Protokoll der Sitzung vom 18.02.2015

Welcher Nutztierhalter soll denn so verrückt sein, noch Tiere auf die Weide zu bringen, wenn ihm hinterher erzählt wird, dass sein Zaun nicht „wolfssicher“ war? Da gibt es doch immer irgendwelche Stellen. Es besteht immer die Gefahr, dass Kinder oder wer auch immer an Zäunen herummanipulieren usw.

(Zuruf von den GRÜNEN: Kinder?)

Sie sagen den Leuten, dass man dann erst einmal feststellen muss, ob es überhaupt der Wolf war. Würden Sie mir denn wenigstens zustimmen, dass wir dringend eine Beweislastumkehr brauchen, dass man die Leute entschädigt, wenn es offensichtlich ist, dass Wölfe Schaden anrichten? Sie können das Verfahren ja so bürokratisch machen, wie Sie wollen. Wenn Sie nach einem halben oder Dreivierteljahr nachweisen, dass es nicht der Wolf war, zahlen wir die Kohle zurück, kein Problem.

Aber Sie können doch keinem Landwirt, keinem, der ernsthaft Pferde hält, erzählen, wie man „wolfssichere“ Zäune bewerkstelligen soll. Im Endeffekt heißt das doch nichts anderes, als dass am Schluss die Verantwortung, die Schuld beim Tierhalter liegt, wenn die Tiere durchgehen. Tiere in

Panik gehen durch jeden Zaun. Ich habe das selbst mehrmals erlebt. Allein beim Einfangen haben sie ganze Bauzäune heruntergerissen. Ich dachte, das war schon ein Hochsicherheitstrakt.

Sie müssen einen Zaun ähnlich wie bei einem Atomkraftwerk bauen, wenn er dagegen sicher sein soll, dass Rinder in Panik durchgehen, weil Wölfe in der Herde sind. Erzählen Sie den Menschen doch nicht solche Märchen! Das glaubt Ihnen doch keiner.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Janßen, Sie wollen auf die beiden Fragen antworten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage von Herrn Dammann-Tamke kann ich relativ kurz beantworten. Es geht um einen Zeitungsbericht in der NOZ vom 23. November 2010, in dem Sie zusammen mit Herrn Sander ein Interview geführt haben. Ich habe daraus lediglich festgestellt, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Vorbehalte gegenüber der Rückkehr des Wolfes bestanden. Das habe ich zitiert.

(Hermann Grupe [FDP]: Die bestehen bei uns auch nicht!)

Herr Grupe, zum einen: 100-prozentig „wolfssichere“ Zäune wird es nicht geben. Man kann aber mit den Wolfssicherungsmaßnahmen die Probleme deutlich reduzieren. Das hat mir Frau Happe gerade vor zwei Stunden in einem Gespräch noch einmal bestätigt.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Wer ist Frau Happe?)

- Die kennen Sie gut! Das ist diejenige, die das Monitoring im Auftrag der Landesjägerschaft durchführt.

(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Das ist Frau Habbe!)

Der zweite Punkt: Was ist, wenn Tiere durchgehen? - Ich habe schon einmal darauf hingewiesen: Wenn ordnungsgemäß eingezäunt worden ist, trifft den Verursacher, den Tierhalter, nicht mehr die Haftungspflicht. Dann sind das sozusagen Umstände höherer Gewalt. Dazu gibt es auch eine entsprechende Rechtsprechung.

(Frank Oesterhelweg [CDU]: Wie ord- nungsgemäß hat das denn dann zu sein?)

- Herr Thümler, wenn Sie das nicht wahrhaben wollen, dann - - -

(Björn Thümler [CDU]: Wie bitte? Ich habe doch gar nichts gesagt!)

- Ach so! Wer war denn das gerade?

(Björn Thümler [CDU]: Herr Oester- helweg!)

- Herr Oesterhelweg! Entschuldigung, ich habe die Stimme nicht richtig erkannt.

Wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, dann lesen Sie es nach! Auch das gibt es.

Bei der Umkehr der Beweislast muss man schauen, wie man im Ergebnis zu den Entschädigungszahlungen gelangt. Brandenburg beispielsweise verfährt so, dass es zunächst auszahlt und dann gegebenenfalls wieder zurückfordert. Man muss überlegen, wie man das zukünftig regelt. Ich sehe das Ganze als lernendes System.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Gero Hocker [FDP]: Als „lernendes System“!)

Vielen Dank, Herr Janßen. - Jetzt hat sich zu Wort gemeldet der Abgeordnete Lutz Winkelmann, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst war ich die Auffassung, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um in Anbetracht des Antrages, über den wir hier eigentlich debattieren sollten, etwas zur juristischen Dimension zu sagen, also zu der Frage, was es bringt, den Wolf ins Jagdgesetz, nämlich in die Liste der jagdbaren Tiere, aufzunehmen, und - wie es bereits durch den Beitrag des SPD-Kollegen rüberkam - die Frage der Vereinbarkeit der Bejagung des Wolfes mit EU-Recht zu diskutieren.

Ich sehe aber, dass die Menschen hier im Saal mehr die emotionale Seite und eben nicht so sehr die juristischen Seite bewegt. Deswegen mache ich mir ganz einfach und verweise für die juristischen Aspekte dieser Thematik zum einen - bitte googeln! - auf Meyer-Ravenstein, unseren landes- und bundesweit bekannten Jagdrechtexperten -

„Der Wolf im Jagdrecht“, in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt -, und zum anderen auf Professor Reiner Wolf, der in ZUR, Heft 6/2012, ebenfalls zur juristischen Lage vorgetragen hat.

Damit komme ich zu der emotionalen Frage, die hier anscheinend dominiert. Es ist schon erstaunlich: In Deutschland und in Niedersachsen gibt es anscheinend niemanden, der zum Wolf keine Auffassung hat. Ich habe es jedenfalls in etlichen Gesprächen nicht erlebt, dass irgendjemand gesagt hätte, er sei sich noch nicht sicher. Die einen sagen: Der Wolf ist ganz wichtig, lasst ihn sich weiterentwickeln - ohne ein Limit zu setzen -, die Jägerschaft ist beuteneidisch und tendenziell böse, die wollen alle Wölfe totschießen. - Die anderen sagen: Der Wolf passt nicht in unsere Kulturlandschaft. Er muss eliminiert werden. Es war ein Fehler, seine Rückkehr zuzulassen. - Diese zweite Extremposition ist, wie ich finde, genauso verkehrt wie die erstgenannte.

Herr Janßen, Sie haben den Film „Serengeti darf nicht sterben“ erwähnt. Ich habe auch viele Filme gesehen, genau wie Sie. Mir ist bei der Beschäftigung mit dem Wolf der Film „Der mit dem Wolf tanzt“ in den Sinn gekommen.

(Heiterkeit)

Wir erinnern uns: Kevin Costner als versprengter Soldat in der amerikanischen Weite, in wunderbare Bilder eingemalt und mit wunderbarer Musik unterlegt, begründet ein Näheverhältnis mit einem Wolf. Und wir alle haben es als schlimm empfunden bzw. waren empört, als der Wolf nachher von dummen Soldaten der Amis totgeschossen wurde.

Ähnlich ist es, wenn ich mir Tierdokumentationsfilme im Sinne von „Serengeti darf nicht sterben“ usw. anschaue.

Meine Damen und Herren, warum haben wir eigentlich kein Problem damit, bei großen Raubtieren, zu denen der Wolf genauso wie Löwe und Tiger gehört, so emotional zu empfinden? - Weil sie uns nicht nahe, sondern weit weg sind: in Hollywood oder aber in weiter entfernten Gefilden.

