Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

Und erzählen Sie bitte nicht, dass das eine Errungenschaft Ihrer Regierungszeit ist! Das ist schlichtweg falsch, Herr Limburg.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Limburg antwortet Ihnen. Bitte! - Und ich darf alle anderen um Ruhe bitten!

Ich hoffe, dass meine Stimme trotz Erkältung noch anderthalb Minuten mitmacht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hilbers, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für dieses späte Bekenntnis zum Ankauf u. a. von Steuer-CDs. Gleichwohl haben Sie in Ihrer Rückblende einiges ausgeblendet.

Sie haben recht: Finanzminister Möllring hat als einer der Ersten damit angefangen, und er hatte ja auch viel Erfolg damit. Er hat damit viele Steuerhinterziehungen aufdecken und damit wesentlich zur Steuerehrlichkeit beitragen können. Wir haben das damals auch nie kritisiert, Herr Kollege Hilbers.

Aber dann kam eine Wende. Dann begann nämlich die Diskussion über das Steuerabkommen mit der Schweiz. Und in diesem Zusammenhang, Herr Hilbers, hat Ihr Finanzminister Möllring mit Ihrer Unterstützung einen Schwenk gemacht. Zumindest haben wir das damals so wahrgenommen. Wenn das anders ist, dann nehmen wir das interessiert zur Kenntnis.

Herr Möllring hat das Steuerabkommen mit der Schweiz forciert - damit wäre der CD-Ankauf für die Zukunft unmöglich gewesen -, und Sie bzw. der Kollege Grascha und auch Kolleginnen und Kollegen von der CDU haben im Landtag, drüben im Plenarsaal, den Ankauf von Steuer-CDs immer wieder als unmoralisch bezeichnet und mit noch ganz anderen Worten bedacht. - Das ist die komplette Wahrheit, Herr Hilbers. Diesen Teil haben Sie weggelassen.

(Christian Grascha [FDP]: Wir hätten doch gar keine Steuer-CDs mehr ge- braucht!)

Wie gesagt: Ich freue mich, dass Sie jetzt im Jahr 2015 erneut eine Rolle gemacht haben und mit uns darin übereinstimmen, dass auch dieses Instrument genutzt werden muss.

(Thomas Schremmer [GRÜNE]: Sie sind einsichtig geworden!)

Dass das nicht das Allheilmittel ist, ist gar keine Frage. Darüber besteht Konsens. Auch der Finanzminister hat völlig zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, dass das nur ein Instrument von vielen sein kann. Aber es muss eben auch ein Instrument bleiben. Ich freue mich, dass die CDU wieder mit im Boot ist, und vielleicht besinnt sich ja auch die FDP noch eines Besseren.

Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Nun hat für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Wahlmann das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind für gute Arbeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir sind für gute Arbeitsbedingungen, für gute Sozialstandards und für ein funktionierendes Sozialsystem. Dafür brauchen wir eine funktionierende Wirtschaft, und auch dafür stehen wir.

(Petra Tiemann [SPD]: Ja!)

Wir stehen für eine soziale Marktwirtschaft, die natürlich in Gewinnerzielungsabsicht handelt - das ist ja gerade der Sinn einer Marktwirtschaft -, in der aber auch fair miteinander umgegangen wird und in der nicht auf Kosten anderer oder der Allgemeinheit gehandelt wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Die Bundesrepublik Deutschland ist auch deshalb so erfolgreich, weil sich die ganz überwiegende Mehrheit an die allgemeinen Spielregeln hält und weil der Staat es ahndet, wenn sich jemand nicht daran hält.

Zum Glück hält sich die ganz überwiegende Mehrheit der deutschen Unternehmerinnen und Unternehmer an die allgemeinen Spielregeln, an Recht und Gesetz. Leider gibt es aber auch einige schwarze Schafe - Wirtschaftsakteure, die betrügen, korrumpieren, Steuern hinterziehen, Gelder veruntreuen und dergleichen mehr.

