Vielen Dank, Frau Bruns. - Jetzt hat sich gemeldet Thomas Schremmer, Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute vorgelegten rot-grünen Antrag wird auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe Gesundheitsversorgung der Menschen in Niedersachsen sichergestellt. Dafür steht unser Antrag. Das bedeutet eben nicht ein „Weiter so!“, sondern aus unserer Sicht bedeutet das, aktiv Verantwortung zu übernehmen. Damit hat die
Landesregierung mit den Regionalgesprächen bereits angefangen. Das ist insgesamt kein Selbstzweck, sondern dringend notwendig. Das zeigen alle Zahlen - vor allem die Zahlen der Krankenhäuser, die rote Zahlen schreiben -, und das erwarten insbesondere die Menschen in den ländlichen Regionen.
Ich will noch eines hinzufügen: Es nützt uns allen nichts, wenn wir jenseits aller Couleur so tun, als seien wir der - oder die - Robin Hood aller Krankenhäuser und als wollten wir alle retten. Diesen Eindruck kann man ja gelegentlich auch von der Opposition gewinnen, aber nicht nur von ihr. Ich will einmal wohlwollend feststellen, dass Sie auch erkannt haben, dass an bestimmten Stellen Steuerungsbedarf besteht.
In Niedersachsen gibt es sehr viele kleine Häuser. Das ist auch weiterhin der Fall. Insgesamt stellen die Hälfte der Krankenhäuser nur 17 % des Bettenangebots. Das ist ein Riesenproblem, obwohl die Gesamtbettenzahl in den letzten zehn bis zwölf Jahren gesunken ist. Es gibt riesige regionale Unterschiede. Insofern ist Planung eine Zukunftsfrage.
Auch das aus meiner Sicht bestehende zweite Kernproblem gibt uns die Richtung an: die zunehmende Ökonomisierung, also die Frage: Was wird eigentlich in Krankenhäusern im Wesentlichen gemacht? - Wenn man sich einmal anguckt, dass in Deutschland im Jahr 240 000 Hüften operiert werden und EU-weit nur die Hälfte an Hüftoperationen durchgeführt wird, dann ist das meines Erachtens ein Anzeichen dafür, dass wir eine Veränderung brauchen.
Wenn Krankenhäuser nur wirtschaftlich arbeiten können, wenn sie in die Menge gehen, dann wird der grundsätzliche Versorgungsauftrag ad absurdum geführt. Ich finde, Selektivverträge, Einzelverträge mit Kliniken, aber auch die Schwerpunktbildung sind in dieser Hinsicht dringend erforderlich. Wir regen dies an. Vielleicht kann man das - übertragen - ganz einfach sagen: Dorthin, wo man mit der Bandscheibe aus medizinischen Erkenntnissen schon ist, muss man bei Knien und Hüften in Zukunft kommen, nämlich dazu, dass es auch andere Behandlungsmethoden gibt, als ständig zu operieren.
Zur Betriebskostenfinanzierung. Ich glaube, es ist ein bisschen anders, als es die Kollegin Bruns gesagt hat. Das Problem von Krankenhäusern besteht darin, dass die Leistungsbereitschaft im Verhältnis zur Leistungserbringung sehr teuer ist. Das heißt nichts anderes, als dass man mit einem fallbezogenen Erlössystem Fehlanreize auf Dauer nicht wird verhindern können. Das gilt meines Erachtens übrigens auch für die Mindestvorgaben in der Pflege. Diesbezüglich fehlt leider auch der Ansatz im Bund. Bei der Bund-Länder-Reform ist in diesem Bereich aus meiner Sicht sehr wenig gemacht worden.
Die Trägerkritik, die die Kollegin eben auch vorgetragen hat, bezieht sich in aller Regel auf die Gesamtfinanzierung. Aber wenn man sich dann die privaten Häuser anguckt, die ihre Gewinnerwartung erhöhen und einen Verdrängungswettbewerb auslösen, wird meines Erachtens an der falschen Stelle kritisiert.
Darum ist das richtig, was wir heute machen: Wir nehmen den Qualitätsbegriff auf. Auch das ist etwas, was im Bund von CDU und SPD mittlerweile erkannt worden ist. Dass das formuliert wird, kann ich nur als Eintrittskarte in den Krankenhausplan ausdrücklich begrüßen. Es wird natürlich problematisch werden, realistische Kriterien zu finden. Das will ich einräumen. Deswegen hat der Gemeinsame Bundesausschuss auch ein bisschen Zeit dafür. Wir begrüßen aber das Vorgehen, Qualitätsdefizite über diesen Weg abzubauen.
Ich sage hier auch ganz deutlich - Herr Kollege Matthiesen wird das sicherlich gleich auch noch einmal ausführen -: Ausgesprochen schlechte
Qualität sollte mit Blick auf die Patienten auch ein Trennungsgrund sein, wenn - das sage ich dazu - die betroffenen Landkreise oder Städte dies wollen. Das ist der wichtigste Grund. Sie wissen alle ganz genau: Das Land eröffnet oder schließt keine Krankenhäuser und auch keine teilstationären Einrichtungen.
