Protokoll der Sitzung vom 19.03.2015

Ansonsten gibt es keinen einzigen konkreten Vorschlag von Rot und Grün, wie das Land die Kommunen entlasten kann.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, legen Sie hier nach. Erläutern Sie uns Ihre eigenen Vorstellungen zum Aufnahmegesetz. Nennen Sie hierzu klare Punkte. Sagen Sie, wohin die Reise gehen soll! Der Ball liegt nach wie vor bei Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Oetjen. - Frau Kollegin Jahns hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet.

(Gerald Heere [GRÜNE] lacht)

Was war das denn? - Ein besonderer Beitrag des Kollegen Heere!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Oetjen, Sie haben eben auf die bundesweite Flüchtlingskonferenz hingewiesen. Wir haben auch in Niedersachsen eine Flüchtlingskonferenz gehabt. Diese hat ergeben, dass drei Arbeitskreise gebildet werden: einer für Qualifizierung und Arbeit, einer für Sprache und einer für das Ehrenamt. Der Minister aber hat es abgelehnt, mit den Kommunen eine Diskussion über die Unterstützung der Kommunen zu führen. Halten Sie das für richtig, oder fordern Sie auch dafür eine große Unterstützung im Sinne der 120 Millionen Euro bzw. im Sinne einer weiteren Erhöhung der Pauschalbeträge?

Vielen Dank. - Herr Oetjen möchte antworten. Bitte schön!

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Flüchtlingskonferenz des Landes wurde viel heiße Luft produziert.

(Minister Boris Pistorius: Sie waren doch gar nicht da!)

- Ja, sehr geehrter Herr Minister, ich war nicht da. Aber jetzt sage ich Ihnen einmal: Wenn Sie eine Flüchtlingskonferenz veranstalten und die Mitglieder des Innenausschusses nicht persönlich einladen, dann beschweren Sie sich bitte nicht, dass wir nicht da gewesen sind. Schicken Sie uns eine persönliche Einladung, und dann kommen wir auch!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Im Übrigen, sehr geehrter Herr Minister, ist die Kollegin Bruns da gewesen. Insofern ist die FDPFraktion natürlich da gewesen.

Noch einmal ganz klar: Es ist viel heiße Luft produziert worden, und es sind Themen diskutiert worden, die alle kennen, die seit Jahren so sind, über die wir uns alle einig sind und bei denen wir wissen, wo das Problem ist. Es gibt kein Erkenntnisproblem, sondern das Problem ist, dass die Landesregierung nicht handelt und dass die Kommunen uns deutlich vorrechnen, dass ihnen 3 000 Euro pro Flüchtling und Jahr fehlen. Dieses Delta kann von den Kommunen nicht länger getragen werden. Die Not ist groß. Helfen Sie endlich, sehr geehrter Herr Minister!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Oetjen. - Jetzt hat sich die Abgeordnete Filiz Polat, Bündnis 90/Die Grünen, gemeldet. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben am gestrigen Tag im Rahmen der Aktuellen Stunde schon einiges zu den Bereichen ausführlich gesagt, die bereits auf den Weg gebracht wurden.

Herr Kollege Oetjen, wir haben hier mehrere Entschließungsanträge im Bereich der Flüchtlingspolitik verabschiedet - auch gemeinsam mit Ihren Stimmen -, die eindeutig auch zu einer Entlastung der Kommunen führen.

Wir haben uns entschieden, sukzessive die Punkte abzuarbeiten. Sie haben sich entschieden, einen großen Antrag mit zehn Seiten zu machen, in den Sie alles hineinschreiben.

Darüber hinaus ist es wichtig, die Perspektive zu wechseln. Auf der einen Seite sprechen wir von

Zuwanderung, von Arbeitsmigration, die nicht belastend ist. Auf der anderen Seite gibt es aber eine humanitäre Zuwanderung, die komischerweise für alle belastend ist. Warum ist das so? - Weil die Kommunen sagen: Wir müssen die Kosten für Flüchtlinge tragen! - Aber für andere Zuwanderer nicht. Deswegen gibt es einen strukturellen Systemfehler, Frau Lorberg. Es gibt nämlich keine Zuwanderung in die Sozialsysteme, sondern es gibt eine Zuwanderung in ein Asylbewerberleistungssystem. Das ist - dies kann man nicht genug betonen - ein Systemfehler, der in den 90er-Jahren entstanden ist und der abgeschafft gehört; denn dann lösen Sie auf einen Schlag alle Probleme.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich möchte zwei Punkte nennen. Sie wissen, dass die Flüchtlinge aufgrund des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht in die GKV kommen. Das heißt, wenn jemand erkrankt ist, müssen die Kommunen die Gesundheitskosten tragen. Sie wissen, was das bedeutet, wenn ein syrischer Flüchtling mit einer schweren Kriegsverletzung kommt. Dann muss das Sozialamt die Kosten für eine schwere Operation zahlen. Das ist ein struktureller Fehler. Wir sind auf Bundesebene - das wissen Sie - in intensiven Gesprächen auch mit den Ministerpräsidenten, das aufzubrechen. Es sieht gut aus. Wir werden das nicht lösen, wenn jedes Bundesland für die Kommunen diese Kosten übernimmt, weil das einfach nicht zu wuppen ist. Die Leute müssen in die GKV. - Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Sie sprechen immer die Ehrenamtlichen an. Die sagen uns: Es ist so aufwendig, erst zum Arzt und dann zum Sozialamt zu gehen. Dann kriegen sie den Krankenschein nicht. - Sie kennen das Problem. Deswegen wollen wir die Gesundheitskarte einführen. Auch das würden Sie strukturell auflösen.

