Protokoll der Sitzung vom 10.09.2015

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Er hat mutig, unbürokratisch gehandelt und Tausende Boat People vor dem sicheren Tod auf dem offenen Meer gerettet. Das ist zuletzt ein humanitärer Akt. Auch Jahrzehnte später setzt er Maßstäbe, auch wenn die Zahlen heute andere sind.

Aktuell stehen wir vor noch größeren Herausforderungen. Wir haben ja den ganzen Tag über die Zahlen diskutiert. Und keiner von uns kann - weder mit noch ohne Glaskugel - sagen, ob es dieses Jahr 80 000 sein werden ober ob es nicht vielleicht doch ein paar mehr sein werden, ob es im nächsten Jahr weniger werden oder ob es nicht im nächsten Jahr noch mal 80 000 oder 90 000 oder 100 000 werden. Es kann auch niemand sagen, ob nicht in drei Jahren noch mal ein Schwung kommt. Wir erleben derzeit die größte Völkerwanderung, die dieser Erdball jemals erlebt hat.

Das ist eine Frage der Zerrissenheit von politischen Systemen dieser Welt. Es geht auch darum, was eigentlich in Bewegung ist. Ich will nur darauf hinweisen - das geht in der Debatte immer etwas unter -: In Afrika werden demnächst 2 Milliarden Menschen wohnen - davon alleine 400 Millionen in Nigeria. Was das bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Auch dort ist der Drang nach besseren, demokratischen Verhältnissen, nach Mitbestimmung natürlich groß. Und das wird uns vor eine enorme Herausforderung stellen.

Ich bin sehr froh über das große Maß an Aufnahme- und Hilfsbereitschaft hier bei uns in Niedersachsen und auch im gesamten Deutschland.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP und Zustimmung bei der SPD)

Ich bin dankbar für das große und selbstlose Engagement vieler hilfsbereiter Männer und Frauen, ja, ganzer Organisationen, die sich in den Dienst der guten Sache stellen. Das, meine Damen und Herren, verdient unser aller Anerkennung. Das sind die Helden des Tages, des Sommers 2015, wie es heute schon einmal angeklungen ist. Das sind die Menschen, vor denen wir hohen Respekt haben müssen, weil sie jeden Tag ihren Mann und ihre Frau stehen. Herzlichen Dank für dieses Engagement!

(Beifall)

Zugleich - und das ist die Kehrseite der Medaille - erleben wir jedoch auch einen Anstieg von Hass, Beleidigung und Gewalt gegen Asylbewerber. Auch unser Land ist vor fremdenfeindlichen Übergriffen nicht gefeit. Das hat uns sehr schmerzlich und in trauriger Weise der Brandanschlag auf die Asylbewerberunterkunft in Salzhemmendorf bestätigt.

Im Übrigen - wenn ich das noch sagen darf -: Es macht, Herr Ministerpräsident, gar keinen Sinn, Niedersachsen, Sachsen, die Bundesländer in

dieser Frage gegeneinander auszuspielen. Das ist vollkommen unerheblich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir müssen zur Kenntnis nehmen - und das ist die traurige Wahrheit -, dass es Menschen gibt, die keine Rücksicht auf Menschen nehmen, die Leid erfahren haben, Traumata erlebt haben, desillusioniert sind, aus ihrer Heimat vertrieben worden sind, die hier in Deutschland einen Neuanfang wagen. Die Menschen, die das zerstören, sind Verbrecher, meine Damen und Herren. Das muss man auch so aussprechen.

(Beifall)

Und es macht mich fassungslos, wenn es sich dabei um Menschen handelt, die eigentlich den Auftrag haben, zu helfen. Das macht mich fassungslos. Ich finde, es ist unsere gemeinsame Aufgabe, dagegen anzugehen. Es ist ein Zeichen von menschenfeindlicher Gesinnung, die dahintersteht. Das muss deutlich gesagt werden.

(Beifall)

Jeder, der so handelt, muss wissen, dass wir ihm mit der gesamten Härte des Rechtsstaates entgegentreten werden und ihm das nicht durchgehen lassen. Meine Damen und Herren, das ist unsere Verantwortung, und dafür sind wir hier.

(Beifall)

Ich will auch sagen: Ich empfinde Erleichterung darüber, dass die Polizei die Täter sehr schnell dingfest gemacht hat. Das muss auch gewürdigt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nun hat sich - Frau Lorberg hat vorhin darauf hingewiesen - brauner Mob angekündigt, der eine Mahnwache in Friedland halten will. Ich kann Ihnen sagen: Ich finde das widerlich. Ich finde es widerlich, dass solche Menschen Friedland benutzen wollen, um ihre fremdenfeindlichen Parolen Menschen entgegenzuschleudern, die aus solchen Gründen von zu Hause vertrieben worden sind. Das dürfen wir nicht zulassen! Das muss der Rechtsstaat mit allen Mitteln, die er zur Verfügung hat, verhindern, meine Damen und Herren. Diese Personen haben weder in Friedland noch bei sonst irgendeiner Erstaufnahmeeinrichtung etwas zu suchen. Die gehören da nicht hin!

