wenn sich alle beruhigt haben, für die Fraktion der SPD der Kollege Frank Henning. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.
„Die Erbschaftsteuer dient nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst.“
Meine Damen und Herren, dieser eben zitierte Satz - das haben Sie gut erkannt, Herr Bode - stammt nicht von mir, sondern aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 und ist deswegen nicht minder bedeutend.
Dieser Satz der Verfassungsrichter macht nämlich deutlich, worum es bei der Erbschaftsteuer im Kern geht. Mehr Steuergerechtigkeit statt grenzenloser Ausnahmen, so wie von CDU und FDP vorgesehen, ist nicht nur das Thema der heutigen Aktuellen Stunde, sondern zieht sich bei genauer Betrachtung wie ein roter Faden durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer, meine Damen und Herren.
Die Verfassungsrichter haben richtigerweise erkannt, dass die Erbschaftsteuer ein Instrument des Sozialstaats ist. Aufgrund der zahlreichen Ausnahmetatbestände und der übermäßigen Privilegierung des Betriebsvermögens in der Praxis der letzten Jahre hat die Erbschaftsteuer aber eher zur Ungleichheit der Vermögensverhältnisse in diesem Land beigetragen.
Es gibt krasse Unterschiede in der Einkommens- und Vermögensverteilung in diesem Land. Auf Dauer kann es für den sozialen Frieden in diesem Land nicht gut sein, wenn beispielsweise 10 % der Bevölkerung etwa 60 % des Vermögens in diesem Land besitzen, während etwa 27 % der Bevölkerung ein negatives Vermögen - sprich: Schulden - haben, und zwar ausschließlich Schulden.
Als wichtiger Baustein für mehr Leistungsgerechtigkeit rückt deshalb die Erbschaftsteuer in den Fokus. Eine Erbschaft ist leistungsloses Einkommen, weil die Erben nichts zu ihrem Vermögenszuwachs beitragen. Im Jahr 2013 lag das Aufkommen der Erbschaftsteuer bundesweit bei ca. 4,6 Milliarden Euro - im Vergleich zum Aufkommen aus der Tabaksteuer von rund 13,8 Milliarden Euro ein extrem geringer Betrag.
Das Ungleichgewicht wird umso deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass 2013 Vermögen im Wert von sage und schreibe 254 Milliarden Euro vererbt wurden. Das bedeutet in Relation zum Aufkommen eine reale Steuerbelastung von ganzen 1,7 %. Durch diese mangelnde Besteuerung von Erben potenziert sich soziale Ungerechtigkeit über Generationen hinweg.
Die Erbschaftsteuerreform ist für das Land Niedersachsen aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit enorm wichtig, sondern auch unter dem Aspekt der Haushaltskonsolidierung. Die Erbschaftsteuer ist nämlich eine reine Ländersteuer. Der Ertrag aus dieser Steuer fließt ausschließlich unserem Landeshaushalt zu. Aus Ländersicht ist es daher wichtig, dass das Erbschaftsteueraufkommen im bisherigen Umfang erhalten bleibt. Es beträgt roundabout 300 Millionen Euro jährlich. Umgerechnet entspricht dies 6 000 Lehrerstellen, die wir allein aus dem Erbschaftsteueraufkommen finanzieren können.
Dieser Vergleich macht deutlich, dass wir als Land Niedersachsen auf diese Einnahmen nicht verzichten können. Ziel der SPD-Landtagsfraktion ist daher, eine verfassungskonforme Erbschaftsteuer durch den Abbau der gerügten Überprivilegierung des Betriebsvermögens und zugleich den Erhalt und die Sicherung von Arbeitsplätzen insbesondere bei kleinen und familiär geprägten Unternehmen zu erreichen.
