Meine Damen und Herren, sehen wir uns den Gesetzentwurf der FDP einmal etwas näher an und fragen uns, was der FDP vorschwebt! Sie möchte, dass an Sonntagen statt drei künftig fünf Stunden lang geöffnet werden kann. Die Reduktion der Öffnungszeiten in den Ausflugs-, Kur- und Erholungs- bzw. Wallfahrtsorten von acht auf fünf Stunden ist, so denke ich, eher ein Flüchtigkeitsfehler, der Ihnen unterlaufen ist und mit Sicherheit noch geändert wird. In Ihrem Wahlprogramm und im Wahlkampf haben Sie selbst betont, dass Sie die dreistündige Öffnungszeit an Sonntagen auf acht Stunden ausdehnen wollen.
Meine Damen und Herren, die grundsätzliche Vereinfachung bzw. Vereinheitlichung der Öffnungszeiten mag für den Verwaltungsvollzug von Vorteil sein. Aber: Die Abwägung der verfassungsrechtlichen Verankerung des Sonn- und Feiertagsschutzes ist die Herausforderung per se; das wissen Sie. Ein geändertes Konsumverhalten ist nicht zwingend ein hinreichender Grund für die Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns noch einmal einen Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juni 2004 werfen! Es weist eindeutig darauf hin, dass eine bundeseinheitliche Regelung des Ladenschlusses für die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen und Lebensverhältnisse im Bundesgebiet und für die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse nicht erforderlich ist. Wenn also in benachbarten Bundesländern andere Regelungen bestehen, muss Niedersachsen diese nicht zwingend aufnehmen.
Stadtstaaten inmitten eines Flächenlandes wie Niedersachsen würde ich ungern als Vergleich heranziehen. Wenn von unserer Kollegin König die Verhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern oder Nordrhein-Westfalen dargestellt werden, ist zu sagen, dass es dort auch Restriktionen gibt, die wir im Gesetz nicht verankert haben. NordrheinWestfalen hat für Autowaschanlagen keine Sonntagsöffnung vorgesehen, und in Mecklenburg-Vorpommern sind die Sonntagsöffnungsmöglichkeiten
Erste Reaktionen auf den Gesetzentwurf der FDP hat es bereits gegeben. Der Landessportbund ist von unserem Kollegen Ansmann mit angeführt worden. Ich würde allerdings aus dem Schreiben einen Satz besonders hervorheben. Dort wird darauf hingewiesen, dass das Engagement im Ehrenamt, das gemeinsame Sporttreiben und ein aktives Vereinsleben auf freie Sonn- und Feiertage angewiesen sind. Ich glaube, das ist der Kernsatz, der nicht außer Acht gelassen werden sollte.
Kirchen und Sozialverbände haben in der Vergangenheit wie auch aktuell in aller Deutlichkeit auf ein Ruhebedürfnis und auf eine gesellschaftsverträgliche Vertaktung des Arbeitslebens hingewiesen. Dabei nimmt der Sonntag immer noch, wenn nicht sogar wieder eine stärkere Rolle ein.
Wir fragen uns schon, warum eine Änderung des Gesetzes in der Fassung vom Oktober 2011 erforderlich ist. Nicht nur uns geht es so, sondern auch der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Niedersachsen-Bremen, Herr Thiemann, äußerte sich überrascht vom Vorstoß der FDP. Ich darf dabei aus dem Kurier am Sonntag - das ist die Sonntagausgabe des Weser Kuriers - vom 26. Mai 2013 zitieren. Gleichlautend war es auch in der HAZ nachzulesen. Er wird folgendermaßen zitiert:
„Wir sind über diese Initiative überrascht, da es aus den Kreisen des Handels keine Stimmen gab, die eine Änderung des bisherigen und in seiner Struktur bewährten Ladenöffnungszeitengesetzes in Niedersachsen forderten.“
Meine Damen und Herren, sicher: Nicht nur in Niedersachsen wurde in den vergangen Jahren der Ladenschluss heiß diskutiert. Wenn aber die aktuelle Regelung als ein gangbarer Kompromiss bezeichnet wird und die recht weitreichenden generellen Ausnahmen für Bäcker und den Einzelhandel in Bahnhöfen und dergleichen mehr von den Praktikern als ausreichend erachtet werden, dann hat Schwarz-Gelb mit Beteiligung der SPD im Herbst 2011 etwas Brauchbares auf den Weg gebracht. Das muss nicht nach eineinhalb Jahren grundsätzlich infrage gestellt werden.
