Protokoll der Sitzung vom 16.09.2015

Herr Minister, ich unterbreche Sie, damit Sie das ausführen können. - Herr Thiele möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Vielleicht passt das ganz gut.

Ja.

Herr Thiele!

Das hat sich eigentlich erledigt. Ich wollte Ihnen vorschlagen, dass Sie das Handy dem Herrn Landtagsvizepräsidenten geben. Herr Klare kennt sich mit Handys nämlich richtig gut aus.

(Heiterkeit und Beifall - Zuruf: Das kann ich nur unterstützen!)

Ich weiß jetzt nicht, ob das ungehörig war. Aber es war an der Grenze.

(Heiterkeit - Christian Dürr [FDP]: Wir sind uns auch unsicher, Herr Präsi- dent!)

Herr Minister Schneider, bitte schön!

Das werden wir nachher vertiefen. Ich kenne ihn ja nun schon viele Jahre. Aber von dieser besonderen Qualifikation habe ich noch nichts gehört.

(Heiterkeit)

Dem werde ich nachgehen.

Also: Wir sind gegen Einnahmeeinbrüche gewappnet gewesen. Nun haben wir das Geld zur Verfügung. Wir können auf eine Haushaltssperre verzichten, wie beispielsweise Bremen es schon jetzt gemacht hat und wie wir das nach meiner Kenntnis auch in einigen anderen Bundesländern bald erleben werden.

Wir müssen daran denken, meine Damen und Herren - auch darüber sind wir uns sicherlich einig -, dass die Aufnahmebereitschaft in unserer Gesellschaft nicht dadurch Schaden nehmen darf, dass wir andere wichtige Aufgaben über Gebühr vernachlässigen. Diese sollten wir gar nicht vernachlässigen, wenn es irgendwie geht.

Es war ganz interessant - es lohnt sich, die Debattenbeiträge nachzulesen -, wie auch hier in diesem Hohen Hause angezweifelt wurde, dass sich der Bund hieran beteiligen muss. Da ist mir vorgehalten worden, wir würden immer nur nach dem Bund schielen. Ich kenne kein Bundesland, ich kenne keinen kommunalen Spitzenverband, und ich kenne auch keine Bundesregierung, die dieser Ansicht zuneigt. Inzwischen haben alle eingesehen, dass

wir hier ein gesamtgesellschaftliches Problem enormen Ausmaßes haben.

Alle gemeinsam haben die dringliche Forderung erhoben, dass sich der Bund strukturell, dauerhaft, dynamisch und unbefristet an den Kosten beteiligt, allerdings selbstverständlich in Abhängigkeit von den realen Flüchtlingszahlen. Dazu hat es Beratungen gegeben. Darüber ist heute Morgen berichtet worden, aber leider noch nicht so konkret, dass wir das im Moment in unsere Planung einbeziehen können. Dazu müssen wir mindestens den Flüchtlingsgipfel am 24. September abwarten.

Mit dem zweiten Nachtrag werden wir die weitere Unterstützung der Kommunen organisieren und die Schaffung zusätzlicher Aufnahmekapazitäten sowie ein Maßnahmenbündel von der Sprachförderung bis zur Flüchtlingssozialarbeit auf den Weg bringen.

Ich muss jetzt ein bisschen schneller machen, damit ich die Unterbrechungen wieder aufhole.

(Björn Thümler [CDU]: Kein Problem!)

Bei zügiger Beratung, meine Damen und Herren - ich glaube, darüber besteht allseits Einvernehmen -, kann die Verabschiedung schon im Oktober erfolgen. Dies erscheint angesichts der Problemlage vordringlich.

Auch wenn wir schon mit dem ersten Nachtrag eine sachgerechte Antwort gegeben haben und diese mit dem zweiten Nachtrag nochmals unterstreichen, müssen wir uns damit beschäftigen, dass es angesichts der Dynamik der Verhältnisse und auch der Komplexität der Situation in Bezug auf den Haushaltsplanentwurf, den ich jetzt eigentlich vorstellen möchte und werde, und auch auf die Mipla - wohl eher sogar noch für die Mipla - einige kräftige Fragezeichen gibt. Durch die aktuelle Entwicklung sind die Beschlüsse vom Sommer, von der Haushaltsklausur vor acht Wochen, zu einem Teil überholt. Ich erinnere daran: Prognose 400 000 Flüchtlinge, jetzt Prognose 800 000 Flüchtlinge.

