Protokoll der Sitzung vom 24.07.2014

Wir kommen daher zur Abstimmung über den gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 17/1793.

Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen.

(Björn Thümler [CDU]: Gegenstim- men!)

- Gegenstimmen?

(Heiterkeit)

- Jetzt habe ich es gelernt.

Das Erste war die Mehrheit. Dem Änderungsantrag wurde nicht gefolgt.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Nein, nein, ihm wurde nicht gefolgt! - Heiterkeit)

- Dem Änderungsantrag wurde gefolgt. Damit wurde der Antrag in der Fassung des Änderungsantrags angenommen. So ist es richtig! Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Damit sind wir am Ende des Punktes 29.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 30: Abschließende Beratung: Visitenkarte unserer Kommunen: Willkommenskultur fängt in den Ausländerbehörden an - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/1219 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 17/1734

Zu Wort gemeldet hat sich für die SPD die Kollegin Immacolata Glosemeyer. Sie haben das Wort, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen unseren zukünftigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern das Gefühl des Willkommenseins geben. Jeder und jede ist bei uns willkommen. Jeder und jede bringt Potenziale, Ressourcen, ethische und kulturelle Vielfalt mit, die wir nutzen müssen. Wir wollen den zugewanderten Menschen die vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben in Deutschland ermöglichen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Angst und Vorbehalte gegenüber deutscher Bürokratie sind oft hoch.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Andretta übernimmt den Vorsitz)

Das betrifft nicht nur die Zuwanderer. In meiner früheren Beratungstätigkeit habe ich häufig gedacht: Was würdest du tun, wenn du fremd wärst, dich nicht in der Bürokratie des Landes auskennen würdest? - Seien wir doch einmal ehrlich, auch der eine oder andere von Ihnen - - -

(Unruhe)

Moment, bitte, Frau Kollegin! - Darf ich Sie bitten, die Beratungen, die Sprechstunden an der Regierungsbank einzustellen, auch ansonsten Platz zu nehmen oder den Saal zu verlassen! - Vielen Dank.

Bitte, Frau Kollegin!

Danke. - In meiner früheren Beratungstätigkeit habe ich häufig gedacht: Was würdest du tun, wenn du fremd wärst, dich nicht in der Bürokratie des Landes auskennen würdest? - Seien wir doch einmal ehrlich, auch der eine oder andere von uns versteht nur Bahnhof, wenn er ein behördliches Formular ausfüllen muss. Ich sage nur „Baubehörde“ oder „Ordnungsamt“. Ganz tolle Dinge muss man dort beantworten!

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Steu- erbescheid!)

- Steuerbescheid, genau Herr Kollege.

Mit unserem Pilotprojekt wollen wir die Ausländerbehörden als erste Anlaufstelle für Zuwanderer fit

für die Zukunft machen. Unsere kommunalen Ausländerbehörden sollen auf ihrem Weg zur Willkommensbehörde so unterstützt werden, dass sich eine Anerkennungskultur entwickeln kann. Den Meldestellen oder auch Ausländerbehörden kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu. Sie gelten als Visitenkarte des Landes für Menschen aus anderen Ländern, die sich bei uns neu orientieren wollen.

Um die Attraktivität Niedersachsens im Rahmen des demografischen Wandels als Einwanderungsland für qualifizierte Kräfte zu erhöhen, brauchen wir Alleinstellungsmerkmale, welche bereits beim Erstkontakt im neuen Land sichtbar sein müssen. Im Wettbewerb um die besten Köpfe muss sich unser Land als attraktiver Arbeits- und Lebensstandort für Fachkräfte profilieren. Das Motto lautet: Aufnahme statt Abschreckung. Das sollte nicht nur für bürokratische Hürden gelten. Unsere Behörden haben hier Vorbildcharakter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Integrationslotsen sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Willkommensbehörden bei der Stärkung der Serviceorientierung und interkulturellen Ausrichtung beraten und begleiten. Damit werden viele wichtige Akteure vor Ort die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden durch ihr Know-how unterstützen. Hier sind wir schon gut aufgestellt. Die Ausländerbehörden werden unter der wissenschaftlichen Begleitung einerseits als Ordnungsbehörde, andererseits aber auch als Eingliederungsagentur aktiv. Hier sollen sich staatliche Herausforderungen und eine Willkommenskultur verbinden. Die ersten positiven Erfahrungen aus anderen Bundesländern liegen hier schon vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich natürlich besonders als Wolfsburgerin, dass die Wolfsburger Ausländerbehörde eine der neun Behörden ist, die den Zuschlag für das anderthalbjährige Projekt bekommen hat.

Ich freue mich, dass der Ausschuss für Inneres und Sport einen Kompromiss erarbeiten konnte, sodass damit gerechnet wird, dass ein einstimmiger Beschluss zustande kommt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, helfen Sie mit, in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik gemeinsam neue Wege zu gehen!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Oetjen das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns ja im Ausschuss intensiv über das Programm unterrichten lassen, das federführend vom MS in Zusammenarbeit mit dem MI auf den Weg gebracht wurde.

