Protokoll der Sitzung vom 18.02.2015

Jetzt kann man sehr leichtfertig und eilfertig sagen: Damit ist sie systemwidrig und gehört abgeschafft. - Das ist aber eine, wie ich finde, eher gleichermaßen systemfremde Argumentation. Man nimmt niemandem etwas weg, wenn man es nicht ersetzen kann.

Es scheint mir auch in der heutigen Zeit für das Land Niedersachsen überhaupt nicht angemessen zu sein, den Landkreisen und kreisfreien Städten die Möglichkeit einer verfassungsmäßigen Besteuerung abzuschneiden, ohne ihnen einen entsprechenden Ausgleich zu verschaffen. In Ihrem Gesetzentwurf habe ich einen derartigen Ausgleich vergeblich gesucht. Sie, Meine Damen und Herren, scheinen davon auszugehen, dass ein Betrag von 3 Millionen Euro landesweit leicht ausgeglichen werden kann. Zugegebenermaßen ist das kein Betrag, der die Welt bewegt.

Aber entscheidend ist etwas anderes. Ich will das gerne noch einmal anhand der Niedersächsischen Verfassung beleuchten. In der Niedersächsischen Verfassung ist in Artikel 58 geregelt - ich zitiere -:

„Das Land ist verpflichtet, den Gemeinden und Landkreisen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Mittel durch Erschließung eigener Steuerquellen und im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit durch übergemeindlichen Finanzausgleich zur Verfügung zu stellen.“

Das heißt vereinfacht gesagt, auf diesen Fall bezogen: Kürzt das Land die eigenen Steuerquellen der Kommunen, steht es in der Pflicht, die dadurch entstehenden Mindereinnahmen durch übergemeindlichen Finanzausgleich wiedergutzumachen. Insoweit könnte sich das Gesetz sehr wohl auf die Finanzlage des Landes auswirken, anders als Sie es in Ihrem Gesetzentwurf formuliert haben.

Zum Abschluss will ich aber auf etwas hinweisen, das für mich eigentlich alle anderen Argumente schlägt: Örtliche Jägerschaften stehen auch heute schon mit den politischen Entscheidungsträgern in den Landkreisen und kreisfreien Städten in aller Regel in einem ausgezeichneten Austausch und in engem Kontakt, um die Abschaffung der Jagdsteuer zu erreichen, aber auch zu vielen anderen Fragen. Ich halte diese Vorgehensweise, meine Damen und Herren, für alle Beteiligten für die empfehlenswerte, für die naheliegende; denn dieser Weg entspricht der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverantwortung in vollem Umfang. Jede Kommune sollte daher für sich entscheiden können, ob sie auf die Einnahmen aus der Jagdsteuer verzichten kann und will.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP in der Drucksache 17/275 ablehnen will, den ich bitte um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Es ist offensichtlich, wie die Abstimmung ausgegangen ist: Der Beschlussempfehlung des Ausschusses wurde gefolgt. Ich danke Ihnen.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Jagdgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion der FDP - Drs. 17/2883

Die Einbringung übernimmt der Kollege Dr. Hocker. Sie haben das Wort, Herr Dr. Hocker.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ja eben im Rahmen der Aktuellen Stunde schon die verschiedenen Positionen ausgetauscht, wie man mit dem Wolf umgehen sollte oder könnte. Ich habe Sie, Herr Janßen, so verstanden, dass der Sättigungsgrad des Wolfes bereits erreicht sei. Ich möchte das ganz bewusst

nicht missverstehen. Es ging Ihnen wahrscheinlich darum, dass das Land Niedersachsen einen Sättigungsgrad an Wölfen, die in diesem Bundesland leben, erreicht und nicht darum, dass der Wolf an sich irgendwann gesättigt ist. Das hätte man missverstehen können. - Ich habe das ganz bewusst konstruktiv aufgenommen, verehrte Frau Kollegin Staudte.

Ich möchte gerne, dass wir die vielleicht etwas aufgeheizte und hitzige Diskussion, die wir eben im Rahmen der Aktuellen Stunde geführt haben, ein bisschen versachlichen. Ich bin gerne bereit, zuzugeben, dass ich manchmal selber dazu beitrage, dass Diskussionen hitzig geführt werden.

Ich glaube, sehr verehrter Herr Minister, dass Sie der Akzeptanz für den Wolf in Niedersachsen einen Bärendienst erweisen, wenn Sie bei den Entschädigungen knausern. Die 100 000 Euro, die für diese Fälle in den Landeshaushalt für das Jahr 2015 eingestellt sind, werden aller Voraussicht nach bereits in wenigen Wochen ausgeschöpft sein. Dann gucken die Nutztierhalter in die Röhre. Ich glaube nicht, Herr Minister, dass das wirklich dazu führt, dass die Nutztierhalter in Niedersachsen den Wolf mit offenen Armen empfangen werden.

