Man muss sich die Leistung dieser Sonderprüfer auch einmal anhand folgender Zahlen vor Augen führen: Insgesamt wurden die Prüfungsleistungen von rund 2 000 Kandidatinnen und Kandidaten aus dem Zeitraum von 2011 bis März 2014 überprüft. In diesem Zeitraum wurden mehr als 14 000 Klausuren angefertigt. Sämtliche Klausuren aus dem oben genannten Zeitraum sind auf statistische und inhaltliche Auffälligkeiten überprüft worden.
Trotz dieses gewaltigen Umfangs konnten die Sonderprüfungen bereits Mitte Dezember 2014 abgeschlossen werden. Mehr als 99 % der Kandidaten sind „sauber“. In 15 Fällen besteht Anlass zu der Annahme, dass die Prüfungsleistungen auf unredliche Weise erzielt wurden. In diesen Verdachtsfällen werden Verfahren zur Aberkennung der Zweiten Juristischen Prüfung geführt. Zum Teil sind diese Verfahren sogar schon abgeschlossen, indem die Aberkennung der Prüfungsentscheidung rechtskräftig geworden ist.
Zum Stand der einzelnen Verfahren haben wir den Rechtsausschuss in vertraulicher Sitzung unterrichtet. Am Ende der ausführlichen Unterrichtung sind keine Fragen mehr offen geblieben.
Das Ergebnis, das ich Ihnen eben dargestellt habe, zeigt auf, dass die übergroße Zahl der Examenskandidatinnen und -kandidaten ehrlich gearbeitet hat.
Ich bin erleichtert und zufrieden, dass der Verdacht der Täuschung wieder von ihnen genommen worden ist und dass sie ihren Berufsweg unbelastet weitergehen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der konsequenten Durchführung der Sonderprüfungen konnten wir ein starkes Signal setzen, dass die niedersächsische Justiz bei konkreten Verdachtsmomenten schnell, entschlossen und konsequent handelt.
Die Erkenntnisse der mehr als 200 Sonderprüferinnen und Sonderprüfer werde ich auch über den eigentlichen Prüfauftrag hinaus nutzen, um die Abläufe bei der Juristischen Staatsprüfung zu optimieren. Diese - wenn auch zugegebenermaßen unfreiwillige - Evaluation des Korrekturverlaufs wollen wir natürlich nicht ungenutzt lassen.
Ich habe mich außerdem mit der Frage befasst, ob wir mit dem Sicherheitscheck im ersten Durchgang schon alles Nötige veranlasst haben. Ich habe deshalb die Maßnahmen und unsere AntiKorruptionsstrategie für das Prüfungsamt durch die Fachleute der „Zentralstelle Korruption“ des Landeskriminalamtes überprüfen lassen.
Das Landeskriminalamt hat neben seiner fachlichen Expertise einen von mir ausdrücklich gewünschten „Blick von außen“ beigesteuert. Dabei ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass die technischen und organisatorischen Vorkehrungen jetzt „optimal“ sind.
Mein Haus hat zudem bei den übrigen Bundesländern abgefragt, ob für die dortigen Landesjustizprüfungsämter besondere organisatorische Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung vorhanden sind oder geplant werden. Die Berichte der Länder wurden ausgewertet, und gute Anregungen werden selbstverständlich in unsere Organisationsplanung integriert. Außerdem werde ich dafür sorgen, dass es einen regelmäßigen Wechsel der hauptamtlichen Prüferinnen und Prüfer gibt, sodass wir eine permanente Rotation etablieren. Auch das gab es in der Vergangenheit nicht.
Wir aktualisieren auch den von der Vorgängerregierung vorgefundenen Korruptionsatlas. Die Vorgängerregierung hatte dort die Mitarbeiter des Prüfungsamtes als „wenig korruptionsgefährdet“ eingeordnet. Leider mussten wir etwas anderes erfahren.
Alle geschilderten Maßnahmen dienen dazu, das Vertrauen in das Justizprüfungsamt und in die niedersächsische Justiz insgesamt zu erhalten und zu stärken. Zugleich tragen sie dazu bei, die von dem Korruptionsvorfall erschütterten Mitarbeiterin
Gegen den Präsidenten der Niedersächsischen Landesschulbehörde hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg am 17. Januar 2014 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil des Landes Niedersachsen aufgrund von Privatfahrten mit einem Dienstkraftfahrzeug eingeleitet.
