Zu 1: Ein Mehrbedarf bei Kapitel 0774, Titelgruppen 70 bis 72 - Titelgruppe 70: Finanzhilfe, Titelgruppe 71: Beitragsfreiheit, Titelgruppe 72: Kindertagespflege - konnte von meinem Haushaltsreferat nach den hier seinerzeit vorliegenden Informationen weder im Rahmen der Haushaltsführung 2014 noch im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens 2015 begründet werden. Das möchte ich Ihnen anhand einer Chronologie aufzeigen.
18. September 2014: Ein Mehrbedarf konnte von Referat 12 - das ist das Haushaltsreferat in meinem Haus - auf Grundlage einer E-Mail des zuständigen Sachgebietsleiters für den frühkindlichen Bereich der Niedersächsischen Landesschulbehörde an den zuständigen Referenten meines Referates „Tageseinrichtungen und Tagespflege für Kinder“ - Referat 21 - nicht begründet werden, da die Annahmen der Landesschulbehörde für das beitragsfreie Kindergartenjahr und die Betriebskosten für das Haushaltsjahr 2014 nicht belastbar waren. Das kann man auch an dem Auszug aus dem Protokoll zu der Dienstbesprechung vom 29. Mai, aus dem ich gleich noch zitieren werde - Punkt 1 - sehr gut erkennen.
„Bezüglich der Höhe der noch benötigten Haushaltsmittel für das Haushaltsjahr 2014 für die Finanzhilfe kann keine Einschätzung abgegeben werden, da nicht bekannt ist, welche Finanzvolumen die noch offenen rund 2 400 Anträge zur Folge haben.“
„Wenn von den Annahmen ausgegangen wird, dass sowohl das beitragsfreie Kindergartenjahr (104,8 Millionen) als auch die Betriebskosten der Kindertagespflege (33,7 Millionen) ihre Vorjahressummen benötigen, sind die noch verfügbaren Mittel bereits um 11,1 Millionen überschritten.“
Diese E-Mail haben zur Kenntnis erhalten: die Leiterin des Fachbereichs „Frühkindliche Bildung“ in der Niedersächsischen Landesschulbehörde, der Dezernent im Fachbereich „Frühkindliche Bildung“ in der Niedersächsischen Landesschulbehörde, die Leiterin des Referats 21 des Kultusministeriums, der Referent im Referat 21 des Kultusministeriums, drei Bearbeiterinnen im Referat 21 des Kultusministeriums und der zuständige Bearbeiter im Referat 12 des Kultusministeriums.
29. September 2014: Ein Mehrbedarf konnte von Referat 12 auch nach einer Dienstbesprechung zwischen dem Kultusministerium - mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den Referaten 12 und 21 - und der Niedersächsischen Landesschulbehörde am 29. September 2014 nicht begründet werden, da weder der Landesschulbehörde noch dem Referat 21 eine Prognose darüber möglich war, ob die im Haushaltsjahr 2014 veranschlagten Haushaltsmittel tatsächlich nicht auskömmlich sein würden.
„Weder der Niedersächsischen Landesschulbehörde noch dem Referat 21 ist zurzeit eine Prognose darüber möglich, ob die in diesem Haushaltsjahr veranschlagten Haushaltsmittel tatsächlich nicht auskömmlich sind bzw. in welcher Höhe ggf. ein Finanzierungsdefizit entstehen wird.“
„Aufgrund der Bearbeitungsrückstände bei der Finanzhilfe und den Anhebungen der Finanzhilfesätze für Krippengruppen zum 01.02. und 01.08.2013 kann die Niedersächsische Landesschulbehörde zurzeit auch nicht die Frage beantworten, ob es ein strukturelles Finanzierungsdefizit gibt.“
„Der zuständige Bearbeiter des Referats 12 schlägt vor, die Auszahlungen zu den Betriebskosten für die Tagespflege und die Auszahlungen zum beitragsfreien Kindergartenjahr bis kurz vor Ende des Haushaltsjahres auszusetzen und zunächst nur die Verpflichtungen der Finanzhilfe zu bedienen, um die Abarbeitung der Bearbeitungsrückstände bei den Finanzhilfeanträgen nicht zu gefährden (laut Leiterin des Fachbereichs Frühkindliche Bildung der Niedersächsischen Landesschulbehörde stehen im nächsten Jahr vier Stellen weniger im Be
reich der Finanzhilfe zur Verfügung, aufgrund der Einführung und Finanzierung der dritten Krippenkraft ist zudem vorübergehend mit Mehraufwand zu rechnen). Bei vollständiger Abarbeitung der Finanzhilferückstände gebe es auch wieder eine Grundlage, um in die Zukunft gerichtet den Haushaltsbedarf bei Kapitel 0774 Titelgruppen 70 bis 72 verlässlich einschätzen zu können und gegebenenfalls eine Erhöhung der Mittel im Rahmen des Haushaltsplanentwurfs 2016 anzumelden.“