Ich sage Ihnen auch: Es hört sich schon ein bisschen zynisch an, wenn Sie sagen, dass man sich als Viehhalter privatwirtschaftlich gegen die Risiken versichern kann, wenn der Topf des Umweltministeriums für Entschädigungszahlungen leer ist. Ich glaube nicht, Herr Minister, dass Sie so die Akzeptanz für den Wolf in Niedersachsen bei den Nutztierhaltern befördern.

Ich glaube vielmehr: Wer bei den Menschen wirklich die Akzeptanz für den Wolf erhalten will, der muss dazu beitragen, dass Wolfsrisse erst gar nicht entstehen. Wer bei den Menschen da draußen die Akzeptanz für den Wolf tatsächlich erhalten will, der muss dafür sorgen, dass unbürokratisch und schnell Gelder bewilligt und an die Betroffenen ausgezahlt werden - und dass übrigens auch die Beweislast umgekehrt wird. Es kann doch nicht sein, dass Nutztierhalter in einem monatelangen Verfahren mit DNA-Analysen nachweisen müssen, dass es tatsächlich der Wolf gewesen ist. So wird das nicht funktionieren, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich sage Ihnen auch: Von Umweltschützern wird gerne erklärt, dass der Wolf in der Regel Angst vor Menschen hat und sich ihnen nicht nähert. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich hoffe, dass der Wolf

selber diese Regel kennt. Denn gerade in den letzten Wochen haben sich immer wieder einzelne Tiere, aber auch Rudel an menschliche Behausungen, an Siedlungen angenähert, sind sie vor Waldkindergärten gesichtet worden. Eine Spaziergängerin, die mit einem Hund unterwegs gewesen ist, wurde minutenlang von einem Wolf verfolgt. Am Ende erlitt die Frau einen Nervenzusammenbruch und musste notärztlich behandelt werden. Das mache ich selbstverständlich nicht Ihnen persönlich zum Vorwurf, Herr Minister. Aber diese Beispiele zeigen sehr wohl, dass die Politik gehalten ist, Vorsorge zu treffen, damit der Wolf sich in Niedersachsen nicht explosionsartig ausweiten kann.

Es wird von Umweltschützern in der Regel auch erklärt, dass der Wolf menschenscheu sei. Das mag sei. Der Wolf scheut den Menschen allerdings nur so lange, wie er weiß, dass von den Menschen Gefahr droht. Dann nähert er sich immer wieder Wohnsiedlungen und Behausungen an. Das kann aber nicht im Interesse von Politik sein. Das kann am allerwenigsten im Interesse der Akzeptanz des Wolfes sein.

Herr Minister - ich sage Ihnen das ausnahmsweise wirklich ohne jede politische Absicht -, wenn Sie nicht handeln, dann wird es früher oder später nicht bei Nutztierschäden bleiben, sondern es wird auch dazu kommen, dass Menschen Opfer werden. Vielleicht wird jemand angefallen. Vielleicht wird jemand gebissen. Vielleicht kommt es auch zu Schlimmerem. - Kollege Bosse, da brauchen Sie nicht laut zu seufzen. Es ist die Realität, dass es dazu kommen kann. Ich möchte von Ihnen gerne hören, dass Sie das wirklich 100-prozentig ausschließen können. Solange Sie das nicht ausschließen können, muss Politik Vorsorge treffen. Dazu gibt es eigentlich keine Alternative.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bosse?

Egal, von wem.

Egal. - Bitte, Herr Bosse, selbstverständlich.

(Jens Nacke [CDU]: Da sind Sie der Landesregierung deutlich voraus!)

Sehr geehrter Herr Kollege Hocker, erst einmal vielen Dank dafür. Können Sie mir Beispiele nennen, ob und, wenn ja, wann und wie oft in Deutschland überhaupt jemals ein Mensch von einem Wolf angefallen worden ist?

Herr Kollege Bosse, das ist ja fast eine Steilvorlage. Ich bin erstaunt, wie wenig Sie ganz offensichtlich die Medienberichterstattung darüber zur Kenntnis nehmen, dass es gerade vor wenigen Tagen in Amelinghausen die Situation gegeben hat, dass eine Frau, die mit einem Hund unterwegs gewesen ist, mit einem Wolf zusammengetroffen ist und dieser Wolf sich ihr genähert hat.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist su- per aufgebauscht worden!)

