Danke, Herr Dr. Pantazis. - Jetzt hat sich Björn Thümler, der Vorsitzende der CDU-Fraktion, gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im Rahmen der Regierungserklärung auch dieses Thema bereits ausführlich beleuchtet. Deswegen will ich das alles nicht noch einmal zusammenfassen - auch wenn man gelegentlich etwas öfter wiederholen muss, damit klar wird, was eigentlich gemeint ist.
Zur Frage der Zuwanderung gibt es in diesem Hause - bei unterschiedlichen Positionen - Ansätze, mit denen man arbeiten kann. Deswegen haben wir als CDU-Landtagsfraktion gesagt: Wir wollen mit einem schriftlichen Konzept kommen. Denn darüber kann man sich besser unterhalten als über Dinge, die man hier am Rednerpult mündlich in die Welt setzt.
Die FDP hat Ähnliches bereits getan. Auch da gibt es klare Vorstellungen von einem Zuwanderungsgesetz - oder wie auch immer man es nennen möchte.
Eines allerdings, meine Damen und Herren, muss klar sein: Zuwanderung ist an Kriterien gebunden. Zuwanderung muss sich an Kriterien orientieren. Genau das wird wahrscheinlich das Problem oder die Herausforderung im Detail sein.
Diese Kriterien können aus Modellen anderer Staaten abgeleitet werden: Österreich, Niederlande, Belgien, Dänemark; auch Kanada ist bereits genannt worden. Man muss schauen, wer zu uns passt und wen wir - Herr Dürr hat es gesagt - beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt wirklich brauchen. Darum geht es: um eine gezielte Zuwanderung und eben nicht um eine zufällige Zuwanderung, wie wir sie bisher erleben. Das heißt, es geht
Nun zu den Bürgerkriegsflüchtlingen. Ich erinnere an die Kosovo-Albaner. Damals sind wir davon ausgegangen: Die kommen hierher, erholen sich sozusagen von den Erlebnissen in der Bürgerkriegsauseinandersetzung auf dem Balkan, und gehen dann alle wieder zurück. Aber diese Annahme war falsch, wie wir heute wissen. Wer seine Heimat verlässt und hierherkommt, der muss schon sehr gewichtige Gründe dafür haben.
Aus meiner Sicht kann man das Thema Bürgerkriegsflüchtlinge am besten mit dem vergleichen, was die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg mit Flucht und Vertreibung erlebt haben. Damals hat man sehr viele und sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass man die Menschen, die hierherkamen, so angenommen hat, wie sie waren. Dazu bedarf es heute medizinischer und sozialpsychologischer Hilfen in den zentralen Aufnahmestellen, also im Vorfeld. Und vor allen Dingen bedarf es der Vermittlung von Sprachkenntnissen. Das ist das A und O.
Ich habe vor Kurzem bei einer Diskussion mit der Härtefallkommission gehört, dass sich die Sprache am Besten im sozialen Kontakt im Dorf erlernen lasse. Aber das, meine Damen und Herren, funktioniert nicht. Ich habe es vorhin schon ausgeführt: Die Grundlagen müssen wir in den zentralen Aufnahmestellen legen.
Deswegen bleibt unsere Forderung: Da die jetzt vorhandenen Kapazitäten vermutlich nicht ausreichen, um dem Ansturm, der uns dieses Jahr bevorstehen kann - - -
- In Anführungszeichen! Bitte legen Sie doch nicht gleich wieder alles auf die Goldwaage, Frau Polat.
Viele Bürgerkriegsflüchtlinge wollen zu uns kommen. Das heißt: Wenn wir wirklich ein Interesse daran haben, uns mit ihnen auseinanderzusetzen - und dieses Interesse haben wir sicherlich alle -, dann müssen wir ihnen auch die Chance geben, sich ihrerseits mit uns auseinanderzusetzen. Das geht nur über Sprache, und deswegen ist die Sprachvermittlung das A und O einer jeden Integrationspolitik.