Für uns standen bisher die Eckwerte des Bundesfinanzministeriums, das sogenannte SchäublePapier, als gute Ausgangsbasis für die Erbschaftsteuerreform im Fokus der Betrachtung. Nun mussten wir überraschenderweise feststellen, dass maßgebliche Strukturelemente des bisherigen Eckwertepapiers von Schäuble durch den vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuer offensichtlich aufgegeben worden sind. Wir werden uns diesen Kabinettsbeschluss zur Reform der Erbschaftsteuer unter dem Aspekt einer verfassungsfesten Neuformulierung noch einmal genau ansehen. Die Vorgaben aus Karlsruhe müssen dabei beachtet werden, auch um nicht in einigen Jahren, Herr Bode, erneut vor dem Bundesverfassungsgericht stehen zu müssen.
Daher ist es geboten, dass die bisherigen und gerügten Verschonungsregelungen bei betrieblichen Vermögensübergängen künftig so formuliert und ausgestaltet sind, dass diese den verfas
sungsrechtlichen Anforderungen genügen. Je großzügiger die Privilegierung, umso größer das verfassungsrechtliche Risiko. Das sollten auch CDU und FDP hier im Hause wissen, da sie mit ihren Forderungen nach noch weiter gehenden Privilegien die aktuelle Reform direkt in die erneute Verfassungswidrigkeit steuern würden, wenn wir sie denn ließen.
Ziel sozialdemokratischer Steuerpolitik ist, eine verfassungskonforme Neuregelung der Erbschaftsteuer zu erreichen, das solidarische Miteinander in diesem Land zu fördern, der sozialen Spaltung in diesem Land entgegenzuwirken und vor allen Dingen die öffentlichen Haushalte für die Zukunftsaufgaben dieses Landes fit zu machen.
Vielen Dank, Herr Kollege Henning. Auch Sie sind exakt im Zeitlimit. - Es folgt für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Bode. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Heere, bei Ihrem Beitrag zu diesem Teil der Aktuellen Stunde hat sich ein einziges Thema durch alles, was Sie gesagt haben, hindurchgezogen, und das war: Steuereinnahmen des Staates. Bei der Frage der Erbschaftsteuer geht es Ihnen ausschließlich um die Einnahmesituation des Staates. Und das unterscheidet uns diametral.
Uns geht es um 188 000 Arbeitsplätze in Niedersachsen, die nämlich bei der Erbschaftsteuer davon bedroht sind, in den nächsten Jahren nicht mehr zu existieren, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das sind 188 000 Schicksale, Familien, Menschen, die ihre Existenz durch die Erbschaftsteuer gefährdet sehen werden, wenn die Reform so gemacht wird, wie sie Herr Schäuble vorgelegt hat, und noch gefährdeter sind, wenn Herr Heere in Deutschland irgendetwas bei der Erbschaftsteuer zu sagen hätte.
In einem Punkt hat Herr Heere ja Recht. Dieser vorgelegte Gesetzentwurf ist für einen normalen Menschen vollkommen unverständlich und nicht zu verstehen. Das ist ein Konjunkturpaket für Steuerberater; das muss man ehrlicherweise sagen. Auch von denen schaffen es nur einige, da durchzukommen. Die Sprachverwirrungen in diesem Gesetzestext sind unmöglich. Herr Heere, deswegen mache ich Ihnen auch keinen Vorwurf. Wenn Sie den Gesetzestext im Kleingedruckten tatsächlich genau lesen: Alle die Ausnahmetatbestände, die Ihnen ja noch zu weit gehen, werden im Kleingedruckten durch Sonderregelungen wieder zunichte gemacht und greifen für den normalen Handwerksbetrieb gar nicht mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wenn das, was momentan vorliegt, wirklich Eingang ins Gesetzblatt findet, werden die 188 000 Arbeitsplätze in Niedersachsen Stück für Stück verschwinden. Und das dürfen wir nicht zulassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deshalb wundert es mich auch, dass der Wirtschaftsminister bei diesem Thema - wenn es um 188 000 Arbeitsplätze in Niedersachsen geht - so ruhig ist. Eine beängstigende Ruhe strahlt er aus! Und der Niedersächsische Ministerpräsident, der jedes Mikrofon, das ihm hingehalten wird, greift, sagt: Wir wollen keine Änderungen, die mittelständische Unternehmen in Niedersachsen gefährden. - Der Finanzminister sagt: Wir wollen doch gar keine Steuererhöhungen, wir wollen gar keine Mehreinnahmen! - Genau das Gegenteil passiert aber gerade in Berlin.