Meine Damen und Herren, vielfach sind die in den Verfahren ergriffenen Maßnahmen angegriffen worden, auch teilweise von Abgeordneten dieses Hauses. Ich darf dazu auf Folgendes hinweisen:
Die während des Ermittlungsverfahrens durchgeführten Observationen und Durchsuchungsmaßnahmen sowie der Einsatz technischer Mittel sind jeweils auf Anordnung eines Richters,
nämlich des zuständigen Ermittlungsrichters bei dem Amtsgericht in Lüneburg, erfolgt. Dieser hat das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einschließlich der Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen bejaht.
Wie Sie alle aufgrund Ihrer teilweise jahrelangen Erfahrung wissen, ist die Landesregierung aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt daran gehindert, die richterlichen Entscheidungen zu kommentieren oder gar eigene Erwägungen zu Fragen der Verhältnismäßigkeit anzustellen.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Sie vertei- digen das immer noch? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!)
Stellen Sie sich vor, eine Justizministerin beurteilt die Rechtmäßigkeit oder die Richtigkeit richterlicher Entscheidungen. Wo kämen wir da hin?
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Aber Sie können doch beurteilen, ob Ihre Staatsanwaltschaft das richtig ge- macht hat!)
Ich bin sicher, in der ganzen Bundesrepublik, vom Norden bis zu Professor Bausback in Bayern, werden Sie keine Justizministerin und keinen Justizminister finden, der sich zu so etwas hergibt.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Das haben sie genau an dieser Stelle gemacht, Frau Ministerin, und jetzt nehmen Sie das nicht zurück? An dieser Stelle ha- ben Sie das alles verteidigt! Das ist ein echter Justizskandal, der hier pas- siert! - Unruhe - Glocke der Präsiden- tin)
Moment, bitte, Frau Ministerin! - Ich darf um Ruhe bitten! Sie alle haben gleich die Gelegenheit, sich mit Zusatzfragen einzubringen. Aber jetzt hat Frau Ministerin das Wort.
Soweit das Handeln der Staatsanwaltschaft in Rede steht, ist es mir wichtig, die Aufgabe und Stellung der Staatsanwaltschaft im System des Strafprozesses noch einmal zu verdeutlichen. Anders als in den meisten anderen Rechtssystemen und anders, als es in Filmen häufig dargestellt wird, ist es nämlich nicht in erster Linie Aufgabe der Staatsanwaltschaft, Beschuldigte zu überführen, sie quasi zur Strecke zu bringen. Es ist vielmehr ihre Aufgabe, den Sachverhalt zu erforschen,
wie es in § 160 StPO formuliert ist. Danach hat sie nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund können Ermittlungen einen zunächst bestehenden Tatverdacht bestätigen. Sie können aber auch dazu führen, den Beschuldigten von gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu entlasten.
Ich möchte das an dieser Stelle betonen. Es kann sein, dass die Staatsanwaltschaft mit großem Aufwand Ermittlungen betreibt, um am Ende festzustellen, dass sich der anfängliche Verdacht nicht bestätigt hat. Das ist dann keine Niederlage, sondern reguläre Aufgabenerfüllung.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Aber doch nicht in dem Umfang! Das ist doch nicht zu glauben!)
Hierin liegt keine Schwäche des Ermittlungsverfahrens, sondern gerade seine rechtsstaatliche Stärke.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Helge Limburg [GRÜNE]: Rich- tig! - Jens Nacke [CDU]: Die Men- schen sind Ihnen völlig egal! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)
Es ist gut, dass unsere Staatsanwaltschaften die Sachverhalte bei bestehenden Verdachtsmomenten umfänglich aufklären, und dies mit offenem Ergebnis, frei von Vorverurteilungen und voreiligen Schlüssen. Dies zu begleiten und zu bewahren, ist unser aller Aufgabe, meine als Justizministerin natürlich zuallererst.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Sie haben die Leute vorverurteilt, die Familie: Al- les egal!)
Moment! - Herr Nacke, ich bitte Sie nochmals, Ihre Kommentare einzustellen. Sie haben gleich die Möglichkeit, mit Zusatzfragen auf die Ministerin zu reagieren. Ich bitte Sie aber, Frau Ministerin jetzt in ihren Ausführungen zu folgen.
Zuletzt zu meiner Unterrichtung dieses Hohen Hauses im vergangenen Monat. Es ist ausgesprochen bitter, dass die Information über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Generalstaatsanwalt in Celle offenbar bereits im Internet zu lesen war, kurz bevor ich Gelegenheit hatte, in der Plenarsitzung am 20. Februar das Hohe Haus persönlich zu unterrichten.