Letzte Bemerkung. Wir sind, wie gesagt, dabei, ein Konzept zum Thema Einwanderung und Zuwanderung zu entwickeln. Dabei wollen wir die Vorstellungen, die es beim Bund und bei den Ländern schon gibt, in einem Integrationsgesetz zusammenführen. Wir wollen deutlich machen, dass wir als Staat gewillt sind, Verantwortung zu übernehmen, dass wir gewillt sind, diese Menschen anzunehmen, ihnen hier eine Heimat zu geben - so sie es denn wollen - und sie auch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, und zwar so, wie unsere Bedürfnisse es verlangen und wie es die Wirtschaft fordert. Dies muss in einem Gesamtkonzept stimmig gemacht werden.
Ich bin überzeugt, dass wir darüber auch Einvernehmen erzielen können. Bezüglich der Detailfragen wird es Herausforderungen geben, aber im Großen und Ganzen stellen wir Einigkeit fest.
Vielen Dank, Herr Thümler. - Zu Wort gemeldet hat sich Filiz Polat, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Frau Polat!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Thümler, ich will gar nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Aber Sie wissen doch, dass wir gerade in dieser angespannten Situation sehr sensibel mit der Sprache umgehen müssen. „Sturm“ und „Welle“ haben immer etwas Bedrohliches an sich. Aber wir sprechen hier doch von Menschen.
(Christian Dürr [FDP]: Deswegen müssen wir auch in Sprache investie- ren! 500 000 Euro werden nicht aus- reichen!)
Herr Dürr, ich muss mich schon wundern. Sie haben zwar regelmäßig Aktuelle Stunden zu Ihrem Lieblingsthema angemeldet - ich habe das einmal im Landtagsdokumentationssystem nachge
schaut -, aber passiert ist leider nichts. 2010 haben Sie eine Aktuelle Stunde zum Thema Fachkräftesicherung angemeldet, und ein halbes Jahr später, 2011, haben Sie einen Antrag zum Thema demografischer Wandel, Fachkräftesicherung und Zuwanderung eingebracht. - Wir haben in dieser Zeit
Anträge eingebracht, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene; Herr Dr. Pantazis hat dies angesprochen. Rot-Grün hat die Vorstellungen der Süssmuth-Kommission in ein Gesetz einfließen lassen. Aber Ihre Bundesregierung hat seitdem nichts gemacht.
Meine Damen und Herren, schon vor einigen Jahren haben wir davon gesprochen, dass wir in Niedersachsen, aber auch in Deutschland insgesamt mehr Auswanderung als Einwanderung haben. Viele Menschen - Stichwort Arbeits- und Fachkräftemigration - sehen ihre berufliche Zukunft nicht in Deutschland, sondern eher im Ausland. Der Trend „Goodbye Deutschland!“ hält an; denn gerade für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger gestaltet sich eine Einreise nach Deutschland als sehr schwierig. Wenn überhaupt noch eingereist wird, möchte man natürlich die Familienangehörigen nachziehen lassen. Dass das möglich ist, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Aber nicht im Einwanderungsland Deutschland! Wer schon einmal versucht hat, einen Familienangehörigen nachziehen zu lassen, erlebt einen Gang durch die Mühlen der Bürokratie, der oftmals mit der Ablehnung des Visaantrags endet. Das ist die Realität. Und damals waren Sie - ich habe es erwähnt - in der Regierungsverantwortung.
Der Migrationsforscher Klaus Bade hat es einmal so ausgedrückt: Die Vorstellung, dass die ganze Welt auf gepackten Koffern sitzt und nur auf grünes Licht für Deutschland wartet, ist ein Irrtum.
Die Fachkräfte - Sie haben es selbst angesprochen - wandern um Deutschland herum: in die klassischen Einwanderungsländer wie Skandinavien oder Nordamerika.
