht einfacher.

Vielleicht sollte man in die Richtung der Betroffenen rufen: Ein bisschen mehr Miteinander und ein bisschen weniger Gegeneinander, dann wird es vielleicht auch in diesem Bereich Lösungen geben! Verordnen können wir Fusionen auf jeden Fall nicht.

(Jörg Hillmer [CDU]: So etwas wollen wir auch nicht! - Unruhe)

Eine Sekunde, bitte! - Herr Kollege Schminke, wir beobachten Sie schon die ganze Zeit und haben auch großes Verständnis dafür, dass Sie mit Ihrer sehr charmanten Gesprächspartnerin ein nettes Gespräch führen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Aber wie ich Sie kenne, haben Sie auch andere Dinge dabei. Laden Sie sie doch draußen zum Kaffee ein, mit ein wenig Wurst dabei. - Vielen Dank.

Herr Krogmann, Sie haben das Wort.

Das ist die legendäre süd-niedersächsische Wurstdiplomatie.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für uns, für die rot-grüne Mehrheit des Hauses, aber ich denke, auch für Sie, hat die Situation in den Kommunen einen sehr hohen Stellenwert. Wir tun viel für die Kommunen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Was denn?)

Wir haben die Kommunalverfassung und das Kommunalwahlrecht angefasst, modernisiert und demokratisiert. Wir leisten massive Unterstützung beim Ausbau der Ganztagsschulen und beim Thema dritte Kraft in Kitas. Wir haben mit den Landesbeauftragten regionale Ansprechpartner geschaffen,

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Aber kein Konzept für die Zukunft!)

die bei den Leuten an der Basis als Gesprächspartner fungieren. Das ist etwas, was unseren

Kolleginnen und Kollegen in den Räten und in den Kreistagen wirklich hilft. Sie hingegen wollen mit dem Antrag ein gescheitertes Modell Ihrer abgewählten Regierung verlängern. Ihr Antrag liefert keinen neuen, keinen zielführenden Beitrag, und deshalb werden wir ihn hier und heute ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Krogmann. - Jetzt hat das Wort Jan-Christoph Oetjen, FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich dem Kollegen Jürgen Krogmann ein Kompliment machen. Herr Kollege, es gelingt nicht vielen Kollegen, acht Minuten lang zum Plenum zu sprechen, ohne irgendeine Aussage darüber zu treffen, wie die eigenen Konzepte aussehen. Dafür wirklich herzlichen Glückwunsch, Herr Krogmann!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dabei sind wir uns doch in der Analyse eigentlich einig. Wir wissen, dass es Handlungsbedarf auf kommunaler Ebene gibt. Dieser ist regional unterschiedlich ausgeprägt. Dafür haben wir in unserer Regierungszeit mit dem Zukunftsvertrag und der damit verbundenen Entschuldungshilfe ein Instrument geschaffen, das von sehr vielen Kommunen angenommen und umgesetzt wurde.

(Zustimmung von Ansgar-Bernhard Focke [CDU])

Der Zukunftsvertrag hat einzelnen Kommunen geholfen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen, und deswegen ist er auch ein Erfolg.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als wir das Programm aufgelegt haben, war nicht genau absehbar, wie viele Kommunen diesem Anreiz tatsächlich folgen werden. Deswegen ist es richtig, dass die Landesregierung jetzt entschieden hat, die Zukunftsverträge, bei denen der Antrag rechtzeitig eingegangen ist, noch abzuarbeiten und auszufinanzieren. Das ist aller Ehren wert und genau richtig; denn allen diesen Kommunen wird über dieses Instrument der Entschuldungshilfe geholfen, in Zukunft auf eigenen Beinen zu stehen. Und dass die Kommunen auf eigenen Beinen ste

hen können, ist doch das, was wir wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich gibt es noch Kommunen, die weiterhin auf Entscheidungen warten. Beispielsweise Cuxhaven. Es gibt andere Kommunen, die keinen Antrag auf Entschuldungshilfe gestellt haben. Sie warten derzeit darauf, dass von einer neuen Mehrheit hier im Landtag neue Konzepte entwickelt werden, wie die zukünftige Struktur aussehen kann. Solche Konzepte fehlen aber, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da hat der Kollege Hiebing völlig recht. „Fehlanzeige und Arbeitseinstellung“ ist die Feststellung, die wir hier treffen müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Kollege Krogmann hat gesagt, der SPD hätten bei dem Zukunftsvertrag und der Entschuldungshilfe die Strategie dahinter gefehlt. Deswegen fanden Sie dieses Instrument nicht gut. Aber wo ist denn Ihre Strategie, Herr Kollege Krogmann? Was wollen Sie denn? Wie ist Ihre Strategie für eine zukunftsgerichtete Neugestaltung der kommunalen Ebene in Niedersachsen?

Sie sagen, die sollten vor Ort reden. Ja, natürlich sollen die vor Ort reden. Die Initiative muss vor Ort entstehen. Aber wie wollen Sie als Land helfen, damit die Kommunen, die heute mit ihren Einnahmen nicht auskommen und sich eben nicht mehr selber helfen können, aus der Schuldenfalle herauskommen? Wie wollen Sie ihnen helfen? Sagen Sie das doch einmal!

Wollen Sie die Bedarfszuweisung erhöhen oder zwei Kategorien von Bedarfszuweisungen vorsehen, wie das in anderen Ländern gemacht wird? Wollen Sie die Verbundquote für den kommunalen Finanzausgleich erhöhen? Soll dort ein Sparkommissar eingesetzt werden? Soll eine Entschuldungshilfe im Einzelfall gewährt werden? Was wollen Sie? Sagen Sie uns doch bitte einmal, was Sie wollen. Das wären dann zumindest einmal Antworten, mit denen wir arbeiten könnten. Dann könnten die Kommunen auch sagen, ob sie das entsprechende Instrument gut oder schlecht finden. Sie bleiben aber jedwede Antwort hier in diesem Hause schuldig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist für eine Regierung viel zu wenig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen werden wir als FDP-Fraktion den Entschließungsantrag, der von der Union vorgelegt wurde, unterstützen. Wir glauben, dass die Entschuldungshilfe ein Instrument sein kann, mit dem wir weiteren Kommunen helfen können. Wir wissen, dass vor Ort der Bedarf da ist. Wir wissen, dass weitere Anträge, die noch hätten gestellt werden können, nicht mehr gestellt wurden. Weil die Frist abgelaufen ist, haben sie nicht mehr das Licht der Welt erblickt.

Herr Minister, darum bitte ich Sie noch einmal, uns zu sagen, was Sie denn wollen, wenn Sie keine Entschuldungshilfe wollen. Was wollen Sie? Geben Sie uns hier bitte heute eine klare Antwort.