Insofern ist die Frage zu beantworten, was eigentlich wohnortnahe Versorgung ist. Ich finde es richtig, dass man sich ansatzweise Gedanken darüber macht, wie man zu sektorenübergreifenden Planungen kommt. Auch das könnte man sich verstärkt anschauen. Auch dazu haben wir Anregungen gegeben. Regionalgespräche zielen in diese Richtung. Natürlich ist das Land nur moderierend dabei, aber es ist der richtige Weg, die Akteure an einen Tisch zu bringen.
Die Notfallversorgung - das haben wir hier auch schon mehrfach diskutiert - ist der wichtigste Punkt insgesamt. Deswegen finde ich auch das, was wir in dem Antrag sagen, richtig. Der Bund macht es jetzt möglich, Häusern, die an der Notfallversorgung teilnehmen, Zuschläge zu zahlen bzw. sie besserzustellen. „Notfallversorgung“ - die Kollegin Wernstedt hat es gesagt - heißt nicht automatisch, dass ein Haus vorhanden sein muss, vielmehr muss eine medizinische Versorgung vorhanden sein. Deswegen ist der Weg, sektorenübergreifend zu denken, auch richtig. Ich finde, dass wir das in dieser Frage auch mit Mitteln des Bundes unterstützen können. Wir haben in unserem Antrag auch deutlich gemacht, dass wir die Strukturfördermittel, die der Bund für diese Zwecke bereitstellt, gegenfinanzieren werden, um in Niedersachsen an den verschiedenen Stellen, z. B. in Springe bzw. in der Region Hannover, ein medizinisches Versorgungszentrum zu bilden. Alle diese Dinge sind möglich. Ich glaube, dass wir das alles richtig machen.
Ich möchte Sie zum Schluss bitten, unserem Antrag zuzustimmen und gemeinsam mit uns zu arbeiten. Wir wollen die Krankenhausplanung neu ausrichten. Wir wollen mehr Qualität, mehr Versorgungssicherheit auch im ländlichen Raum.
Allen Unkenrufen zum Trotz - das muss ich zum Schluss noch einmal sagen - ist und bleibt die Gesundheitsversorgung Aufgabe der Daseinsvorsorge. Daran orientieren wir uns. Ich finde, wir sind hier auf dem richtigen Weg.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Regierungsfraktionen haben ihren Antrag zur Neuausrichtung der Krankenhausplanung überarbeitet und dafür auch die Ergebnisse der Bund-Länder-AG zur Krankenhausreform vom 5. Dezember 2014 herangezogen. Gleichzeitig lehnen sie den CDU-Antrag zur Einsetzung einer Enquetekommission zur Neuausrichtung der Krankenhausplanung und -finanzierung ab.
Bei näherem Hinsehen ist das nicht verantwortlich. Etwas angedeutet haben wir das gerade gehört. Klar ist: Im Kern zielt der umfangreiche Antrag der Regierungsfraktionen auf die Novellierung des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes ab, um in Niedersachsen einen zentralistischen Krankenhausdirigismus einzuführen. Sie wollen eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage schaffen, um Krankenhäuser aus dem Krankenhausplan zu nehmen. Dadurch wollen Sie die Zahl der Krankenhäuser verringern und so letzten Endes Investitionsmittel des Landes einsparen. Das lehnt die CDU-Fraktion ab.
Bereits im Juni 2010 hat der Landesrechnungshof im Sozialausschuss des Landtages vorgetragen, es gebe in Niedersachsen zu viele und zu kleine Krankenhäuser. Kommentar von Uwe Schwarz wörtlich:
„Wir wissen auch ganz genau, dass das, was der Landesrechnungshof hier vorgetragen hat, in vielen unserer eigenen Regionen absolut zutreffend ist.“
Im August 2011 trug die heutige SPD-Staatssekretärin Honé im Sozialausschuss vor, ein Krankenhaus müsse aus dem Krankenhausplan herausgenommen werden, wenn eine der drei Voraussetzungen für die Aufnahme entfalle: Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit und wirt
Im Jahr 2012 hat dann der Landtag gegen die Stimmen von SPD und Grünen das Niedersächsische Krankenhausgesetz novelliert. Die damalige Opposition hatte noch in letzter Sekunde einen Entschließungsantrag vorgelegt, der die Blaupause für den heute zur Abstimmung stehenden Antrag von SPD und Grünen ist. Danach sollte ein Krankenhaus aus dem Plan genommen werden können, wenn es gegen den Versorgungsauftrag verstößt.
Damals wie heute lehnt die CDU eine derart unbestimmte Eingriffsermächtigung ab, die jedes Krankenhaus unter ein dirigistisches Damoklesschwert stellt.
(Beifall bei der CDU - Thomas Sch- remmer [GRÜNE]: Ihr habt doch im Bund bei dieser Geschichte mitge- stimmt!)