„Referat 21 und die Niedersächsische Landesschulbehörde vereinbaren, dass alle Verpflichtungen weiterhin bedient werden und die Entwicklung der Mittelausschöpfung zunächst engmaschig durch den zuständigen Sachgebietsleiter des frühkindlichen Bereichs der Niedersächsischen Landesschulbehörde überwacht wird …. Der zuständige Sachgebietsleiter des frühkindlichen Bereichs der Niedersächsischen Landesschulbehörde bleibt dabei in Austausch mit Referat 21. Sollte konkret absehbar sein, dass die Mittel in Kürze ausgeschöpft sein werden, wird der zuständige Sachgebietsleiter des frühkindlichen Bereichs der Niedersächsischen Landesschulbehörde erneut berichten. Sodann wird die weitere Vorgehensweise beraten.“
Teilnehmende an dem Gespräch: Die Leiterin des Fachbereichs „Frühkindliche Bildung“ der Niedersächsischen Landesschulbehörde, der Sachgebietsleiter des Fachbereichs „Frühkindliche Bildung“ der Niedersächsischen Landesschulbehörde, der Referent im Referat 21 des Kultusministeriums, zwei Bearbeiterinnen im Referat 21 des Kultusministeriums, der zuständige Referent im Referat 12 des Kultusministeriums und der zuständige Bearbeiter im Referat 12 des Kultusministeriums.
Kenntnis vom Besprechungsinhalt hat darüber hinaus erhalten - über den Gesprächsvermerk - der Leiter des Referats 12 des Kultusministeriums.
5. Dezember 2014: Zwischenzeitlich standen Referat 21 des Kultusministeriums und die Niedersächsische Landesschulbehörde wegen der Auskömmlichkeit der Mittel im Haushaltsjahr 2014 in ständigem Kontakt.
Per E-Mail informierte der zuständige Sachgebietsleiter des frühkindlichen Bereichs der Niedersächsischen Landesschulbehörde den zuständigen Referenten des Referats 21 über die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel und die Höhe der in der Niedersächsischen Landesschulbehörde noch vorliegenden Geldbedarfsanforderungen für die Kindertagespflege und den Finanzierungsbedarf für noch unbearbeitete Anträge im Rahmen der Beitragsfreiheit.
Eine konkrete Höhe eines Mehrbedarfs für das Jahr 2014 wurde vom zuständigen Sachgebietsleiter des frühkindlichen Bereichs der Niedersächsischen Landesschulbehörde nicht beziffert bzw. geltend gemacht.
Kenntnis von der E-Mail haben erhalten: die Leiterin des Fachbereichs „Frühkindliche Bildung“ der Niedersächsischen Landesschulbehörde, der Dezernent im Fachbereich „Frühkindliche Bildung“ der Niedersächsischen Landesschulbehörde, der Beauftragte für den Haushalt der Niedersächsischen Landesschulbehörde, die Leiterin des Referats 21 im Kultusministerium, der Referent im Referat 21 des Kultusministeriums und die Bearbeiterin im Referat 21 des Kultusministeriums.
10. Dezember 2014: Zur Haushaltsführung 2014: Die Beantragung überplanmäßiger Ausgaben war nach Nr. 8.9 der Haushaltsführungsrichtlinie vom 12. Dezember 2012 nicht mehr möglich.
Zur Haushaltsplanung 2015: Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein Nachsteuerungsbedarf für das Jahr 2015 bestand, konnte zu diesem Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Es lagen keine Erkenntnisse darüber vor, welchen Ursprungsjahren das Defizit zuzurechnen war und welche Ursachen dazu geführt hatten.
Von einer Nachsteuerung bereits im Rahmen des Aufstellungsverfahrens zum Haushaltsplanentwurf 2015 ist abgesehen worden, da die Höhe eines Nachsteuerungsbedarfs für 2015 im Dezember 2014 nicht beziffert werden konnte. Insofern bestand schlicht und ergreifend, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesem Zeitpunkt keine Etatreife. Auch gab es keine Prognosen über ein strukturelles Finanzierungsdefizit und einen eventuellen Mehrbedarf für die Haushaltsjahre 2015 ff. seitens der Niedersächsischen Landesschulbehörde und des Referats 21 im Kultusministerium.
Im Dezember 2014 konnte zudem nicht ausgeschlossen werden, dass das sich für das Jahr 2014 abzeichnende Defizit nicht durch die erhöhte Mittelveranschlagung im Haushaltsjahr 2015 - im Vergleich zum Haushaltsjahr 2014 erhöhte sich der Ansatz ohne die kalkulierten Ausgaben für die dritten Krippenkräfte auch um rund 17 Millionen Euro - gedeckt werden könnte. Das heißt, die Landesregierung hat auch mit der Mittelanmeldung für den Haushalt 2015 eine weitere Steigerung des Ansatzes eingeplant.