Es geht nicht darum, Herr Kollege, dass ich Ihnen einen Fall benennen kann; denn Sie wissen sehr genau, dass die Statistiken vor 100 oder 150 Jahren nicht so gepflegt wurden, wie das im Jahre 2015 der Fall sein wird. Die Beweislast liegt bei Ihnen. Sie müssen den Nachweis erbringen, dass ein solcher Vorfall tatsächlich ausgeschlossen werden kann. Das können Sie nicht, Herr Kollege Bosse.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich war, als die Zwischenfrage kam, gerade dabei, darauf hinzuweisen, dass es irgendwann - ich hoffe, wenn überhaupt, in ferner Zukunft - dazu kommen kann, dass Menschen zu Schaden kommen, Herr Kollege Bosse. Das ist keine Vorhersage, sondern dieses Risiko existiert. Das kann passieren. Dann, verehrter Herr Minister, werden Sie die Emotionen wahrscheinlich nicht mehr einfangen können. Dann wird das Märchen vom großen bösen Wolf aus der Schublade geholt werden, das den Wolf in seinem Wesen völlig unzutreffend darstellt. Aber die Emotionen werden dann, Herr Minister, über Sie hinwegschwappen, wenn man so will, und die fangen Sie dann nicht mehr ein. Dann sind Sie nämlich nicht mehr Herr Ihres Handelns. Jetzt können Sie noch entsprechend Vorsorge treffen. Wir fordern Sie mit unserem Gesetzentwurf auf, dies zu tun.

(Beifall bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Zu dem haben Sie noch gar nichts gesagt!)

Ich hoffe, Herr Minister, dass Sie sich nicht irgendwann dem Vorwurf erwehren müssen, dass

die Politik zu lange die Hände in den Schoß gelegt hat, dass die Politik zu lange nicht gehandelt hat, sondern dass Sie die Voraussetzungen für eine Reaktion auf künftige Populationsentwicklungen des Wolfes schaffen, und zwar auch mit der Aufnahme des Wolfes in das Jagdgesetz. Das sollten Sie bereits jetzt in einer Phase tun, in der man noch reagieren kann, in der auch die öffentliche Diskussion noch nicht ganz so emotional und aufgeheizt geführt wird, wie es nach Vorfällen der Fall wäre, bei denen Menschen zu Schaden kommen.

Meine Damen und Herren, die Politik muss jetzt handeln, wenn Sie die zarte Akzeptanz für den Wolf nicht in Angst und Ablehnung abdriften lassen wollen, Herr Minister. Deswegen gehört der Wolf ins Jagdrecht.

Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hocker. - Jetzt hat sich gemeldet Ulf Prange, SPD-Fraktion. Bitte schön, Herr Prange!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Hocker, Sie haben lange Ausführungen zu der Debatte gemacht, die wir schon in der Aktuellen Stunde geführt haben. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass die Realität in diesem Lande dadurch gekennzeichnet ist, dass Nutztiere gerissen worden sind und dass es - so wird es zumindest von der Bevölkerung wahrgenommen - auch ein Bedrohungspotenzial gibt.

(Zustimmung von Lutz Winkelmann [CDU])

So weit, so gut. Die Frage aber ist: Wie geht man damit um? - Ich glaube, ganz wichtig ist - das haben Sie auch angesprochen -, dass wir zu einer Versachlichung der Debatte kommen und nicht in Hysterie und Aktionismus verfallen; denn dann befördern wir das, was in der Bevölkerung aktuell stattfindet, nur noch weiter. Das jedoch halte ich für kontraproduktiv.

Eigentlich wollte ich gar nicht so viel zu der grundsätzlichen Fragestellung sagen, die schon in der Aktuellen Stunde abgehandelt worden ist, sondern ich möchte mich vielmehr auf das beschränken, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf konkret vorgeschlagen haben, nämlich die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht. Über diesen Vorschlag kann man diskutieren. Man muss dann aber auch gu

cken, welches die rechtlichen Grundlagen sind und welchen Nutzen eine solche Regelung hätte.

Der Wolf ist gemäß der FFH-Richtlinie eine streng geschützte Art, die nicht getötet, verfolgt oder in irgendeiner Art beeinträchtigt werden darf. Auch das Bundesnaturschutzgesetz stellt den Wolf in § 7 Abs. 2 Nr. 14 unter Schutz. Das ist Fakt.

Wenn wir diese rechtlichen Rahmenbedingungen zur Kenntnis nehmen, müssen wir zunächst einmal prüfen, ob der Landesgesetzgeber überhaupt die Möglichkeit hat, tätig zu werden. Es gibt in § 2 Abs. 2 des Bundesjagdgesetzes eine Ermächtigungsgrundlage zugunsten der Länder, die Ausfluss des verfassungsrechtlichen Abweichungsrechts im Jagdwesen ist.

Die Länder sind also zuständig und können hier eine Regelung treffen. Ein Bundesland, nämlich Sachsen, hat dies bislang gemacht. Dort ist von dieser Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht worden, und der Wolf ist dem Jagdrecht unterstellt worden. Die Erfahrungen in Sachsen sollten wir auch in den weiteren Ausschussberatungen zur Kenntnis nehmen.

Auf der anderen Seite muss man sich aber auch fragen: Erstens. Welche rechtlichen Auswirkungen hat eine jagdrechtliche Regelung des Landes im Konkurrenzverhältnis zu europarechtlichen Vorgaben und auch zum Bundesrecht? - Zweitens sollte man sich, bevor man eine neue gesetzliche Regelung trifft, auch vergegenwärtigen, wie die aktuelle Rechtslage ist.