Die Ursprungsfassung des heute zur Abstimmung stehenden Antrags der Regierungsfraktionen hatte diesen unbestimmten Verstoß gegen den Versorgungsauftrag zunächst wieder aufgenommen. Der Änderungsvorschlag der Regierungsfraktionen
ersetzt ihn jetzt durch den Begriff „planungsrelevante Qualitätsindikatoren des Landes“. Wenn diese nicht ausreichend erfüllt sind, soll ein Krankenhaus aus dem Plan genommen werden können. Das soll nun in das Niedersächsische Krankenhausgesetz hineingeschrieben werden. Die Regierungsfraktionen berufen sich dabei auf die Eckpunkte der Bund-Länder-AG zur Qualität in der Krankenhausplanung. - Das haben wir gerade von Thomas Schremmer gehört. - Das ist aber nur vordergründig einleuchtend. In Wirklichkeit wollen die Regierungsfraktionen Qualitätssicherung zur Versorgungssteuerung einsetzen, um hinterher zu einer niedrigeren Anzahl von Krankenhäusern zu kommen. Das will die CDU nicht.
Gemeint ist von der Bund-Länder-AG die Qualitätssicherung zur Verbesserung der Patientenversorgung. Bei der Bestimmung dieses Begriffs „Qualität“ muss nun noch sehr viel geleistet werden. Darauf haben Thomas Schremmer und Frau Wernstedt hingewiesen. Der Gemeinsame Bundesausschuss und auch das Institut für Qualitätssicherung müssen also noch viel entwickeln.
Folgerichtig hat die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft in der Anhörung am 18. September letzten Jahres davor gewarnt, Strukturqualitätsanforderungen theoretisch so zu ermitteln, dass hinterher möglichst wenige Krankenhäuser übrig bleiben. Dieser Ansatz, den wir ablehnen, durchzieht aber den Antrag von Rot-Grün wie ein roter Faden. So soll die Krankenhauslandschaft durch Planungsregionen und Konzentration nach Schwerpunkten ausgedünnt werden unabhängig von kommunalen und Landesgrenzen.
Der Begriff „Trägerwechsel“ soll insbesondere mit Blick auf Privatisierungen weiter gefasst werden, um ein Krankenhaus aus dem Plan nehmen zu können. Folgerichtig soll die Einzelförderung im Krankenhausinvestitionsprogramm vorrangig für Fusionen erfolgen.
Wie Konzentration geht, zeigt ganz drastisch das Beispiel der rot-grün regierten Region Hannover. Dort sollen auf einen Schlag die Krankenhäuser Springe, Lehrte und Großburgwedel geschlossen werden. Beim Strukturgespräch am vergangenen Montag für die südwestliche Region Hannover hat Herr Staatssekretär Röhmann den Teilnehmern erklärt, dass die Schließung des Krankenhauses Springe Voraussetzung für die Investitionsmittel des Landes ist. Die Aufgabe der für Familien so wichtigen Geburtshilfe sollen einfach andere Krankenhäuser wahrnehmen.
Besonders einschneidend ist die geplante Ermächtigung, ein Krankenhaus aus dem Plan zu nehmen, wenn es angeblich die Aufgaben in der Notfallversorgung nicht erfüllt. So geht es nicht! Ein gutes Krankenhaus darf nicht dafür bestraft werden, dass seine Kapazitäten irgendwann erschöpft sind und es sich aus der Notfallversorgung abmelden muss.
Übrigens hat auch der Chef der Berufsfeuerwehr Hannover darauf hingewiesen, dass die Krankenhäuser schon deshalb nichts für Abmeldungen können, weil die Kassenärztliche Vereinigung stärker tätig werden muss. Sie muss mehr tun für die ambulante Notarztversorgung durch ihre eigenen Fachärzte und Hausärzte.
Das ist ein großes Manko, das noch beseitigt werden muss. Das, was Sie hier zur Notfallversorgung der Krankenhäuser sagen, ist also völlig unausgegoren.
Sie haben darauf hingewiesen, dass die BundLänder-AG jetzt Notfallzuschläge vereinbaren will, damit die Krankenhäuser belohnt werden, die so etwas machen. Das ist der richtige Weg. Nicht richtig aber ist es, Krankenhäuser einfach aus dem Plan zu nehmen.
Zusammengefasst: Die CDU-Fraktion will nicht diesen rot-grünen Krankenhausdirigismus, der die Krankenhäuser in Niedersachsen sehr verunsichert. Wir wollen stattdessen auch in Zukunft als Leitlinie der Krankenhausplanung und -förderung die bürgernahe, humane und leistungsfähige Krankenhauslandschaft in Niedersachsen - in Trägervielfalt, also die freigemeinnützigen kirchlichen Krankenhäuser, die kommunalen Krankenhäuser und auch die privaten. Bei aller Spezialisierung brauchen wir überall die Grund- und Regelversorgung auch kleinerer Krankenhäuser.
Die Lage ist ernst. Das verdeutlicht die Zweidrittelkampagne der niedersächsischen Krankenhäuser. Zwei Drittel aller niedersächsischen Krankenhäuser haben im vergangenen Jahr einen existenzgefährdenden Abschluss vorgelegt. Die Hälfte hat rote Zahlen geschrieben.