Durch die E-Mail der Niedersächsischen Landesschulbehörde vom 5. Dezember 2014 an das Referat 21 - diese wurde dem zuständigen Bearbeiter des Referats 12 am 10. Dezember 2014 zur Kenntnis gegeben - erhielt das Referat 12 Informationen darüber, dass die im Haushaltsplan 2014 für das Haushaltsjahr 2014 veranschlagten Mittel nicht auskömmlich sein würden. Belastbare Berechnungen wurden dazu nicht vorgelegt. Ein zusätzlicher Mittelbedarf wurde nicht geltend gemacht.
E-Mail des zuständigen Bearbeiters des Referats 12 an den zuständigen Referenten und Referatsleiter des Referats 12 - einschließlich einer Kopie an die zuständige Bearbeiterin und den Referenten des Referats 21 -:
„Es besteht - unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel in Höhe von rund 2,6 Mio. € … und der von der NLSchB am 05.12.2014 mitgeteilten Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 37,3 Mio. € (15,9 Mio. € für die Kin- dertagespflege und 21,4 Mio. € für das bei- tragsfreie dritte Kindergartenjahr) - ein rechnerisches Defizit in Höhe von 34,7 Mio. €.“
Hinweis: Die verfügbaren Mittel zum Stichtag 5. Dezember 2014 in Höhe von rund 2,6 Millionen Euro waren um rund 5,3 Millionen Euro geringer als die zur Übertragung in das Haushaltsjahr 2015 angemeldeten Ausgabereste des Haushaltsjahres 2014 in Höhe von rund 7,9 Millionen Euro.
2. Februar 2015: Übersendung der Liste mit 52 sogenannten Big Points im Rahmen des Eckwerteverfahrens durch die Grundsatz-Bearbeiterin des Referats 12 auf Arbeitsebene an den für das Kultusministerium zuständigen Referenten des Spiegelreferats des MF - u. a. über ein Finanzierungsdefizit in 2015 in Höhe von 55,031 Millionen Euro.
24. Februar 2015: Erstellung eines Vermerks für mich auf dem Dienstweg durch den zuständigen Bearbeiter des Referats 12 u. a. zur Bereinigung eines berechneten Finanzierungsdefizits in Höhe
von 50,581 Millionen Euro für das Jahr 2015 und zur Bereinigung eines strukturellen Finanzierungsdefizits für die Jahre 2016 bis 2019.
2. Juni 2015: Minister Schneider informiert im Rahmen der 102. Sitzung der Landesregierung über den aktuellen Sachstand des Haushaltsaufstellungsverfahrens 2016 und das geplante Verfahren zur Aufstellung eines Nachtragshaushalts 2015. Teilnehmende sind u. a. Frau Modder und Frau Piel, Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags.
18. Juni 2015: Die Öffentlichkeit wird durch eine Presseinformation umfassend über einen Nachsteuerungsbedarf bei der Finanzhilfe in Höhe von rund 80 Millionen Euro im Rahmen eines Nachtragshaushalts für das Haushaltsjahr 2015 informiert.
(Christian Dürr [FDP]: Wie bitte? Rot- Grün ist vorab informiert worden? Das kann nicht wahr sein! Was ist mit Herrn Thümler und mir? - Weitere Zu- rufe von der FDP - Unruhe)
23. Juni 2015: Beschluss der Landesregierung über den Nachtragshaushaltsplanentwurf 2015 im Rahmen der 105. Sitzung und Vorlage des Nachtragshaushaltsplanentwurfs 2015 an den Präsidenten des Niedersächsischen Landtags.
Zu Frage 2: Ein - ich zitiere aus der Dringlichen Anfrage - „Mehrbedarf von über 38 Millionen Euro“ war der Landesregierung weder zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushalts 2015 noch zu einem späteren Zeitpunkt bekannt.
Wenn aber mit der Fragestellung der Betrag von 34,7 Millionen Euro gemeint ist, den mein Ministerium am 10. Dezember 2014 auf der Basis des Berichts der Landesschulbehörde summarisch errechnet hat, ist auf Folgendes hinzuweisen:
Zu diesem Zeitpunkt konnte mein Haus nicht mehr reagieren, weil es bereits zu spät war, eine überplanmäßige Ausgabe im Rahmen der Haushaltsführung 2014 zu beantragen.
Es konnte aber auch nicht agieren, weil die schlichte und ungeprüfte Meldung der Landesschulbehörde keine Anmeldungen für die Jahre 2015 bis 2019 enthielt. Ob und in welchem Umfang eine Problemlage für 2015 entstanden ist, war zu diesem Zeitpunkt nicht feststellbar. Der Sachverhalt musste erst vollständig ermittelt werden. Insofern war auch zu diesem Zeitpunkt keine Etatreife gegeben.