Dabei gibt es zwei Besonderheiten, die einen Großteil der Wirtschafts- und Finanzkriminalität von den übrigen Kriminalitätsformen unterscheidet. Die erste Besonderheit besteht darin, dass einige der Täter meinen, sie begehen ein Kavaliersdelikt. Das ist mitnichten der Fall, und das hängt mit dem zweiten großen Unterschied zusammen, nämlich mit der Höhe der Schäden.

Obwohl die breite Masse der Wirtschafts- und Finanzkriminalität nur etwa 1 bis 2 % der Straftaten ausmacht, geht mehr als die Hälfte der Schäden auf ihr Konto. Obwohl die Fallzahlen sinken, steigt derzeit noch die Höhe der Schäden. Und dabei sind die immateriellen Schäden noch nicht einmal erfasst. Herr Limburg hat es eben angerissen: Es geht auch um Geschäftspartner, die nach dem Zusammenbruch eines Betriebes ebenfalls betroffen sind, um die Reputation ganzer Wirtschaftszweige, die davon betroffen sind, sowie um gesundheitliche Gefährdungen und Schädigungen Einzelner als Folge von Verstößen gegen Lebens- und Arzneimittelgesetz, gegen das Arbeitsschutzrecht und gegen das Umweltstrafrecht.

Wenn Einzelpersonen für diese Taten verantwortlich gemacht werden und als solche ausgemacht werden können, dann greift unser Strafrecht. Für Unternehmen gibt es in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern allerdings noch kein Strafrecht.

Das Land NRW hat vor einiger Zeit einen entsprechenden Entwurf in den Bundestag eingebracht, der allerdings bislang noch nicht angenommen wurde.

(Unruhe)

Moment, bitte, Frau Wahlmann! - Es ist wirklich sehr unruhig im Plenarsaal. Ich bitte noch einmal um Ruhe. - Bitte!

Dass wir in Deutschland kein Unternehmensstrafrecht haben, führt in einzelnen Fällen zu großen Ungerechtigkeiten. Wenn eine Einzelperson klar als Täter ausmachbar ist, wird sie strafrechtlich verfolgt. Häufig entstehen aber durch komplexe Unternehmensstrukturen, Arbeitsteilung, Outsourcing usw. Situationen, in denen es nicht möglich ist, einzelne Täter auszumachen bzw. eine Tat einzelnen Personen zuzuordnen. Auch das schuldhafte Versagen von Aufsichtsstrukturen ist in diesen Fällen häufig nicht zu belegen. Der Entwurf aus NRW nennt es die „organisierte Unverantwortlichkeit“ - d. h. keiner will es gewesen sein. Die Verbandstraftat kann dann im Einzelnen überhaupt nicht sanktioniert werden, und selbst wenn in einzelnen Fällen natürliche Personen als Bauernopfer verurteilt werden: An das Unternehmen oder an den Konzern kommt man oft nicht heran. Da entsteht dann mal wieder der Eindruck: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ganz ge- nau!)

Da bringt uns auch das aktuelle Ordnungswidrigkeitenrecht nur bedingt weiter. Bußgelder haben nicht die gewünschte Präventivwirkung. Es gibt große Unternehmen, die das Risiko eines Bußgeldes mit einkalkulieren. Da sich die Höhe des Bußgeldes im Übrigen auch nicht - so wie es im Strafrecht - an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bemisst, kann es sein, dass sich die Tat für das Unternehmen unterm Strich lohnt, weil der wirtschaftliche Vorteil das Bußgeld bei Weitem übersteigt. Das ist für uns so nicht hinnehmbar.

Hier müssen wir Veränderungen erreichen, und wir brauchen hier mehr Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Gerechtigkeit brauchen wir auch in Bezug auf das Engagement deutscher Unternehmen im Ausland. Ich will hier wiederum das Gros der deutschen Unternehmen im Ausland davon ausnehmen. Ich vertraue einfach mal darauf, dass sich die große Mehrheit redlich verhält. Aber auch hier gibt es die typischen schwarzen Schafe.