Wir waren - um es vorsichtig auszudrücken - ein bisschen verwundert, dass dieser Entschließungsantrag von Rot und Grün in den Landtag eingebracht wurde, als das Projekt schon auf dem Weg war. Aber man kann ja gute Dinge auch begleiten. Von daher ist das auch in Ordnung. Wir haben uns auch - „dazu durchgerungen“ ist fast übertrieben - darauf verständigt, hier einen gemeinsamen Entschließungsantrag einzubringen.

Neun Kommunen sind an diesem Modellprojekt beteiligt. Es gab übrigens zu meiner Überraschung - ich hätte nicht damit gerechnet - sogar deutlich mehr Bewerbungen für dieses Modellprojekt. Das zeigt zumindest aus meiner Sicht, dass die Kommunen vor Ort und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen und in den Ausländerbehörden schon heute auf dem Weg sind, sich für neue Optionen und neue Gedanken offen zu zeigen. Ich glaube, dass dieses Modellprojekt insgesamt dazu führen kann, dass die Willkommenskultur noch mehr Platz greift, als es heute schon der Fall ist.

Ich hoffe, dass es nach Ablauf des Projekts nicht so ist, dass alles eingestellt wird und die Kommunen das weitermachen müssen, ohne dass ihnen dafür die Kosten erstattet werden. Aber das diskutieren wir dann, wenn das Modellprojekt abgeschlossen ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Polat. Bitte!

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschließen heute einen sehr wichtigen Antrag, weil, wie wir alle wissen, Niedersachsen nicht nur ein weltof

fenes Land ist, sondern sich auch im internationalen Wettbewerb bewähren muss. Die aktuelle Broschüre des Wirtschaftsministers zeigt, dass wir einen großen Anteil an Außenwirtschaftsförderung haben und diesen Bereich unterstützen. Wir haben viele international agierende Unternehmen, Konzerne und auch kleine und mittelständische Betriebe im internationalen Dienstleistungsverkehr, aber auch viele Fachkräfte, die zwischen den Ländern wandern und sich teilweise auch hier niederlassen.

Morgen beraten wir eine Mündliche Anfrage zur Fachkräfteinitiative. Auch da ist es ein wichtiger Schwerpunkt, zu schauen, dass wir Fachkräfte nach Niedersachsen bekommen. Und für Fachkräfte, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eines ganz entscheidend - das haben uns die klassischen Einwanderungsländer Kanada und USA vorgelebt -: Sie kommen nicht als Arbeitskräfte oder als Fachkräfte, sondern sie kommen nur, wenn sie ihre Familien mitnehmen können. Dann ist es ganz entscheidend, dass man Zuwanderinnen und Zuwanderern, die dann zu Einwanderinnen und Einwanderern werden, als Familie, als Gesamtpaket sehen muss.

An diesem Punkt kommt der Ausländerbehörde eine ganz entscheidende Bedeutung zu, wie es die Kollegin Frau Glosemeyer gesagt hat. Die Ausländerbehörde ist die Visitenkarte der Kommune, das Aushängeschild für ein Einwanderungsland. Ob es Studierende sind, die aus dem Ausland kommen, ob es der Arzt aus Indien ist oder ob es der Werksvertragsarbeiter oder der Saisonarbeiter bzw. die Saisonarbeiterin ist: Für alle ist die Ausländerbehörde die Erstanlaufstelle.

Von daher wollen wir, dass die Anerkennungs- und Willkommenskultur nicht ein Lippenbekenntnis bleibt, sondern wir wollen sie wirklich praktisch umsetzen und deswegen dieses Pilotprojekt begleiten und weitere Ausländerbehörden motivieren, auch von alleine diesen Weg zu gehen wie die Region Hannover. Das ist durchaus legitim, Herr Kollege Oetjen. Ich weiß nicht, ob sich der Landkreis Rotenburg beworben hat. Es ist aber ein Anstoß, eine Anregung dieser Landesregierung. Die Kommunen können sich selbstständig auf den Weg machen, sich zur serviceorientierten interkulturellen Behörde zu öffnen. Wir geben dafür hier den Startschuss.

Vielen Dank für die Unterstützung des Antrages!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Polat. - Für die CDUFraktion hat nun Herr Kollege Focke das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat freuen wir uns, dass wir nun die Beschlussempfehlung, dem Änderungsvorschlag entsprechend, den wir im Innenausschuss diskutiert haben, gemeinsam auf den Weg bringen.

Ich möchte mich dem Kollegen Oetjen anschließen, der noch einmal darauf hingewiesen hat, dass es immer ein bisschen komisch ist, wenn man im Landtag Anträge zu Projekten stellt, die bereits auf dem Weg sind. Im letzten Plenum, in dem wir den Antrag beraten haben, habe ich, weil ja nicht ganz klar war, was hinter diesem Projekt steckt, darauf hingewiesen, dass manche Formulierung vielleicht nicht ganz günstig gewählt ist. Schließlich könnte man vermuten, dass die Ausländerbehörden eine Ausladementalität hätten.

Deswegen war es gut und richtig, dass wir im Innenausschuss darüber informiert wurden. Hierzu ein kleiner Hinweis - das haben wir aber auch schon im Ausschuss geklärt -: Wir hätten uns gewünscht, dass der Innenausschuss auch als Erstes informiert worden wäre. Einige Mitglieder des Innenausschusses wurden nämlich auf anderen Veranstaltungen auf dieses Projekt angesprochen, als sie selber noch nicht von der Landesregierung entsprechend informiert worden waren.