Meine Damen und Herren, wir haben die Möglichkeit, diese Fragen im federführenden Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration mehr oder weniger ausreichend zu erörtern. Dort können die Form der Anhörung sowie die Eignung des vorliegenden Entwurfs geklärt werden, um die genannten Vollzugsprobleme eventuell lösen zu können.
Mitberatend ist der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Ich möchte hier beantragen, dass auch der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in die Mitberatung miteinbezogen wird. Es würde mich freuen, wenn das Unterstützung finden würde.
Zu dem letzten Vorschlag würde ich die Parlamentarischen Geschäftsführer bitten, untereinander abzuklären, ob das tatsächlich hier beschlossen werden soll oder ob der federführende Ausschuss nicht von dem Recht, den Gesetzentwurf zur Mitberatung zu überweisen, Gebrauch machen sollte, was eigentlich das übliche Verfahren wäre. Ich bitte um kurze Rückmeldung, ob das tatsächlich hier beschlossen werden soll.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist noch nicht dran gewesen. Der Kollege Thomas Schremmer hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Was diesen Gesetzentwurf angeht, bin ich ausnahmsweise mal stramm auf CDU-Linie.
Das wird sicherlich nicht so oft vorkommen. Aber in diesem Fall finde ich es gut, dass ich das auch mal sagen darf.
Der Landtag beschäftigt sich heute zum x-ten Male mit dem Thema Ladenöffnung bzw. eigentlich mit dem Thema Ladenschluss.
Die FDP-Fraktion hatte heute Morgen eine Aktuelle Stunde zum Thema „Karussellpolitik“. Jetzt frage ich Sie: Was ist Karussellpolitik, wenn nicht solche Gesetzentwürfe, wie er jetzt vorliegt?
Ich will es einmal etwas anders versuchen als mit den Punkten, die hier schon angeführt worden sind. Die Techniker-Krankenkasse hat Anfang dieses Jahres einen Bericht über die Krankentage veröffentlicht und ist dabei auch auf die Zunahme psychischer Erkrankungen und die damit verbundenen Krankentage eingegangen. Sie hat deutlich gemacht, dass die Zunahme in diesem Bereich ungleich höher als in allen anderen Krankheitsfeldern ist. Das bezieht sich nicht nur auf Krankheiten, die nichts mit dem Arbeitsleben zu tun haben. Im Gegenteil: Jeder sechste Krankentag ist psychisch bedingt. Das hat etwas mit dem Arbeitsleben zu tun.
Wir haben hier heute schon eine ganze Menge über Ruhe und Besonnenheit gesprochen. Deswegen möchte ich eine buddhistische Weisheit zitieren und Ihnen von der FDP Gelegenheit geben, noch zum Umdenken zu kommen: Gönne dir einen Augenblick der Ruhe, und du begreifst.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Soll das das Regierungshandeln beschreiben? - Heiterkeit bei der CDU)
Ich komme noch mit Sachargumenten, die Sie alle auch schon gehört haben. Ich will sie gerne noch einmal alle aufzählen, wie ich gerne erneut aufzählen will, wer in dieser Welt gegen diesen FDPGesetzentwurf sein wird und schon vorher war.
Nachweislich gibt es keine Umsatzsteigerungen durch die Öffnung an Feiertagen und Sonntagen. Es gibt keine Stärkung des mittelständischen Einzelhandels. Im Gegenteil: Die Ketten werden bevorzugt. Es gibt keine nachweislichen Beschäftigungswirkungen. Lediglich die Verteilung der Arbeitszeit ändert sich. Damit gibt es eine Erschwernis für ehrenamtliches Engagement und für die gemeinsame Zeit für die Familie. Schließlich gibt es keine Akzeptanz für diesen Gesetzentwurf außerhalb der FDP. Das ist zwar kein Sachargument, aber im Prinzip kann man das so sagen.
