Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 48. Sitzung im 18. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 17. Wahlperiode. Gemeinsam mit den Schriftführerinnen wünsche ich Ihnen einen guten Morgen!
Das Plenum ist schon sehr gut besetzt. Wir können bereits die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.
Liebe Kollegen, ich übermittle Ihnen im Namen des Hauses die allerbesten Glückwünsche. Gesundheit und Wohlergehen gehören allemal dazu. Das wünschen wir mindestens für das nächste Lebensjahr.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich eine Bitte. Gestern hat sich im Gegensatz zu der Plenarsitzung im Monat davor gezeigt, dass es manchmal Situationen gibt, in denen man sich in der einen oder anderen Ecke sammelt, um irgendwelche Dinge zu besprechen oder sogar um Fotos zu schießen. Das ist nicht glücklich. Das stört manchmal die Abläufe. Ich wäre dankbar, wenn man sich insoweit zurückhält. Ich habe zwar, was das Schießen von Fotos angeht, auch gesündigt, aber insbesondere dies ist nicht sonderlich glücklich. Bitte gehen Sie dafür nach draußen, weil das für unsere Abläufe günstiger ist.
Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 18, Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für den heutigen Tagungsabschnitt haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Finanzminister Peter-Jürgen
Schneider, von der Fraktion der CDU Herr Lothar Koch, von der Fraktion der SPD Herr Hans-Dieter Haase und von der Fraktion der FDP Frau Almuth von Below-Neufeldt.
Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor. Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich als allgemein bekannt voraus. Ich weise wie üblich besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.
a) Gefährdet der „Südniedersachsenplan“ von Ministerpräsident Weil eine Auszahlung der 2 Millionen Euro EU-Fördermittel? - Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 17/2196
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gefährdet der Südniedersachsenplan von Ministerpräsident Weil eine Auszahlung der
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung, Ausgabe vom 18. Oktober 2014, berichtet von erheblichem Druck auf die rot-grüne Landesregierung vonseiten der EU-Kommission. Laut Berichterstattung liegen der Landesregierung seit mehreren Wochen über 240 Nachfragen zu dem am 14. Juli 2014 einge
reichten „Multifondsprogramm“ („OP“ für EFRE und ESF) vor. Die EU-Kommission drückt an vielen Stellen ihr Unverständnis zu den eingereichten Unterlagen und zur eigentlichen Wahl eines „Multifondsprogramms“ aus. Die Mitarbeiter der EUKommission sind laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung „von dem Wortgeklingel geradezu genervt“. Die „Innovationsstrategie“ der Staatskanzlei setzt sich demnach aus Spezialisierungsfeldern, Leitbildern, Kompetenzfeldern, horizontalen Strategiefeldern und Teilstrategien zusammen, sodass die EU-Kommission nicht mehr versteht, was die Landesregierung mit der Förderung bezweckt, und daher an vielen Stellen um eine Konkretisierung in den kommenden 14 Tagen bittet.
Noch im Mai-Plenum führte Ministerpräsident Weil zur Mündlichen Anfrage „Kann die Landesregierung den Countdown zur Abgabe ihres Multifondsprogramms (EFRE + ESF) trotz ‚Raubernennung’ und personellen Wechsels bis zum 25. Mai einhalten?“ Folgendes aus:
„Den Entwurf des Multifondsprogramms EFRE/ESF haben wir bereits frühzeitig Ende April in Brüssel vorgelegt, um den Bewilligungsprozess zu beschleunigen, d. h. er liegt dort vor. EU-Kommission und Landesregierung haben sich auf dieses Verfahren verständigt, um die formelle Bewilligung des Programms noch in diesem Jahr zu erreichen. Die EU-Kommission hat uns in den Anfang dieser Woche in Brüssel geführten Gesprächen bestätigt, dass das machbar ist. Absprachegemäß erwarten wir jetzt die abschließenden Hinweise aus Brüssel, wir werden diese einarbeiten und nach der Kabinettsbefassung das Operationelle Programm bei der Europäischen Kommission einbringen. Dieses Verfahren dient der Beschleunigung und dürfte - nach Absprache mit der EU - im Juni abgeschlossen sein.“
1. Zu welchen Bereichen des sogenannten Multifondsprogramms (Spezialisierungsfeldern, Leitbil- dern, Kompetenzfeldern, horizontalen Strategiefel- dern und Teilstrategien) hat die EU-Kommission um eine Konkretisierung gebeten?
