Protokoll der Sitzung vom 18.02.2015

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir wissen, dass die Dinge, wenn wir das Problem in der Pflege nicht lösen, auf einen nicht wieder gutzumachenden Fachkräftemangel hinauslaufen. Da, wo das Land originär zuständig ist, im Bereich der Ausbildung, haben wir die gesetzliche Schulgeldfreiheit umgesetzt, weil zwei Drittel aller Auszubildenden in diesem Bereich in Schulen in freier Trägerschaft geschult werden, die eben Schulgeld nehmen. Diese dürfen nun sicher sein, dass sie hier nicht selbst mit Kosten belastet werden.

Auch die Umlagefinanzierung der Ausbildungskosten steht bevor. Wir sind dabei, das zu erarbeiten. Wir haben ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben. Auch wenn die generalistische Ausbildung auf Bundesebene kommt - sie muss kommen, da bin ich mir ganz sicher -, brauchen wir ein solches Gesetz, weil wir nämlich dieses Bundesgesetz dann auf Landesebene entsprechend umsetzen müssen.

(Dr. Max Matthiesen [CDU]: Aber nicht so!)

Mit dem Gesetz zur Errichtung der Pflegekammer wollen wir den Pflegenden eine starke Stimme geben, damit sie demokratisch legitimiert dann auch wirklich Stellung nehmen können zu allen Dingen, die sie selbst betreffen.

(Christian Dürr [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dürr zu?

Nein, ich würde das gern beenden.

Die Zukunftssicherung der Pflege in Niedersachsen wird allerdings nicht nur davon abhängig sein, dass wir im Bereich der Ausbildung etwas tun, sondern es ist auch zwingend erforderlich, dass die, die ausgebildet sind, dann auch wirklich im Beruf verbleiben. Wir haben einen erheblichen Ausstieg aus dem Beruf. Fachkräftemangel entsteht dadurch, dass Menschen aufgeben, dass sie nicht mehr in dem Beruf arbeiten wollen, dass sie andere Berufe attraktiver finden, dass sie ihre Stellenanteile reduzieren, weil sie den beruflichen Belastungen und der Arbeitsverdichtung nicht mehr gewachsen sind. Hier gibt es in vielen Bereichen, insbesondere im ambulanten Bereich, erzwungene Teilzeitarbeit, und wir haben es insgesamt mit einer extremen Arbeitsverdichtung zu tun.

Das heißt, auf der einen Seite muss es Arbeitszeitmodelle geben, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Gesundheitsmanagement. Die Arbeitsverdichtung muss reduziert werden, damit Arbeit in der Pflege wieder attraktiv wird. Vor allen Dingen muss aber auch leistungsgerecht gezahlt werden, denn Fachkräfte erwarten eine leistungsgerechte Zahlung. Wenn man den Verdienst nach Abschluss einer dreijährigen Ausbildung in der Altenpflege mit dem Durchschnitt der Verdienste in anderen, gleich qualifizierten Ausbildungsberufen vergleicht, ergibt sich ein Defizit von 23 %. Das macht diesen Beruf nicht gerade attraktiv.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Richtig!)

Wir sind daher sehr froh, dass der Ausbildungstarifvertrag im Bereich der Pflege zustande gekommen ist. Mein Lob gilt da den Tarifpartnern. Ich habe von allen Vorrednern einvernehmlich gehört, dass das nur ein erster Schritt zu einem gesamten Tarifvertrag Soziales sein kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ein positives Signal hat auch der Tarifvertrag, den die Diakonie abgeschlossen hat, hier auf den Weg gebracht. Auch hier wird es darum gehen, dass sich die Tarifpartner noch einmal zusammensetzen. - Herr Dr. Matthiesen, leider gehöre ich nicht

zu diesen Tarifpartnern. Möglicherweise könnte das Ganze sonst schneller gehen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Sie erwe- cken aber gelegentlich den Anschein!)

Wir bzw. die Tarifpartner sind auf einem Weg, damit, wenn das alles umgesetzt ist, Wettbewerb im Bereich der Pflege endlich nicht mehr über Dumpinglöhne stattfinden wird, sondern stattdessen über Qualität.