Wir sagen - und darin unterscheiden sich unsere Konzepte -: Wer Arbeitsmigration befördern will, der muss den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Gerade das haben wir doch aus der Geschichte der Gastarbeiterzuwanderung gelernt. Wir dürfen nicht die Arbeitskraft und die Qualifikation in den Mittelpunkt stellen, sondern den Menschen.
Wir Grünen haben immer wieder aufgezeigt, welche Chancen mit der Einwanderung verbunden sind. Wir werben seit Jahren für ein faires und transparentes Einwanderungsgesetz. Entspre
chende Konzepte liegen auch vor. - Herr Thümler, wenn Sie jetzt eines schreiben, dann begrüßen wir das sehr.
Aber eine Klassifizierung rein nach Arbeitskraft, Alter, Größe oder arbeitsmarktbezogenen Merkmalen wäre verfehlt, und so etwas lehnen wir auch ab. Es muss auch die Möglichkeit geben, dass Menschen mit Behinderungen einwandern können. Wie gesagt: Eine Einwanderung nach Größe wie zu Zeiten der Gastarbeiterbewegung - damals durften große Leute eben nicht einwandern - lehnen wir ab.
Zu einem solchen in sich schlüssigen Zuwanderungskonzept gehört natürlich auch, dass wir die Migrationsgesellschaft gestalten. Wenn Zuwanderung möglich ist, wandern Menschen mit kulturellen Unterschiedlichkeiten, mit verschiedenen Identitäten, mit anderen Religionen zu. Es wird eine stetige Aufgaben von Politik und Gesellschaft sein, diesen Prozess zu gestalten. Unter Menschen mit Migrationshintergrund herrscht Rassismus schließlich genauso vor wie unter Menschen ohne Migrationshintergrund. Die Landesregierung hat hier innerhalb kürzester Zeit sehr viel getan. Herr Dr. Pantazis hat dies angesprochen, und ich denke, auch der Minister wird hierzu noch einiges sagen.
Expertinnen und Experten sagen uns, dass jegliche Zuwanderung ein Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg ist. Auch Herr Ministerpräsident Weil hat dies im Rahmen seines Neujahrsempfangs bei der Industrie- und Handelskammer erwähnt. Zuwanderung ist notwendig, gerade in Zeiten des demografischen Wandels. Zuwanderung zu verhindern, kann zu einer Wachstumsbremse werden. Das gilt auch für die Zuwanderung aus humanitären Gründen.
Wir Grünen haben bereits vor einigen Jahren den Entschließungsantrag „Auswanderungstrend stoppen - Zuwanderung erleichtern“ in den Landtag eingebracht und ein Konzept für ein Punktesystem gefordert, das die Zuwanderung nach zusammenhängenden, klaren, transparenten und gewichteten Kriterien gestaltet. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben diesen Antrag seinerzeit in der Fassung eines von Ihnen eingebrachten
Änderungsantrags beschlossen. Jetzt müssten Sie eigentlich nur noch den Antrag, den Sie damals beschlossen haben, wieder in den Landtag einbringen. Wir würden ihn unterstützen, und dann wäre alles gut.
Vielen Dank, Frau Polat. - Jetzt hat sich der Herr Innenminister gemeldet. Herr Pistorius, bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits vor fast zwei Jahren habe ich anlässlich einer Veranstaltung des Flüchtlingsrates Niedersachsen erstmalig und sehr deutlich ein neues Zuwanderungsrecht gefordert und dies in der Folge mehrfach wiederholt, zuletzt vor zwei Wochen in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung - übrigens ausdrücklich nicht als Reaktion auf Pegida und Ähnliches, sondern schon deutlich vorher aus der Einsicht heraus, dass bei uns einiges nicht so läuft wie es laufen könnte bzw. müsste. Dank der FDP-Fraktion, sehr geehrter Herr Dürr, ist das hier inhaltlich also gewissermaßen wieder einmal ein Heimspiel.