2. Mit Bezug auf die Homepage der Staatskanzlei - Stand: 20. Oktober 2014, 11 Uhr - und die vorliegenden 240 Nachfragen der EU-Kommission: Was meint die Staatskanzlei, wenn sie unter „Partnerschaftsvereinbarung und Operationelles Pro
gramm“ schreibt, dass „die Schwerpunkte mit der EU-Kommission abgestimmt“ sind, „die Annahme des Multifondsprogramms durch die Europäische Kommission“ noch in diesem Jahr erfolgt und das Multifondsprogramm im Rahmen des Genehmigungsverfahrens fortentwickelt wird?
3. Mit Bezug auf die Ausführungen von Ministerpräsident Weil am 16. Mai 2014 im Landtag (36. Plenarsitzung, Protokoll Seite 3303): Um wie viele Monate wird sich der Start der EU-Förderung für Niedersachsen durch den Sonderweg der Wahl eines „Multifondsprogramms“ für die ESF- und EFRE-Strukturförderung im Verhältnis zu den anderen Bundesländern noch verspäten?
Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Für die Landesregierung möchte der Herr Ministerpräsident antworten. Herr Weil, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits gestern habe ich an dieser Stelle in der Aktuellen Stunde das Multifondsprogramm EFRE/ ESF und das laufende Genehmigungsverfahren bei der Kommission erläutert. Dargelegt habe ich auch den von uns dabei verfolgten Regionalisierungsansatz, wie er sich z. B. in dem von der Landesregierung initiierten Südniedersachsenpro
gramm ausdrückt. Diese Politik ist notwendig, um den Zusammenhalt in Niedersachsen zu stärken und wichtigen Teilen unseres Landes wieder eine Zukunftsperspektive zu geben.
Ich habe Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Oppositionsfraktionen, auch dargelegt, dass Sie einem Bären aufgesessen sind. Niemand kann heute Morgen noch ernsthaft glauben, dass das Südniedersachsenprogramm die Genehmigung des Multifondsprogramms EFRE/ ESF gefährdet.
Die Europäische Kommission unterstützt diesen Ansatz und hat lediglich um weitergehende Konkretisierung gebeten. Wohlgemerkt: Der Punkt „Südniedersachsen“ ist einer von 241 Punkten. Lassen Sie uns also zur Sache kommen!
Das Multifondsprogramm EFRE/ESF ist zudem in einem engen Zusammenhang mit der Neuausrichtung der regionalisierten Landespolitik aufgestellt worden. Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Förderung an regionalen Bedarfen auszurichten. Deswegen hat die Landesregierung in die Regionen geschaut und Förderschwerpunkte sowie spezifische Handlungsfelder festgelegt, die sich in unserem Förderangebot und unserem Programmentwurf widerspiegeln. Dabei haben wir insbesondere auch auf Regionen mit besonderen Problemlagen und Herausforderungen Rücksicht genommen. Dazu zählt auch, dass solche Regionen, die in der Vergangenheit nur in relativ geringem Maße von der Förderung profitieren konnten, in die Lage versetzt werden sollen, dies zukünftig vermehrt zu tun.
Dieser neue Politikansatz entspricht 1 : 1 der europäischen Strategie „Europa 2020“; denn auch die EU fordert, dass die Mittel aus den Förderfonds zielgerichtet für die Entwicklung seiner unterschiedlich entwickelten Regionen sowie konzentriert auf die dortigen Problemlagen eingesetzt werden, um den Zusammenhalt zu stärken.
