Protokoll der Sitzung vom 20.01.2015

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits vor fast zwei Jahren habe ich anlässlich einer Veranstaltung des Flüchtlingsrates Niedersachsen erstmalig und sehr deutlich ein neues Zuwanderungsrecht gefordert und dies in der Folge mehrfach wiederholt, zuletzt vor zwei Wochen in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung - übrigens ausdrücklich nicht als Reaktion auf Pegida und Ähnliches, sondern schon deutlich vorher aus der Einsicht heraus, dass bei uns einiges nicht so läuft wie es laufen könnte bzw. müsste. Dank der FDP-Fraktion, sehr geehrter Herr Dürr, ist das hier inhaltlich also gewissermaßen wieder einmal ein Heimspiel.

Jetzt müssen wir nur noch die CDU im Bund überzeugen, meine Damen und Herren. Dann ist der Weg frei für diesen absolut überfälligen Schritt.

(Beifall bei der SPD)

Ich lade Herrn Thümler und die CDU-Fraktion ausdrücklich ein: Leisten Sie auch auf Bundesebene Überzeugungsarbeit in dem Sinne, in dem Sie es heute Morgen hier getan haben! Nehmen Sie die Zögerer und Zauderer in der Bundes-CDU mit, die immer noch glauben, wir kämen ohne eine solche Regelung aus der Kurve des 21. Jahrhunderts!

(Zustimmung bei der SPD)

Wir sind uns in der Analyse hier völlig einig: Deutschland braucht Zuwanderung. Deutschland profitiert von Zuwanderung. Auch die Gesellschaft und die Wirtschaft sind längst von dieser Notwendigkeit überzeugt. Deswegen ist es notwendig, dass wir endlich eine Möglichkeit für diejenigen Menschen zu schaffen, die zu uns kommen wollen, die wir auf dem Arbeitsmarkt dringend brauchen, die hier arbeiten wollen, die unsere Wirtschaftskraft

stärken, die die Gesellschaft weiterentwickeln und die uns helfen, die demografische Entwicklung aufzufangen.

Ich begrüße daher alle Forderungen nach einem Einwanderungsgesetz auch deshalb ausdrücklich, weil es endlich für jeden klar erkennbar werden lässt, worüber wir beim Thema Zuwanderung im Grunde genommen reden. Menschen, die wir hier in Deutschland als Arbeitskräfte brauchen, werden dann nicht in ein Asylsystem gezwängt, das ihnen nicht gerecht werden kann.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Ingenieur und die Pflegekraft aus Nordafrika könnten sich dann völlig legal auf den Weg nach Deutschland machen und sich ein neues Leben aufbauen und hier den Fachkräftemangel abbauen helfen. Was wir also brauchen, sind klare gesetzliche Vorgaben, die die Zuwanderung mit realistischen und realisierbaren Anforderungen regeln. Das haben wir hier in Niedersachsen schon in unserer Koalitionsvereinbarung sehr deutlich so festgelegt.

(Zustimmung bei der SPD - Petra Tiemann [SPD]: So ist es!)

Es geht aber nicht nur um gesteuerte Zuwanderung nach dem Vorbild der USA oder von Kanada. Es ist angesichts der Zahlen und des Elends in der Welt auch und vor allem zeitlich drängend, unser jetziges Asylrecht zu modernisieren. Wir brauchen selbstverständlich weiterhin ein Asylrecht, das den Menschen, die unsere Hilfe dringend brauchen, Schutz bietet. Dieses Asylrecht muss einerseits seiner möglichen Inanspruchnahme durch Menschen standhalten, die nicht politisch verfolgt sind, und andererseits mehr für die Integration der Menschen tun, die vor Krieg und Verfolgung flüchten. Das funktioniert vor allem durch Arbeit.

Deshalb ist es gut, dass auch durch den Druck aus Niedersachsen der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende erleichtert wurde. Das Arbeitsverbot, dem Asylbewerberinnen und -bewerber nach ihrer Einreise unterliegen, wurde von neun auf drei Monate gekürzt. Das war zweifellos ein erster, aber eben auch nur ein erster richtiger Schritt. Wir dürfen diese Menschen nicht zum Nichtstun verdammen. Wir sollten ihnen vielmehr die Chance geben, während ihres Asylverfahrens einer Beschäftigung nachzugehen. Das fördert ihre Integration und die Akzeptanz in der Bevölkerung.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und das gebietet die Menschenwürde genauso wie der volkswirtschaftliche Sachverstand, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Petra Tiemann [SPD]: So ist es!)