Warum bleiben Sie hier so ruhig sitzen? Warum laufen Sie nicht los und kämpfen für die Arbeitsplätze bei uns im Land? - Das müssen Sie doch tun! Das ist Ihre Aufgabe. Hierbei versagen Sie aber völlig, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Deshalb haben wir als FDP Ihnen in einem umfassenden Entschließungsantrag Änderungsvorschläge aufgeschrieben. Nehmen wir nur die drei wesentlichen Forderungen. Eigentlich müssten sie auch bei der SPD auf große Zustimmung treffen, nachdem Sie gerade die Entscheidung des Bun
Dann machen wir doch den ersten Schritt, den das Bundesverfassungsgericht beschrieben hat! Es hat gesagt: Der Gesetzgeber darf sämtliche kleine und mittelständische Unternehmen von der Erbschaftsteuer freistellen. - Dann machen wir das doch, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie zwingen kleine und mittelständische Unternehmen in die Erbschaftsteuer, obwohl das Verfassungsgericht das gar nicht gewollt hat; denn es hat mehr wirtschaftlichen Verstand als Sie hier alle zusammen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Greifen wir dann doch auch einen Punkt des Ministerpräsidenten auf, der immer wieder durchs Land geht und sagt und quasi jammert: Warum investiert denn hier niemand? - Dann nutzen wir doch die Erbschaftsteuer und setzen eine Reinvestitionsquote ein, damit der Erbe, der das Unternehmen fortführt und die Arbeitsplätze erhält, noch mehr investieren und Wachstum und neue Arbeitsplätze schaffen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren. Auch da bei Ihnen: Fehlanzeige! Nichts kommt! Das ist Arbeitsverweigerung, Herr Ministerpräsident!
Herr Heere, dann kommen wir zu der von Ihnen dargestellten Bedürfnisprüfungsgrenze. Sie haben von einem Firmenwert von 20 Millionen Euro gesprochen. Das klingt nach wahnsinnig viel. Das ist schon viel zu viel, meinen Sie.
- Ob 26 Millionen oder 20 Millionen Euro - ganz ehrlich, Herr Heere, das Problem bei dieser Höhe ist, dass aufgrund der Berechnung, die die Finanzämter für die Festlegung des Firmenwertes machen, eine Kapitalisierung aufgrund des heutigen Zinsniveaus erfolgt. Bei einem Nullzinsniveau, bei einer Nullzinspolitik, die durch die EZB momentan betrieben wird, liegt der Wert jeder Firma in gigantischer Höhe. Das heißt, die Grenze bei 20 Millionen Euro ist kompletter Nonsens. Sie nützt niemandem!
Warum gehen Sie nicht auf den Wert, den Herr Kretschmann oder Herr Schmid in Baden-Württemberg gesagt hat? - Dort sind wenigstens mal Leute von Grünen und SPD, die vor Ort mit Mittel
ständlern zu tun haben und deren Sorgen und Nöte kennen. Die beiden haben vorgeschlagen: Nehmen wir doch mindestens 100 Millionen Euro, damit diese Grenze überhaupt einen Sinn hat, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Mit diesem Gesetz werden Sie über 100 000 Arbeitsplätze - fast 200 000 - in Niedersachsen gefährden. Das passiert, wenn man Herrn Heere folgt, und das darf nicht passieren, meine sehr geehrten Damen und Herren!