Auch ich habe das Zitat von Herrn Thiemann vor mir. Ich möchte noch ein anderes anbringen, nämlich vom Kollegen Focke von der CDU. Er hat am 26. September 2012 gesagt: Ich kann nur sagen, wir haben ein gut funktionierendes Ladenöffnungsgesetz. Bei dem wird es auch bleiben.
Der Kollege McAllister hat 2006 gesagt: Die Kirchen haben recht. Ohne Sonntage gäbe es nur Werktage. Das wollen wir nicht.
Der Kollege Thümler hat heute Morgen davon gesprochen, religiöse Feiertage zu schützen, die Religionsausübung zu ermöglichen, und er hat von Ruhe und Besinnung gesprochen. Er hat sogar über die Ladenöffnung an diesem von uns gemeinsam beschlossenen Feiertag gesprochen.
Ich kann Ihnen nur sagen, liebe FDP: Diese Regelung geht an der Wirklichkeit vorbei. Das steht auch in Ihrem Gesetzentwurf: Die bisherige Regelung geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. - Das ist zwar nur ein Halbsatz, gilt aber original für diesen Gesetzentwurf.
Deswegen werden wir als Grüne diesem Gesetzentwurf keineswegs zustimmen, sondern versuchen, den Sonntag weiterhin als Tag der seelischen Erbauung und Erhebung zu behalten. Bevor sich Herr Bode gleich zu einer Kurzintervention meldet, will ich mit einer buddhistischen Weisheit schließen, die mir auch zu etwas Demut verhilft: Sei gütig, und du begreifst, dass dein Urteil über andere allzu hart war.
So, wie es der Kollege Schremmer eben schon festgestellt hat, liegt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention von dem Kollegen Bode von der FDP-Fraktion vor.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Volksmund würde jetzt sicherlich sagen: Vielleicht sollte man die Kirche einmal im Dorf lassen. Denn um was geht es in diesem Gesetzentwurf wirklich? - Es geht darum, dass Dinge, die im Warenkorb durchaus zu Irritationen und auch zu Abmahnungen führen, die niemand wirklich nachvollziehen kann, vernünftig geregelt werden.
Wenn man morgens Brötchen verkaufen darf, aber im gleichen Laden die Brötchen am Nachmittag, wenn man Kuchen verkauft, nicht mehr anbieten darf, ohne dass man Butter draufgeschmiert hat, ist das eine Regelung, die tatsächlich niemand verstehen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wenn man im Gartencenter zwar eine Pflanze verkaufen darf, aber dann, wenn man ein bisschen Blumenerde oder Torf für einen Rhododendron verkauft, als Händler riskiert, eine Abmahnung zu bekommen, ist das eine Regelung, die niemand nachvollziehen kann.
Die Frage ist, wie man das am besten regeln kann. Beim Warenkorb haben wir bislang keine Regelung gefunden, die dieses Problem gerade bezüglich der Abmahnung hat lösen können. Deshalb haben wir den Vorschlag zur Anpassung der Öffnungszeiten vorgelegt, um also diesem Problem Herr zu werden.
Meine lieben Kollegen von der SPD, ich empfehle ferner, den Gesetzentwurf mit der tatsächlichen Rechtslage abzugleichen. Auch wenn Sie gesagt haben, es solle auch künftig nicht möglich sein, sonntags in Videotheken DVDs auszuleihen, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass man das nach der geltenden Rechtslage schon heute darf. Der Punkt war nur in der Aufzählung enthalten, weil die Autowaschanlagen hinzukommen sollen.
Da haben wir das Problem, dass wir uns scheinbar um eine kleine Minderheit kümmern, wie Sie es so schön gesagt, liebe Kollegen von der SPD.