Es macht einfach keinen Sinn, in aller Welt mehr oder weniger erfolgreich nach Fachkräften zu suchen, gleichzeitig aber die Potenziale links liegen zu lassen, die sich längst schon in unserem Land befinden. Ich könnte Ihnen Geschichten und Erlebnisse im Zusammenhang mit Begegnungen mit Asylbewerbern schildern, von denen ich weiß, dass sie in wenigen Monaten abgeschoben werden, die gerne hier arbeiten würden und die nur den einen Weg nach Deutschland gefunden haben, nämlich den über einen Asylantrag.

Es muss einfach möglich sein, Potenziale und Möglichkeiten von Asylbewerbern zu nutzen und damit auch die Integration deutlich einfacher zu machen. Um es deutlich zu sagen: Natürlich kann und wird gesteuerte Arbeitsmigration nicht durch die unsteuerbare Zuwanderung von Asylsuchenden ersetzt werden können. Sie kann sie allerdings ergänzen. Deswegen verweise ich ausdrücklich auf den Vorstoß des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aus dem vorletzten Jahr, der sagte: Wir brauchen eine Ausfahrt aus dem Asylverfahren!

Zwei Dinge sind bei der zukünftigen Zuwanderungspolitik entscheidend. Wir müssen erstens Asylbewerberinnen und -bewerber frühzeitig in den Stand versetzen, sich mit ihren Potenzialen und Fähigkeiten in den Arbeitsmarkt einzubringen. Sperrwirkungen müssen abgebaut werden. Wir müssen zweitens Menschen Wege eröffnen, für qualifizierte Erwerbstätigkeit nach Deutschland einzuwandern. Diese Möglichkeiten müssen wir den Erfordernissen des Wirtschaftsstandorts

Deutschland kontinuierlich anpassen. Ich kann es daher nur begrüßen, meine Damen und Herren, wenn in dieser Frage größtmöglicher Konsens in diesem Haus besteht.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir sind damit am Ende der Besprechung des Tagesordnungspunktes 3 c angelangt.

Wir kommen nun zu dem Punkt

d) „Die Pflegekammer trägt nicht dazu bei, die drängenden Probleme im Bereich der

(Alten-) Pflege zu lösen - Mit freundlichen Grüßen Cornelia Rundt“ - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/2752 Ich rufe den ersten Redner auf, nämlich Herrn Hilbers von der CDU-Fraktion. Herr Hilbers, Sie haben das Wort. Bitte schön! Reinhold Hilbers (CDU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Genau mit diesem Zitat „Die Pflegekammer trägt nicht dazu bei, die drängenden Probleme im Bereich der (Alten-) pflege zu lösen - Mit freundlichen Grüßen Cornelia Rundt“ haben Sie, Frau Rundt, damals eine Stellungnahme der Freien Wohlfahrtspflege unterschrieben. An diesen Fakten hat sich bis heute nichts geändert.

Wir unterstützen ausdrücklich, dass sich die Bedingungen in der Pflege ändern. Wir haben dazu auch Ideen etwa zum Abbau von Dokumentation und Bürokratie vorgelegt. Wir unterstützen auch das Vorhaben „Sozialer Tarifvertrag“ und ähnliche Dinge. Durch konkretes politisches Handeln müssen die Bedingungen verbessert werden.

Sie wollen nun laut Koalitionsvertrag - Sie haben das in jüngster Zeit ja auch verkündet - eine Pflegekammer einführen. Damit plant Rot-Grün,

70 000 Pflegefachkräfte in eine Kammer einzugliedern, eine Pflichtmitgliedschaft auszusprechen und zukünftig 5 Millionen Euro für Bürokratie und Personal von diesem Personal erwirtschaften und zahlen zu lassen.

