Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Drittens. Wir brauchen eine konzentrierte europäische Aufnahmeaktion und eine Pledging-Konferenz unter EU-Kommissarin Malmström; denn es ist und bleibt eine europäische Aufgabe. Deutschland kann hier nur Vorreiter sein. Wir müssen auch alle anderen EU-Staaten mit ins Boot holen.

(Beifall bei der CDU, bei den GRÜ- NEN und bei der FDP)

Viertens. Die internationalen Hilfszusagen waren großzügig und schnell. Wir fordern, dass den Worten auch Taten folgen. Erst 30 % der zugesagten Hilfsmittel wurden geleistet. Die zugesagten Hilfen müssen jetzt schneller in die Krisengebiete weitergeleitet werden.

(Beifall bei der CDU)

Fünftens. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass nach Artikel 3 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung ein EUMitgliedstaat ein Selbsteintrittsrecht hat, sodass Asylbewerber, die in Deutschland einen Asylantrag

stellen, nicht in das Land abgeschoben werden, in dem sie das erste Mal die Europäische Union betreten haben. Gerade in der Frage der syrischen Flüchtlinge ist es jetzt wichtig, dass die Bundesregierung dieses Selbsteintrittsrecht prüft, aber gleichzeitig natürlich auch darauf achtet, dass die Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten nicht verletzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei persönliche Bemerkungen in den Landtag einbringen.

Erstens. Mich macht es sehr betroffen, dass die aktuellen Berichte des Bundesnachrichtendienstes die Regierungstruppen von Baschar al-Assad gestärkt sehen. Zum einen halte ich es für absolut falsch, dass Russland dem Regime von al-Assad schon bisher Waffen geliefert hat. Meine Damen und Herren, das ist ein Beitrag zum Blutvergießen. Zum anderen kritisiere ich aber auch - das macht mich traurig und betroffen -, dass die EU-Außenminister gestern Nacht beschlossen haben, dass europäische Staaten ebenfalls Waffen an die Rebellen liefern dürfen. Meine Damen und Herren, das fördert den Krieg weiter und wird nicht Frieden stiften. Das ist keine gute Entwicklung.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression sind Delikte des Völkerstrafrechts, die vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag behandelt werden. Ich glaube, die internationale Gemeinschaft wäre gut beraten, zu fordern, dass sich der Diktator Baschar al-Assad vor dem Strafgerichtshof für Menschenrechte für das verantworten muss, was er seinem syrischen Volk angetan hat.

(Beifall)

Zum Abschluss: Der heutige gemeinsame Beschluss des Landtags ist ein wichtiges Zeichen an die syrischen Flüchtlinge, aber auch ihre Angehörigen hier in Deutschland. Ich wünsche mir sehr, dass diese Botschaft über die Grenzen Niedersachsens und Deutschlands hinaus auch gehört wird. Ich sage es noch einmal ganz deutlich in diese Richtung: Ihr seid herzlich willkommen!

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Focke. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Polat zu Tagesordnungspunkt 10 das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute senden wir aus Niedersachsen ein gemeinsames Signal der Solidarität mit den syrischen Flüchtlingen und ihren hier lebenden Angehörigen. Gemeinsam treten wir mit diesem Antrag dafür ein, dass syrische Flüchtlinge auf Dauer eine Perspektive in Niedersachsen erhalten, dass die Einreise von syrischen Menschen zu ihren Verwandten nach Deutschland erleichtert wird und dass für syrische Flüchtlinge, die über andere EULänder eingereist sind, die Möglichkeit eröffnet wird, ihr Asylverfahren in Deutschland durchzuführen.

Mit diesem Antrag senden wir aber auch ein deutliches Signal an die Bundesregierung bzw. im Speziellen an Bundesinnenminister Friedrich von der CSU. Immer noch weigert sich der für Einreisefragen zuständige Bundesminister des Innern, den Nachzug von Familienangehörigen aus humanitären Gründen zu erleichtern, obwohl das UN-Flüchtlingskommissariat schon im Dezember letzten Jahres entsprechend an die Bundesregierung appelliert hat.

Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag stehen wir gemeinsam mit zahlreichen Flüchtlingsorganisationen, Kirchen, syrischen Exilverbänden, aber auch mit Abgeordneten aller Fraktionen im Bundestag; denn wir brauchen mehr als die Hilfe vor Ort und mehr als ein schlichtes Touristenvisum für die Angehörigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

So sieht es auch der geschätzte Kollege Polenz, den ich bereits in der ersten Beratung zitiert habe. Herr Polenz von der CDU, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, forderte - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus einem Artikel in der Welt -:

„Die Bundesregierung muss ihre Position schnell korrigieren und die Möglichkeit der unkonventionellen Flüchtlingshilfe für Angehörige schaffen.“

Recht hat Herr Polenz, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Etwa die Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder, meist unter elf Jahre. Diese Menschen haben bei einer der größten Flüchtlingskatastrophen in der modernen Geschichte des Nahen Ostens alles verloren: ihre Heimat, ihre Freunde und ihre Existenz. Diesen Menschen müssen wir helfen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung gemeinsam auf, schnellstmöglich die Visa-Erteilung beim Familiennachzug zu erleichtern, damit syrische Flüchtlinge unbürokratisch aufgenommen werden können, und ein Bleiberecht für syrische Flüchtlinge, die bereits in Deutschland sind, zu ermöglichen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD und Zustimmung von Jan- Christoph Oetjen [FDP])

Bereits 2009 - ich muss das an dieser Stelle leider wiederholen; denn das war in der letzten Legislaturperiode doch sehr eindrücklich - spitzte sich die Lage in Syrien zu. Menschenrechtsorganisationen berichteten von Inhaftierungen abgeschobener Personen auch aus Niedersachsen; Geduldete berichteten über Schikanierungen durch syrische Beamte auch hier in Deutschland.

Das Bundesministerium des Innern reagierte daraufhin im Dezember mit einem Schreiben an die Innenminister der Bundesländer und verwies ausdrücklich auf eine besondere Sorgfalt bei der Prüfung von Abschiebungen nach Syrien.

Das niedersächsische Innenministerium unter Schünemann - wie sollte es anders sein, meine Damen und Herren - zeigte sich irritiert über das Schreiben aus dem Bundesinnenministerium. Das Ministerium erklärte damals gegenüber dem Flüchtlingsrat auf Anfrage, man sei mit dem Schreiben nicht zufrieden und werde sich mit der Bitte um Änderung der angeregten Praxis mit dem Bundesinnenministerium in Verbindung setzen. Das Schreiben des Bundesinnenministeriums liefe bei entsprechender Umsetzung auf einen faktischen, wenn auch nicht erklärten Abschiebungsstopp hinaus. - Wie Sie wissen, lehnte Schünemann einen Abschiebungsstopp für Flüchtlinge aus Syrien damals noch strikt ab.

Die damaligen politischen Versuche des niedersächsischen Innenministeriums, eine Rücknahme des Schreibens vom 16. Dezember zu veranlassen, waren aus Sicht des Flüchtlingsrates und auch aus unserer Sicht umso empörender, als der

Ad-hoc-Lagebericht des Auswärtigen Amtes bereits im Jahr 2009 die Berichte über eine Verfolgung von Flüchtlingen nach ihrer Abschiebung bestätigte.

Meine Damen und Herren, schon damals hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowohl im Landtag als auch im Bundestag einen Abschiebungsstopp für Flüchtlinge aus Syrien gefordert. Denn im Jahr 2010 wurden in Niedersachsen etwa 240 Personen für die Abschiebung nach Syrien angemeldet. Noch im Februar 2011 wurden Anuar und Bedir Naso aus dem Landkreis Hildesheim nach Syrien abgeschoben, meine Damen und Herren. Gemeinsam fordern wir aktuell immer noch die Wiedereinreise des Vaters und des Sohnes. Soeben erreichte mich eine Nachricht des Anwalts: Die formalen Hürden, die einer Wiedereinreise noch entgegenstanden, sind laut des Anwalts überwunden. - Herr Innenminister, damit steht, glaube ich, einer Wiedereinreise nichts im Weg. Zumindest hat diese Landesregierung das so erklärt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, deshalb begrüßen wir den förmlichen Abschiebungsstopp nach § 60 a Aufenthaltsgesetz. Dieser bietet auch einen verlässlichen, dauerhaften Rechtsrahmen, um langjährig Geduldeten hier in Niedersachsen über den § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltserlaubnis zu geben.