Wir sehen, dass Bewegung in der Sache ist, und wir sind durchaus froh, dass die Tarifpartner hier im Moment in Bewegung sind. Wir sehen auch, dass im Bereich der Selbstverwaltung - d. h. bei den entsprechenden Vergütungen, die ja Voraussetzung dafür sind, dass überhaupt Tariflöhne gezahlt werden können - zurzeit ein wenig Bewegung ist. Für uns stellt sich aber die Frage: Was ist eigentlich, wenn die Selbstverwaltung bei diesem drängenden Fachkräfteproblem, das jetzt vorhersehbar ist, wobei sich jetzt die Rahmenbedingungen ändern müssen, damit wir in Zukunft noch Pflegende haben, weiter versagen sollte?

Ich will darauf hinweisen, dass wir als Landesregierung durchaus Möglichkeiten haben, Initiativen in Richtung Bundesrecht zu ergreifen. Eine Möglichkeit könnte in einer Verordnungsermächtigung im Bereich der Strukturverantwortung bestehen; denn die Länder tragen die Strukturverantwortung für die Pflege, können aber aufgrund der Selbstverwaltung nicht direkt durchgreifen. Wir könnten uns eine Rechtsverordnung vorstellen, die den Bereich der flächendeckenden Versorgung mit ambulanter Pflege, aber auch den Bereich der Fachkräfte abdeckt. Voraussetzung dafür ist eine Verordnungsermächtigung zugunsten der Länder durch den Bund.

Darüber hinaus stellen wir auch fest, dass einzelne Pflegekassen in der Lage sind, Rahmenverträge nach § 76 - wo es im Übrigen um Personalschlüssel geht, Herr Dr. Matthiesen, also um etwas, das ich leider nicht festlegen darf, da das eine Sache der Selbstverwaltung ist - zu blockieren. Wenn diese Rahmenverträge nicht wirklich gut sind oder nicht wirklich funktionieren, stellt sich die Frage, ob das Land an solchen Stellen möglicherweise eine Eingriffsmöglichkeit hat oder aber ob man, weil das Ganze nach bisherigem Recht nur einheitlich von allen Pflegekassen abgeschlossen werden kann - wir wissen, dass es gerade einzelne Kassenarten sind, die sehr blockadeartig verhindern, dass sich das Ganze weiterentwickelt -, nicht vielleicht auch die Initiative ergreifen kann, diese Einheitlichkeit,

die der Bundesgesetzgeber bislang vorschreibt, aufzubrechen.

Es gibt also im Bereich der Pflege noch viel zu tun. Themen wie Bürokratieabbau und ähnliches spielen eine Rolle. Wir werden alle diese Themen anfassen, und wir werden dies mit den entsprechenden Selbstverwaltungspartnern und Tarifpartnern tun, weil wir ein Gesamtkonzept brauchen, damit sich Pflege in Niedersachsen wieder lohnt. Sowohl die Pflegenden als auch die pflegebedürftigen Menschen in Niedersachsen brauchen unser aller Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Hier liegt eine Wortmeldung von Herrn Dr. Matthiesen vor. Ich darf darauf hinweisen, dass die Landesregierung gut zwei Minuten länger gesprochen hat, als ihr zugedacht war. Herr Dr. Matthiesen, wenn Sie wollen, zwei Minuten. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An die Adresse der Landesregierung: Es geht nicht an, dass Sie immer andere Leute die Arbeit machen lassen wollen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Erstens. Bei der Frage des Tarifvertrags Soziales in der Altenpflege sind Sie gefordert, damit die Kommunen mitmachen. Das werden die nur tun, wenn sie die Refinanzierung des Tarifvertrags auch darstellen können und wollen. Notfalls muss das Land dazu eigenes Geld in die Hand nehmen, lieber Herr Finanzminister. Das sind Dinge, die Sie einmal unter sich besprechen müssen.

Zweitens. Wenn die Sozialministerin sagt, der Staat solle in die Selbstverwaltung eingreifen und regeln, wer was zu bezahlen hat, dann wird es grenzwertig. Dahinter steht Eigentum der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in den Pflegekassen organisiert sind. Der DGB-Gewerkschaftschef Hartmut Tölle hat es schon derb gerügt, dass Sie hier die Selbstverwaltung kritisieren und sich anmaßen, deren Aufgaben zu übernehmen. Das kann es nicht sein.

(Johanne Modder [SPD]: Sie kriegen es aber nicht gebacken!)