Die Stellungnahmen, meine Damen und Herren, sind eindeutig: Die gesamte Freie Wohlfahrtspflege ist dagegen. Sämtliche Pflegekassen haben sich ablehnend geäußert. Die kommunalen Spitzenverbände sind dagegen. Der Sozialverband Deutschland ist dagegen. Die Unternehmerverbände Niedersachsen sind dagegen. Die private Pflege ist dagegen. Es gibt eine gemeinsame Stellungnahme von ver.di, DGB, Unternehmerverbänden und Arbeitgeberverband Pflege, die sich eindeutig dagegen positionieren. Ich zitiere aus diesem Blatt:

„Die aktuellen und zukünftigen Probleme in der Alten- und Gesundheitspflege werden durch eine Pflegekammer nicht gelöst. Eine

solche Pflegebehörde kann nicht die hohe Arbeitsbelastung, das Problem der niedrigen Pflegesätze und schon gar nicht den Fachkräftemangel beseitigen. Durch die geplante berufsständische Vertretung wird lediglich eine wirkungslose und teure Bürokratie aufgebaut. Wir appellieren deshalb nachdrücklich an die Niedersächsische Landesregierung, auf die Einrichtung einer Pflegekammer zu verzichten und die Beschäftigten nicht noch weiter durch Zwangsbeiträge zu belasten.“

Das ist so geschrieben worden.

Herr Ministerpräsident, Sie haben dazu in einem Offenen Brief von vielen Verbänden gemeinsam einen ähnlichen Appell erhalten, von diesem Vorhaben Abstand zu nehmen. Sie sind offensichtlich allein auf weiter Flur. Sie, Frau Ministerin, haben mit dieser Stellungnahme - das Zitat habe ich eben gebracht - damals mit der gesamten Freien Wohlfahrtspflege selbst deutlich gemacht, dass Sie dagegen sind. An diesen Stellungnahmen hat sich nichts geändert. Was sich lediglich geändert hat, ist, dass Sie eine neue Position einnehmen, einen neuen Job haben und einen neuen Hut aufhaben, Frau Ministerin. Sonst hat sich nichts geändert.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin, viele von uns kommen aus dem ländlichen Raum. Dort begegnen wir unseren Menschen täglich oder wöchentlich. Da gilt ein Grundsatz: Sagen, was wir denken, und tun, was wir sagen! - Sie haben damals gesagt, was Sie darüber denken. Heute aber tun Sie nicht mehr das, was Sie denken, und Sie sagen nicht mehr das, was Sie tun. Deswegen ist das falsch. Geben Sie diese Pflegekammer auf!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das steht doch so im Koalitionsvertrag!)

Herr Kollege Hilbers, eine kurze Unterbrechung. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Will, aus der gleichen Ortschaft wie Sie?

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Er kennt ihn gut!)

Die treffen sich regelmäßig. Das hat er auch gesagt.

Herr Kollege Hilbers, können Sie mir denn erklären, was Sie in den vergangenen zehn Jahren zur Verbesserung der Pflegesituation für die Pflegekräfte selbst durchgeführt haben?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Miriam Staudte [GRÜNE]: Das geht schnell! - Zurufe: Null!)

Wenn der Präsident mir gleich zehn Minuten Zeit gibt, werde ich das gerne beantworten.

(Zuruf von der SPD: Da reichen zehn Sekunden! - Weitere Zurufe - Unruhe)

Wir haben Etliches auf den Weg gebracht. Ich erinnere nur an die Schulgeldunterstützung in der Pflege und daran, was in Berlin durchgesetzt worden ist, dass nämlich Tarifverträge in der Pflege zukünftig bei den Entgeltverhandlungen anerkannt werden. Das sind nur zwei Beispiele.

Sie haben hier in den zwei Jahren materiell gar nichts für die Pflege erreicht.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Pflegekammer wird keines der drängenden Probleme lösen. Sie ist nämlich nicht an der Festsetzung der Pflegesätze beteiligt. Die Entgeltverhandlungen führen die Kostenträger, der Heimträger und der Sozialhilfeträger. Es wird auch keine Interessenvertretung sein, weil es eine Zwangsmitgliedschaft gibt. Interessen können besser bei einer freiwilligen Mitgliedschaft vertreten werden. Der Fachkräftemangel wird ebenfalls nicht behoben.

Sie glauben doch nicht, dass sich auch nur ein junger Mensch deshalb für die Altenpflegeausbildung entscheidet, weil Sie eine Kammer einrichten?