(Ronald Schminke [SPD]: Südnieder- sachsen! - Heiterkeit)

Ich stamme aus Munster. Auch über meine Hofstelle ist schon ein Wolf gelaufen, ohne dass das irgendjemanden in Gefahr gebracht hätte. Meine Hunde waren zu dem Zeitpunkt im Haus, wo sie hingehören. Auf meinen Feldern hinterlassen Wöl

fe, die dort entlang laufen, Fährten. Ich komme also aus diesem Wolf-Epizentrum Niedersachsens.

(Lachen bei den GRÜNEN - Jörg Bo- de [FDP]: Ich dachte immer, das wäre in Unterlüß!)

Und da wird es dann schon anders. Sie sollten sich einmal anhören, wie die Menschen die Wolfsfrage etwas anders bewerten, nachdem sie engeren Kontakt hatten. Sie mögen jetzt lachen, aber ich sage Ihnen: Kevin Costner war in „Der mit dem Wolf tanzt“ weder Vater von Kindern, die in der Nachbarschaft einen Kindergarten besuchen mussten, noch war er Nutztierhalter, noch war er in irgendeiner Form mit Artenschutz befasst. Der Artenschutzaspekt ist bei den bisherigen Wortbeiträgen nicht aufgeführt worden.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Sie können bedrohte Arten zum Teil nur dadurch nachhaltig schützen, dass Sie ein Predatorenmanagement durchführen. Ein Beispiel, lieber Herr Kollege Janßen: In meiner Nachbarschaft gab es den Fall, dass Rinder eines Nachbarn - er heißt Cord Lüders; ich führe Sie gerne dorthin, wenn Sie es wollen -, von einem Wolf gehetzt, durch den Zaun gegangen sind, Gott sei Dank nicht in Richtung der Bundesstraße mit 17 000 Autos am Tag, sondern in die andere Richtung, wo eine umzäunte Weide war. Der Eigentümer kam hinzu und die Situation entspannte sich.

(Petra Tiemann [SPD]: Was will uns der Kollege nun damit sagen?)

In anderen Bereichen werden Mutterkuhherden infrage gestellt. Schafhalter, die feuchte Wiesen beweidet haben, welche wiederum ein Biotop für bodenbrütende Arten waren, haben ihre Hobbyschafhaltung aufgegeben - eben weil der Wolf zurück ist. Dass der Wolf zurückgekehrt ist, ist in Ordnung, aber wir verlieren aufgrund dessen nun einmal bestimmte Biotoparten.

(Zuruf von der SPD: Was ist eigentlich das Thema hier?)

Die Frage, mit der wir uns in dieser Debatte beschäftigen müssen - das erwartet die Bevölkerung in weiten Teilen Niedersachsens auch von uns -, lautet: Wollen wir den Wolf nicht nur in den Katalog der bejagbaren Tierarten aufnehmen - in der übrigens Tierarten wie Wisent, Elch, Fischotter oder auch Luchs stehen, der heute schon erwähnt wurde -, oder wollen wir - und an dieser Stelle müssen wir ehrlich sein - ab einem bestimmten Zeitpunkt den Bestand des Wolfes auch limitieren und regu

lieren? Und da, meine Damen und Herren, hilft der lateinische Satz aus Chemie und Medizin: Sola dosis facit venenum - nur die Dosis macht das Gift.

Für mich hat der Wolf eine Ähnlichkeit mit dem radioaktiven Edelgas Radon.

(Heiterkeit bei der FDP)

Radon wird in der Medizin zum Teil therapeutisch eingesetzt.

(Unruhe)

Herr Kollege, eine Sekunde! - Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich auf den Redner zu konzentrieren. Es ist ziemlich laut. - Bitte schön!

Das Edelgas Radon wird in geringen Dosen als effiziente Therapie beispielsweise gegen Rheumaerkrankungen eingesetzt. In höherer Dosierung hingegen ist es giftig und gesundheitsschädlich.