Mich hat allerdings bei den Beratungen dieses Antrags verwundert - das sage ich in Richtung der FDP -, dass Sie die Streichung des letzten Satzes in unserem Entschließungsantrags eingefordert haben, nämlich dass zukünftig keine wirtschaftlichen oder politischen Delegationen in die Republik Syrien durch die Landesregierung begleitet, organisiert oder unterstützt werden sollen, zumal Sie eine entsprechende Forderung in Ihrem eigenen Entschließungsantrag „Menschenrechte bei Auslands-, Delegations- und Ausschussreisen stärker berücksichtigen“ selbst erheben. Darauf wollte ich an dieser Stelle noch einmal hinweisen. Mit diesem Satz hätten wir in Richtung Syrien zumindest ein klares Zeichen setzen können.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Denn es war ja das Wirtschaftsministerium, das noch im Februar 2011 eine Wirtschaftsdelegation nach Syrien unterstützt hatte. Der damalige

Staatssekretär Liersch hatte diese Delegation organisiert bzw. begleitet. Das Ministerium erklärte im Februar 2011 - ich zitiere -:

„Im Unterschied zu anderen arabischen Ländern ist Syrien ein weltlich orientiertes Land, in dem die verschiedenen Religionen und Nationalitäten weitgehend konfliktlos nebeneinander leben. Eine Entwicklung wie z. B. in Ägypten wird derzeit als unwahrscheinlich angesehen, da Präsident Assad bedeutend jünger ist als die anderen Machthaber in der arabischen Welt und somit dem Volk näher steht. Ein Generationswechsel vom Vater zum Sohn ist bereits vollzogen und hat bereits für eine Modernisierung des Landes gesorgt.“

Wir wissen, dass die Situation bereits im Februar 2011 schon sehr zugespitzt war. Der Flüchtlingsrat kommentierte treffend:

„Diese Verharmlosung der Verfolgung und Unterdrückung in der von Sicherheitsapparaten und Militärs geprägten autoritären Diktatur im Interesse guter Geschäfte schreit zum Himmel.“

Meine Damen und Herren, diese Politik gehört in Niedersachsen zum Glück der Vergangenheit an. Wir freuen uns gemeinsam, dass der Paradigmenwechsel auch bei CDU und FDP hier im Landtag angekommen ist.

Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Oetjen das Wort. Bitte schön!

Ganz herzlichen Dank. - Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr, sehr froh, dass wir heute in diesem Hause einen gemeinsamen Beschluss zum Thema Syrien fassen und damit ein Signal zum einen nach Berlin an den Bundestag und Bundesrat, aber zum anderen natürlich auch nach Syrien senden und damit deutlich machen: Wir in Niedersachsen sehen mit Sorge, was in Syrien passiert, aber - wie es der Kollege gesagt hat - unsere Türen sind offen; wir freuen uns darauf, dass Menschen aus Syrien zu uns kommen, auch wenn die Umstände sehr

schwierig sind. Wir sind bereit, zu helfen, wo wir helfen können, verehrte Damen und Herren.

Der Kollege Focke hat ausdrücklich recht: Wir brauchen auch ein Resettlement-Programm, das es ermöglicht, dass sich diese Menschen dauerhaft in Deutschland ansiedeln können. Denn wir wissen, dass bei vielen eine Rückkehr in ihre syrische Heimat möglicherweise niemals möglich sein wird. Von daher müssen wir eine dauerhafte Perspektive bieten.

Ich bin auch sehr froh, dass wir über alle Parteigrenzen hinweg in diesem Antrag fordern, dass der vereinfachte Familiennachzug - das fordert auch das Auswärtige Amt - ermöglicht und gewährt wird, wenn noch Mitglieder einer Familie in Syrien sind und ihre Verwandten hier vor Ort für sie bürgen. Das würde wirklich eine deutliche Erleichterung, Entspannung und Hilfe für die Familienmitglieder bedeuten, die in Syrien geblieben sind.

(Zustimmung von Ansgar-Bernhard Focke [CDU])