Es gibt deutsche Unternehmen, die gravierende Arbeitsrechtsverletzungen begehen, die massive Umweltzerstörungen hervorrufen. Wir haben gestern noch in der Aktuellen Stunde darüber gesprochen, insbesondere auch über die Klage gegen KiK und den zugrunde liegenden verheerenden Brand in der pakistanischen Textilfabrik, und ich hatte den Eindruck, dass alle hier im Haus Menschenrechtsverletzungen verurteilen, egal wo es dazu kommt.

Nun könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass diejenigen, deren Menschenrechte verletzt wurden oder deren Umwelt zerstört wurde, sich vor Ort um die Durchsetzung ihrer Rechte kümmern und die Ahndung von Verstößen in die Wege leiten sollten. Leider klafft aber vielfach eine große Lücke zwischen recht haben und recht bekommen. In vielen der betroffenen Länder gibt es kein funktionierendes demokratisches Rechtssystem wie bei uns, und eine Ahndung von Verstößen unterbleibt häufig auch aus wirtschaftlichen Abhängigkeiten.

NGOs fordern deshalb, für gravierende Arbeitsrechtsverletzungen oder Umweltzerstörungen, die durch deutsche Unternehmen oder Tochterunternehmen hervorgerufen wurden, eine Zuständigkeit deutscher Gerichte zu schaffen. Dies sollte nach unserer Auffassung zumindest auch überprüft werden.

Und wie es sich für eine Sozialdemokratin gehört, möchte ich darauf hinweisen, dass auch starke Betriebsräte einen Beitrag zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen leisten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir begrüßen daher ausdrücklich das langjährige Engagement des Volkswagen-Konzerns. VW verfügt über einen Weltbetriebsrat, der die Interessen der Beschäftigten weltweit bündelt und vertritt und der auch weltweit dafür sorgt, dass innerhalb des

VW-Konzerns arbeitsrechtliche Bestimmungen eingehalten werden. Wir sind dafür, dass dieses Vorbild Schule macht. Im Ergebnis wollen wir die Arbeitnehmerrechte weltweit stärken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir wollen aber auch hier auf Landesebene Maßnahmen gegen Wirtschafts- und Steuerkriminalität ergreifen - nicht nur mit dem Ankauf von SteuerCDs, den wir ausdrücklich befürworten, sondern auch mit einem gemeinsamen Korruptionsregister der norddeutschen Länder. Langfristig wollen wir ein bundesdeutsches Korruptionsregister. Es darf nämlich nicht sein, dass Unternehmen, die gegen Vergaberegeln verstoßen haben, deren verantwortlich handelnde Personen wegen Bestechung verurteilt worden sind, die mit Schwarzarbeit aufgefallen sind und dergleichen mehr, weiterhin öffentliche Aufträge bekommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wer als Unternehmer das Geld der öffentlichen Hand und damit das Geld der Allgemeinheit, der Steuerzahler haben will, der muss sich auch an Recht und Gesetz halten. Das ist ja wohl das Mindeste! Dementsprechend müssen wir gewährleisten, dass es ein Verzeichnis gibt, das der öffentlichen Hand zeigt, wer die schwarzen Schafe sind. Das kommt im Übrigen vor allem den redlichen Unternehmern zugute.

Sofern nicht in absehbarer Zeit ein bundesweites Korruptionsregister realisiert werden kann, sollten einzelne Länder voranschreiten. Wir fordern die Landesregierung für diesen Fall auf, Verhandlungen mit den übrigen Nordländern aufzunehmen, damit die Korruptionsbekämpfung möglichst effektiv ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Abschließend darf ich sagen, dass es unser erklärtes Ziel ist, Wirtschafts- und Finanzkriminalität auf allen Ebenen zu bekämpfen und zu verhindern und für ein gerechtes Wirtschaftssystem zu sorgen. In diesem Sinne wünsche ich uns gute Ausschussberatungen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)