Protokoll der Sitzung vom 23.07.2014

Herr Minister, darum bitte ich Sie noch einmal, uns zu sagen, was Sie denn wollen, wenn Sie keine Entschuldungshilfe wollen. Was wollen Sie? Geben Sie uns hier bitte heute eine klare Antwort.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Zu Wort hat sich jetzt der Kollege Belit Onay, Bündnis 90/Die Grünen, gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um hier einer gewissen Legendenbildung vorzubeugen, möchte ich einige Zahlen und Fakten zum Zukunftsvertrag nennen, die noch einmal deutlich machen, was der Zukunftsvertrag ist und was er eben nicht ist. Er ist eben kein Erfolgsmodell.

(Jörg Hillmer [CDU]: Fragen Sie doch mal die - - -)

- Hören Sie doch kurz zu! Ich fange doch gerade erst an.

Sehr geehrter Herr Hiebing, Sie haben richtig darauf hingewiesen, dass bis zum Fristende noch 35 Anmeldungen eingetrudelt sind. Das lag aber nicht daran, dass es ein Erfolgsmodell war, sondern daran, dass die heutige Opposition damals im Wahlkampf neben Kugelschreibern und Luftballons noch den Zukunftsvertrag mitgeschleppt hat und viele Kommunen dazu animiert hat, sich noch dafür zu bewerben. Das ist auch eingetreten, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Finanzierung war nicht durchkalkuliert. Das haben wir schon gehört. Bis 2029 war der Zukunftsvertrag angelegt.

Jetzt komme ich auch zu dem in Richtung der jetzigen Landesregierung erhobenen Vorwurf der Tatenlosigkeit. Die Landesregierung badet im

Grunde das aus, was ihr die alte Landesregierung eingebrockt hat, nämlich die durch diese Mehranträge entstandene Deckungslücke von knapp 788 Millionen Euro. Deshalb musste die jetzige Landesregierung aktiv werden. Das hat sie getan. Sie hat es um zwölf Jahre mit einer jährlichen Finanzierung von 35 Millionen Euro verlängert. Selbstverständlich hat sie das getan; denn sonst wäre dieser Zukunftsvertrag sogar noch vor 2029 - bis dahin war er nämlich nur kalkuliert - baden gegangen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Aber was ist jetzt, Herr Kollege?)

Damit beliefe sich die Entschuldungshilfe dann auf ein Gesamtvolumen von 2,52 Milliarden Euro.

(Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: Aber ein Alternativkonzept habt ihr nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, Sie haben den Zukunftsvertrag hier in einem Antrag unter dem Titel „Kommunalreformen“ genannt. Die Beratungen im Innenausschuss haben ganz deutlich gezeigt, dass es eben keine Reform gab.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es gab keine Gebietsreformen - oder lediglich ganz wenige. Nur 28 % haben zur Gebietsreform geführt, 72 % hingegen zu Eigenentschuldungen.

Das kann kein Zukunftsvertrag sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ein solcher Vertrag hat keine Zukunft und keine Nachhaltigkeit. Das sehen wir heute, müssen es aber bis 2041 ausbaden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die kommunalen Spitzenverbände haben außerdem auch noch einmal kritisiert, dass der Zukunftsvertrag nicht nur in Bezug auf die Nachwirkung, sondern auch von Anfang an falsch konzipiert war. Die Kritik in der Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände bezieht sich nämlich auf die Kriterien des Zukunftsvertrags. - Herr Schünemann, Sie schauen so skeptisch. In der Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände ist aber tatsächlich nachzulesen, dass die wirklich finanzschwachen Kommunen davon gar nicht profitieren konnten. Das wurde schon mehrfach gesagt und von der Opposition auch eingestanden. Nur ein sehr enger Kreis konnte davon profitieren.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Unsinn!)

- „Unsinn“ müssten Sie dann auch in Richtung der kommunalen Spitzenverbände sagen.

Als Letztes möchte ich noch eine Bemerkung in Richtung der CDU machen. Das habe ich gestern auch schon kurz erwähnt. Wir haben gestern festgestellt, dass wir alle kommunal sehr stark verbunden und geerdet sind. Das nehme ich der CDU auch ohne Weiteres ab. Wenn Sie von der CDU wirklich Gutes in Richtung der Kommunen tun möchten, dann sollten Sie auch Ihre Druckmittel und Ihre Möglichkeiten im Bund nutzen. Dort sind Sie von der CDU nämlich die Blockierenden, wenn es darum geht, den Kommunen etwas Gutes zu tun. Beispielsweise könnte man die Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer weiterentwickeln oder die Punkte umsetzen, die ich gestern schon erwähnt habe. Deshalb werden wir den Antrag auch ablehnen.

Ich bin am Ende meiner Redezeit. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Onay. - Es haben sich jetzt zwei Minister zu Wort gemeldet. Wir beginnen mit dem Innenminister. Herr Pistorius, Sie haben das Wort. Den Namen des zweiten Ministers verrate ich noch nicht. Es soll ja eine Überraschung sein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Christian Dürr [FDP]: Alle Hoffnungen ruhen auf Ihnen, Herr Pistorius!)

- Das weiß ich. Das bin ich gewohnt.

Ich habe Ihren Entschließungsantrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.

Um es aber gleich vorweg zu sagen: Es wird Sie nicht überraschen, dass es mich nicht überrascht, dass die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ihm in den Ausschussberatungen nicht zugestimmt haben. Es gibt zwar durchaus einige Gemeinsamkeiten, mit denen Sie bei uns offene Türen einrennen. Aber vieles führt leider - erwartungsgemäß, füge ich hinzu - in die Irre.