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wir machen mit dieser Resolution deutlich, dass Fremdenfeindlichkeit, Gewalt, Aggression und Ausländerhass in Niedersachsen keinen Platz haben. Wir stehen an der Seite derer, die sich mit Macht gegen Extremisten und radikale Gewalttäter zur Wehr setzen. Rassismus ist eine Schande; Rassismus ist der Nährboden für Verbrechen, und deshalb darf auch keiner wegsehen. Ich erwarte, dass alle Niedersachsen diesen Menschen entschieden entgegentreten, und ich hoffe, dass wir gemeinsam eine kräftige Resolution machen - auch im Hinblick auf den kommenden Samstag - und verhindern, dass dieser braune Mob in Friedland auftritt, meine Damen und Herren. Ich fände es unerträglich, wenn dieses Lager dafür entweiht würde, wenn dieser braune Mob dort auftreten würde.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Thümler. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Watermann. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden unter diesem Tagesordnungspunkt eine gemeinsame Resolution verabschieden. Ich möchte mich zu Beginn bei allen, die dazu beigetragen haben, dass wir zu diesem Ergebnis gekommen sind, herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen, Deutschland ist ein Land der Einwanderung. Herr Kollege Thümler hat das zu Recht angesprochen. Wir haben Zuwanderung und Flucht ganz unterschiedlich und aus ganz unterschiedlichen Motiven erlebt. Am besten waren wir immer dann, wenn wir das gemeinsam bewerkstelligt haben.

Ich kann mich erinnern, wie es war, als Ministerpräsident Albrecht dieses Programm der Familienzusammenführung machte. Ich weiß noch, wie wir vor Ort zusammengestanden haben, als die Menschen aus der DDR, aber später auch aus Albanien und anderen Ländern kamen. Das war immer ein starkes und gutes Zeichen - und es war immer auch eine Gratwanderung, weil es immer welche gab, die das missbraucht haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als der Landrat des Landkreises Hameln-Pyrmont mich am Morgen des Ereignistages anrief, war ich fassungslos. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, dass so dicht vor der Nase, im eigenen Wahlkreis, im Nachbarort ein solch schreckliches Ereignis geschehen konnte.

Das Haus, in dem die junge Frau mit ihren drei Kindern lebte, war keine große Massenunterkunft. Es war ein Haus mit mehreren Wohnungen, die von Deutschen, aber auch von anerkannten Asylbewerbern bewohnt waren. In eine Wohnung wurde wahllos ein Molotow-Cocktail geworfen. Die Sicherheitskräfte haben gesagt, wenn das Kind in diesem Raum übernachtet hätte, wäre es zu Tode gekommen, nicht durch das Feuer, sondern es wäre elendig erstickt.

Meine Damen und Herren, das war erschütternd. Auf der anderen Seite war es toll, als ein junger Mann aus dem Nachbarort kam und einen Roller und ein Kuchenblech mitbrachte. Auch er stand fassungslos da, aber er sagte: Ich muss doch irgendwas tun.

Die Ereignisse danach, als man eine Kette losgetreten hatte, als ganz viele gekommen sind und als die, die nicht kommen konnten, ihre Solidarität bekundet haben, haben uns in der Region geholfen, damit fertig zu werden. Sie haben uns auch geholfen, ein klares Zeichen dagegenzusetzen. Das war gut, das war auch hilfreich. Es ist schon ein Unterschied, ob ein solches Ereignis weit weg passiert - auch dann verabscheut man das selbstverständlich -, oder ob man es unmittelbar erlebt. Und wenn man im Nachgang dann auch noch erlebt, wer das verursacht hat - Sie haben es angesprochen -, wenn man erlebt, dass das einer war, der mitten unter uns lebte, wenn man erlebt, was in den sozialen Netzwerken passiert, was Menschen da gut finden, wie sie sich aufheizen und wie es dann zu solchen Taten kommen, dann gibt es für mich zwei entscheidende Punkte:

Der eine Punkt ist, dass wir dagegengestanden haben. Das müssen wir auch in Friedland tun. Was da passiert, ist widerwärtig, ist unangemessen und gehört nicht in unsere Demokratie.