Zu dem dritten Punkt, den Sie gesagt haben, auch bedingt durch das Asylbewerberleistungsgesetz: Personen, die im Asylbewerberleistungsgesetz festhängen, haben keinen Zugang zu den Arbeitsmarktinstrumenten. Sie sind faktisch ausgeschlossen. Jetzt haben wir den Arbeitsmarkt auch mit hohem Druck durch die Kollegen auf Bundesebene für Asylsuchende und Geduldete ab dem dritten Monat geöffnet. Aber was nützt ihnen dieser Zugang, wenn sie keine Qualifizierungsmaßnahmen durch die Bundesagentur für Arbeit bekommen? - Das liegt daran, dass sie nicht Empfänger

von SGB-II-Leistungen, sondern Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind. Auch da sagen uns alle - ob die Ehrenamtlichen oder die Flüchtlinge -: Wir wollen arbeiten, aber bitte, bitte lasst uns dann auch bei der Agentur für Arbeit Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch nehmen, oder - das steht auch in unserem Antrag - öffnen Sie die Integrationskurse, damit wir wenigstens Deutsch lernen können!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von Jörg Hillmer [CDU])

Es bringt nichts, Herr Hillmer, wenn wir als Bundesland in jedem Punkt Reparaturbetrieb für ein strukturell falsches Asylsystem sind, meine Damen und Herren.

Herr Oetjen, wir haben seit 20 Jahren ein bewährtes System - Frau Lorberg, das wissen Sie auch - des kooperativen Migrationsnetzwerkes, das Anfang der 90er-Jahre unter Rot-Grün installiert worden ist. Dieses Netzwerk gibt es in 18 verschiedenen Regionalverbünden in ganz Niedersachsen. Die tauschen sich intensiv zu den jährlichen Änderungen des Aufenthaltsgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes aus. Da sind Beraterinnen und Berater, die seit 20 Jahren hoch professionell die Leute beraten.

Wir haben diese Mittel aufgestockt, die Sie in den letzten Jahren heruntergefahren haben. Herr Oetjen, deswegen macht es aus meiner Sicht keinen Sinn - der Minister wird das trotzdem im Rahmen des Aufnahmegesetzes beraten -,

(Jörg Hillmer [CDU]: Wann wird Niedersach- sen endlich aktiv?)

die Mittel der Kostenpauschale für die Kommunen für Flüchtlingssozialarbeit aufzustocken, weil die Mittel viel besser in einem strukturellen System der kooperativen Migrationsarbeit der Regionalverbünde angelegt sind.

(Editha Lorberg [CDU]: Sie lenken doch nur vom eigentlichen Thema ab! Merken Sie das nicht?)

Denn diese Leute haben jetzt schon sehr viel zu tun. Da ist das Geld wirklich besser angelegt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb hoffe ich, dass Sie genauso wie wir offen in die Diskussion zum Antrag der FDP gehen wer

den, dass Sie gemeinsam mit uns diesen Antrag diskutieren und beraten.

Denn wir brauchen nicht nur die Unterstützung der Kommunen bei den Punkten, die ich angesprochen habe, sondern es wäre wirklich ein gutes Signal, wenn die CDU in Niedersachsen genauso offen, wie Sie das angesprochen haben, Frau Lorberg, einen Systemwechsel zwischen dem Asylsystem und dem Einwanderungssystem und unseren Antrag offen mitdiskutiert. Denn so weit sind Ihre Kollegen im Bundestag nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Jahns, eine Kurzintervention. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Polat, Sie haben sehr viel zum Einwanderungs- und Zuwanderungsgesetz, aber leider sehr wenig zu der Entlastung der Kommunen gesagt. Ich frage Sie an dieser Stelle: Wie sehen Sie denn die Unterbringung der Betroffenen, der Asylbewerber? Wir haben ja bei der Flüchtlingskonferenz gehört, dass 400 Menschen in Zelten und viele Hundert in Containern untergebracht werden. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit, als wir hier dramatische Szenen im Landtag erlebt haben, als Sie eine dezentrale Unterbringung gefordert haben. So schnell kann man seine Werte verkaufen, wenn man an der Macht ist!

Ich frage Sie: Wenn es eine engere Belegung gibt, sodass die Menschen in den Unterkünften ziemlich eingepfercht sind, ist das noch menschenwürdig? Können Sie das mit Ihrem Gewissen vereinbaren?

(Beifall bei der CDU - Petra Tiemann [SPD]: Die Menschen sind nicht ein- gepfercht! Wann haben Sie denn das letzte Mal eine solche Einrichtung be- sucht? - Gegenruf von Angelika Jahns [CDU]: Das habe ich! - Gegenruf von der SPD: Wo denn? - Petra Tiemann [SPD]: Die sind nicht eingepfercht! - Gegenruf von Angelika Jahns [CDU]: Besuchen nützt nichts, Sie müssen schon ein bisschen Geld mitbringen! - Gegenruf von Petra Tiemann [SPD]: Das werden Sie mit Geld nicht lösen!)

Frau Polat, bitte schön!

Frau Jahns, ich finde, Sie gehen argumentativ immer unter die Gürtellinie und werden immer gleich persönlich.

(Angelika Jahns [CDU]: Was haben Sie denn gestern gemacht?)

- Ich argumentiere wirklich sachlich und inhaltlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihr Vokabular und Ihre Rhetorik - es tut mir leid - teile ich nicht.

(Angelika Jahns [CDU]: Gott sei Dank!)