Die Landesregierung steht den Kommunen, die sich verändern wollen - das gilt unverändert -, selbstverständlich beratend und unterstützend, für

mögliche Gespräche auch moderierend und darüber hinaus zur Seite, wenn dies gewünscht wird.

Die Voraussetzung dafür ist aber immer - das ist mehrfach gesagt worden; ich hoffe, dass das nicht nur ein Lippenbekenntnis war -, dass die Kommunen sich untereinander einig sind und dass auch alle verfassungsrechtlichen Vorgaben eingehalten werden, die nun einmal nicht beliebig sind.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Landesregierung ist hier - das können Sie mir glauben - schon von Anfang an mit vollem Einsatz aktiv. Das ist konkret nachweisbar.

Seit März letzten Jahres wurden bereits fünf Gemeinde- bzw. Samtgemeindefusionen vorbereitet und vollzogen, die ins Stocken geraten waren. Zwei weitere Gemeindefusionen und eine Landkreisfusion, nämlich zwischen Göttingen und Osterode am Harz, wurden erst unter unserer Federführung auf den Weg gebracht und zu Ende geführt.

(Zuruf von Jan-Christoph Oetjen [FDP])

- Darauf komme ich gleich, Herr Oetjen.

Wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU-Fraktion, von dieser Landesregierung nun Vorgaben für weitere Kommunalfusionen fordern, möchte ich gerne - ich bin ein hilfreicher Mensch - Ihr Erinnerungsvermögen auffrischen.

Sie haben es zusammen mit der von Ihnen gestellten früheren Landesregierung noch in der letzten Legislaturperiode selbst beständig und immer wieder abgelehnt, den Kommunen insoweit Vorschriften zu machen. Eine Gebietsreform von oben unter Schwarz-Gelb über zehn Jahre: Fehlanzeige!

Lassen Sie uns, um den Konsens zu betonen, an dieser Stelle doch einfach zusammenbleiben! Der Diskussions- und Klärungsprozess, ob und mit welchem Partner ein Zusammenschluss zweckmäßig sein könnte, findet nun einmal am besten vor Ort statt. Die dabei anfallende Erkenntnis, dass diese Klärungsprozesse nicht immer einfach sind und auch einmal mit Enttäuschung enden können, ist übrigens nicht neu, wie Sie wissen.

Ich will abschließend noch auf die fast schon gebetsmühlenartig wiederholte Forderung nach einer Neuauflage des Zukunftsvertrages eingehen.

Der gesetzliche Rahmen dieses Zukunftsvertrages stammt von Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP. Dieser gesetzliche Rahmen hat

dazu geführt, dass es Kommunen gibt, denen es richtig schlecht geht und die, weil es ihnen zu schlecht geht, nicht in den Genuss eines Zukunftsvertrages kommen können. Und wir haben Kommunen, die einen Antrag auf den Weg gebracht haben und in der Folgezeit - weil sich ihre Situation aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung deutlich oder leicht verbessert hat - plötzlich nicht mehr alle Voraussetzung erfüllen, was die Haushaltssituation angeht, weshalb sie keinen Zukunftsvertrag abschließen konnten.

Meine Damen und Herren, der Zukunftsvertrag mag gut gemeint sein - das will ich Ihnen gerne zugestehen -, und er hat auch vielen Kommunen - gerade kleineren - geholfen, sich von Schulden zu befreien. Aber zur Wahrheit gehört auch: Eine Gebietsveränderungswelle, wie Sie uns glauben machen wollen, hat es deswegen nicht gegeben. Die Mittel - das waren nicht nur Landesmittel; zur Hälfte waren es kommunale Mittel - sind ganz überwiegend in eine Eigenentschuldung geflossen, ohne Vorsorge für die zukünftige Entwicklung dieser Kommunen zu treffen.

Das ist fehlerhaft, weil auch die Verträge, meine Damen und Herren, die dem zugrunde gelegt worden sind, im Zweifel weit in die kommunale Selbstverwaltung eingegriffen haben, was die Beschneidung freiwilliger Leistungen angeht, womit wiederum die Entwicklungsperspektiven dieser Kommunen beschnitten worden sind.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, der Rahmen stammt von Ihnen, und es ist deswegen eine durchaus offene Frage, ob sich die Zukunftsverträge mit ihren Entschuldungshilfen alles in allem tatsächlich bewährt haben sollten. Ich sehe das nicht. Das sehen im Übrigen auch zahlreiche kommunale Vertreter so.

(Zurufe von der CDU: Besser ma- chen!)

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung hat dennoch gleich zu Beginn ihrer Amtszeit - es ist bereits genannt worden - in einem großen Kraftakt zusammen mit den Kommunen und den Spitzenverbänden noch einmal 788 Millionen Euro aus den bekannten Gründen für die Entschuldungshilfen bereitgestellt. Das war richtig und notwendig, leichtgefallen ist es uns aber nicht. Aber diese Landesregierung steht zur Verlässlichkeit gegenüber den Kommunen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage nach einer grundsätzlichen Neuauflage des

Zukunftsvertrages stellt sich definitiv derzeit überhaupt nicht. Ich kann nur vor Schnellschüssen warnen, wie Sie sie mit Ihrem Antrag offenbar bezwecken.