(Beifall)

Ich bin dankbar, dass die Polizei so schnell reagiert hat. Sie hat eine Soko gegründet und hatte so schnell Erfolg. Das zu hören, war für uns alle an dem Abend erleichternd.

Wir müssen deutlich machen, dass die Polizei, die Sicherheitsbehörden, die Gerichte handeln müssen. Aber auch der Verfassungsschutz muss handeln; denn das, was wir dort an Vernetzung, an Strukturen vorfinden, zeugt nicht nur von krimineller Energie, sondern auch von Energie, die unsere freiheitliche Demokratie gefährdet. Deshalb gehört das auch dazu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Ereignisse und die Aufarbeitung vor Ort haben mir wieder einmal deutlich gemacht, dass die Demokratie und die Freiheit, in der wir in Europa leben, nur geliehen ist und dass wir jeden Tag für sie kämpfen müssen. Ereignisse wie in Salzhemmendorf müssen uns anspornen, jungen Menschen klarzumachen, welche Verantwortung wir aus der Geschichte heraus für Flüchtlinge und für Menschen haben, die aus der Not heraus kommen, und dass Menschenverachtung, eine antidemokratische Haltung und Hass auf andere keinen Platz bei uns haben. Das gilt für die Rechten, das gilt für die Salafisten, das gilt aber auch für andere.

(Beifall)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diejenigen, die bei uns vor Ort gesprochen haben - und es waren ihrer viele -, haben immer wieder gesagt, dass sie sich im Weserbergland als gute Nachbarn verbunden fühlen. Das gilt aber natürlich nicht nur für das Weserbergland, sondern für ganz Niedersachsen. Alle Niedersachsen sind gute Nachbarn. Diese gute Nachbarschaft hat dazu geführt, dass man nicht weggeschaut, sondern hingeschaut hat.

Wir brauchen solche Nachbarn, die aufpassen und die aufmerksam sind, um deutlich zu machen, dass wir so etwas nicht durchgehen lassen. Es ist nicht nur die Polizei, die unseren Staat vor solchen Anschlägen schützen muss, es ist auch unsere Aufmerksamkeit, es ist die die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie. Das gilt im Weserbergland, in Niedersachsen, in Deutschland und in Europa.

Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Kollege Watermann. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich nun Frau Fraktionsvorsitzende Anja Piel zu Wort gemeldet. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits seit vielen Monaten erleben wir eine bundesweite Serie von Anschlägen auf Unterkünfte von Geflüchteten: Heidenau, Weissach, Tröglitz. Und mit Salzhemmendorf, unweit meines Wohnortes, hat diese Serie nun auch Niedersachsen erreicht.

Der Kollege Watermann hat es bereits angesprochen: Nur glückliche Zufälle, ein aufmerksamer Nachbar und das schnelle Eingreifen der Feuerwehr haben eine entsetzliche Tragödie verhindert. Eine Mutter und ihre drei Kinder hielten sich zum Zeitpunkt des Anschlags dort auf. Aber auch wenn nichts passiert ist - eine Tragödie bleibt dieses Verbrechen für alle Bewohner dieses Hauses dennoch.

An meinem letzten Urlaubstag hat mich die Nachricht von dem heimtückischen Anschlag erreicht und mich zunächst genauso fassungslos zurückgelassen, wie die Kollegen auch. Alle zusammen waren wir von dieser hasserfüllten Tat erschüttert und schockiert. Vor allem anderen wir dankbar, dass in Salzhemmendorf nicht Menschen, die vor Gewalt und Not zu uns geflüchtet sind, verletzt wurden oder gar zu Tode gekommen sind. Wir können nur erahnen, welche seelischen Folgen dieser Anschlag für alle Bewohner dieses Hauses hat.

Umso wichtiger ist es, dass wir heute und hier Rassismus und Menschenfeindlichkeit auf das Schärfste verurteilen. Rassismus und Menschenfeindlichkeit, die leider in allen Schichten unserer Gesellschaft verbreitet sind, entgegnen wir klar und unmissverständlich: Rassismus hat bei uns in Niedersachsen keinen Platz!

(Beifall)

Ich finde es wichtig, dass wir alle uns unserer großen, gemeinsamen Verantwortung bewusst sind, der Verantwortung dafür, dem Rassismus auch in der Mitte der Gesellschaft den Nährboden zu entziehen. Brandanschläge wie in Salzhemmendorf fallen nicht vom Himmel. Solche Brandsätze werden feige geworfen, und der Anschlag wurde bösartig und heimtückisch geplant. Wir müssen alle gemeinsam sicherstellen, dass solche Anschläge und der Nährboden für solche Anschläge im politischen und öffentlichen Raum nicht geschürt werden.