Sondern Sie müssen Ihre Dinge tun und können nicht anderen Leuten das Geld wegnehmen, um es wiederum anderen zu geben. Das müssen Sie schon denen selbst überlassen. Sie müssen Ihrerseits nachdenken, wie Sie das Ganze begradigen und wie Sie die kommunale Ebene ins Boot bekommen. Dann wird es besser werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Matthiesen. - Immer noch zum gleichen Punkt von der Fraktion der FDP, ebenfalls für zwei Minuten. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das geht jetzt eigentlich ganz schnell. Meine Fraktion leint mich nicht an. Dazu musste ich mich jetzt einfach noch einmal zu Wort melden. Ich bin durchaus in der Lage, selber meine Sätze und meine Meinungen zu bilden. Das ist auch Grundlage unserer Fraktion: Wir lassen es schon zu, dass wir uns selber unsere Meinung bilden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Frau Kollegin. - Für die Fraktion der SPD: Herr Kollege Schwarz. Ebenfalls zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz auf die Ausführungen des Kollegen Matthiesen eingehen. Sie wissen genauso gut wie ich und wie jeder andere hier im Raum, dass die Landesregierung keinerlei Möglichkeit hat, in Tarifvertragsverhandlungen einzugreifen. Das ist auch gut so. Das hat Herr Laumann in dem Gespräch auch ausdrücklich bestätigt. Man kann Gesetze verabschieden. Der Bundestag hat auf Vorschlag der Großen Koalition ein Gesetz verabschiedet, nach dem ab dem 1. Januar 2015 erstmalig tarifgerechte Bezahlung von den Pflegekassen anzuerkennen ist. Es ist jetzt Aufgabe der Tarifvertragsparteien - und von niemand anderem -, dafür zu sorgen, dass überall tarifgerecht bezahlt wird, damit die Pflegekassen gezwungen werden, tarifliche Entlohnung umzusetzen. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: In das gleiche Gesetz ist sehr bewusst hineingeschrieben worden, dass die Pflegekassen die Kompetenz haben, das zu kontrollieren - nämlich zu kontrollieren, ob das Geld der Versichertengemeinschaft bei den Beschäftigten ankommt und nicht betriebswirtschaftlich in anderen Bereichen versickert. Das machen die Pflegekassen offensichtlich nicht flächendeckend. Es ist sehr wohl Aufgabe der Landesregierung - ich finde, das hat Frau Rundt eindeutig und zu Recht unterstrichen -, dafür zu sorgen, dass die Pflegekassen ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen, damit die Beschäftigten ihr Geld erhalten. Was ist denn daran falsch? Da können Sie doch nicht sagen: Das ist ein Eingriff in die Selbstverwaltung.

Nein, an der Stelle ist es gesetzlich genau vorgegeben. Ich bitte ausdrücklich darum, dass das gemacht wird, und ich bitte auch darum, dass diejenigen, die sich seit Jahren bei uns darüber beschweren, wir würden nichts für die Rahmenbedingungen der Pflege tun, das im eigenen Zuständigkeitsbereich endlich einmal angehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz.

(Dr. Max Matthiesen [CDU]: Ein Satz!)

- Herr Kollege Matthiesen, theoretisch haben Sie noch Redezeit für den einen Satz. Dafür können Sie mich erwärmen. Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Lieber Uwe Schwarz, die Pflegekassen bezahlen nur ihre Pauschalen. Mehr können sie nicht bezahlen. Wenn das Ganze aufgrund eines Tarifvertrages Soziales in der Altenpflege teurer wird, dann sind letztendlich die Kommunen gefordert, weil sie als Letzte in der Kette die Mehrkosten bezahlen müssen. Das ist der springende Punkt.

(Uwe Schwarz [SPD]: Ja!)

Alles andere sind Ablenkungsmanöver. Da muss die Landesregierung jetzt ran. Sie wird daran gemessen, ob der Tarifvertrag Soziales in der Altenpflege in der laufenden Wahlperiode zustande kommt oder nicht. Das ist Ihre Verantwortung!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Matthiesen. - Weitere Wortmeldungen können wir nicht erkennen, sodass ich die Besprechung des Punktes a der Aktuellen Stunde als erledigt betrachten darf.

Wir kommen jetzt zu der Besprechung zu

b) Reform der Erbschaftsteuer: Die Rückkehr der rot-grünen Steuererhöher? - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/2930