Zum Verfahren: Mit dem Multifondsprogramm EFRE/ESF befinden wir uns in einem geordneten Genehmigungsverfahren, in dem wir mit der Kommission vertrauensvoll zusammenarbeiten. Wir liegen dabei im Soll. Ich liefere Ihnen an dieser Stelle gern noch einmal die Eckdaten, die das verdeutlichen.
Das Multifondsprogramm EFRE/ESF wurde planmäßig Ende Juni durch die Landesregierung offiziell bei der EU-Kommission eingereicht. Insoweit sind meine Ausführungen im Mai-Plenum - die Sie dankenswerterweise zitiert haben, Herr Kollege Bode - zutreffend.
Die EU-Kommission hat in der Folge den Entwurf für das Operationelle Programm eingehend geprüft. Am 18. September sind der Landesregierung die offiziellen Stellungnahmen der Kommission zugegangen. Die von Ihnen zitierte Anzahl von Anmerkungen ist weder quantitativ noch qualitativ im Vergleich zu anderen Bundesländern außergewöhnlich. Im Übrigen ist die Anzahl von Anmerkungen auch kein Gradmesser für die Qualität des Programms.
(Ulf Thiele [CDU]: Das müssen Sie jetzt ja sagen! - Gegenruf von Johan- ne Modder [SPD]: Sie sollten die An- merkungen einmal lesen!)
Diese Anmerkungen werden seither durch die Landesregierung abgearbeitet. Wir stehen dabei in einem sehr engen Kontakt mit der Kommission. Heute und morgen sind unsere Fachleute erneut in Brüssel, um mit der Kommission den eingeschlagenen Weg und die aufgerufenen Punkte zu besprechen. Sämtliche 241 Anmerkungen werden dann auf der Grundlage der heute und morgen gefundenen Ergebnisse bis zum 7. November abgearbeitet sein. Wir gehen auf dieser Grundlage unverändert davon aus, dass eine finale Genehmigung des Programms bis Ende des Jahres erfolgen wird, sodass mit einer Förderung Anfang 2015 begonnen werden kann.
Zur ersten Frage: Zunächst einmal muss klargestellt werden, dass das Multifondsprogramm nicht aus Spezialisierungsfeldern, Kompetenzfeldern, horizontalen Strategiefeldern und Teilstrategien besteht. Diese Begrifflichkeiten, auf die die Dringliche Anfrage Bezug nimmt, entstammen der RIS3Strategie des Landes, also einer Vorstufe in diesem Verfahren. Die Anmerkungen der EU-Kommission beziehen sich hingegen auf unseren Entwurf des Operationellen Programms, die dort aufgerufenen Detailfragen der Strategie und die einzelnen Prioritätsachsen des Multifondsprogramms. Sie zeigen punktuelle Änderungswünsche auf und wenden sich nicht gegen den mit dem Multifondsprogramm verfolgten Förderansatz.
Zur zweiten Frage: Die Aufstellung eines Operationellen Programms ist ein sehr facettenreicher und komplexer Prozess, in dem viele Formalien zu beachten sind. Daher sind auch umfangreiche Abstimmungen sowohl landesintern als auch zwischen dem Land und der Kommission vorzunehmen. Das gesamte Programmaufstellungsverfahren wurde daher durch eine Reihe von Gesprächen zwischen dem Land und der Kommission schon vor der offiziellen Programmeinreichung vorbereitet. Selbstverständlich sind auch und gerade Schwerpunkte des Programms Gegenstand dieser Abstimmung. Auf diese Abstimmung der Schwerpunkte und der Verfahrensschritte nimmt die von Ihnen zitierte Internetseite Bezug. Ohne diese Abstimmung würde sich das formelle Genehmigungsverfahren erfahrungsgemäß erheblich verlängern.