Im Rahmen des parlamentarischen Beratungsverfahrens - anders kann dies nicht gehen - wird es hier einigen Nachsteuerbedarf geben. Dies betrifft neben der Justierung der Anteile, die Bund, Länder und Kommunen zu tragen haben, auch die Zukunft der Notaufnahmekapazitäten. Auch hier müssen wir über eine Anschlussfinanzierung nachdenken - da sind wir sehr schnell bei der Mipla -; denn am 31. Dezember wird das Flüchtlingsproblem ja nicht zu Ende sein. Auch die Integration hört nicht am

Jahresende auf, sondern wird sich in den Folgejahren fortsetzen. Dies wird - ich habe darauf hingewiesen - zusätzliche Haushaltsmittel erfordern.

Bevor wir aber konkret werden, müssen wir wissen, was beim Bund passiert. Dazu wird uns der Flüchtlingsgipfel am 24. September sicherlich einige Aufklärung zusätzlich bringen. Angesichts der Entwicklungen sind wir wohl gut beraten, wenn wir die notwendigen Entscheidungen nicht zu früh treffen, weil wir natürlich mit jeder Woche, fast mit jedem Tag klüger werden, was die Dinge angeht, die da im Fluss sind.

Es scheint mir hilfreich zu sein, die NovemberSteuerschätzung abzuwarten und das Ganze dann im November mit der technischen und der politischen Liste so glatt zu ziehen, dass wir auf der Basis des Kenntnisstands, den wir dann haben - der wird noch immer kein gesicherter sein; darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel; dann werden wir noch immer nicht wissen, was im Sommer 2016 los ist -, die notwendigen Veränderungen vornehmen können. Jedenfalls wäre das der Wunsch der Regierung. Die Fraktionen des Landtags sind jetzt am Zuge. Wir liefern den Entwurf ab. Er ist dann in den Ausschüssen zu beraten. Selbstverständlich ist jetzt der Haushaltsgesetzgeber am Zuge. Aber diesen Wunsch darf ich ja äußern.

Wir haben Zahlen in die Mipla eingestellt, die, wie üblich, auf den Steuerschätzungen beruhen. Auf der Einnahmeseite haben wir Steuern, steuerinduzierte Einnahmen und die Förderabgabe in Höhe von 23,584 Milliarden Euro. Im Haushaltsplanentwurf sind es 138 Millionen Euro weniger, als in Ihrer letzten Mipla eingestellt war, meine Damen und Herren von der jetzigen Opposition. Wir bewegen uns also beim Einnahmevolumen noch immer auf dem Pfad, den Sie vor einigen Jahren prognostiziert haben. Die konjunkturelle Entwicklung und damit die Steuereinnahmen sind nicht besser - im Gegenteil: wir haben 138 Millionen Euro weniger; aber gut, das ist Grundrauschen bei diesen großen Summen - als das, was Sie in Ihrer Mipla für 2016 vorhergesehen haben.

(Helge Limburg [GRÜNE]: So!)

Aber solche ganz außerordentlich hohen Steuereinnahmen, Rekordsteuereinnahmen, von denen man immer redet, sind es, gemessen an dem, was Sie vorgeplant haben, nicht. Es sind zwar sehr gute Steuereinnahmen. Aber sie sind nicht besser als das, was Sie geplant haben.

(Christian Grascha [FDP]: Das ist aber so! Sie können ja nicht die Pla- nungen vergleichen! Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung!)

- Nein. Dann haben Sie die Milchmädchenrechnung aufgestellt, weil ich ja über die Realitäten rede. Ich rede über Realitäten.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Inhalten des Entwurfs darf ich feststellen: Der Bildungsbereich ist und bleibt Kernstück der niedersächsischen Landespolitik. Dies wird in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2019 finanziell abgesichert und nachhaltig gestärkt. Allein im Jahre 2016 umfassen die Bildungshaushalte rund 8,6 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung gegenüber 2013 um nahezu 900 Millionen Euro.

Im Bereich der frühkindlichen Förderung und Bildung investiert das Land 2016 mehr als 630 Millionen Euro. Dieser Betrag wird bis 2019 stetig ansteigen. Das ist das, was wir verankert haben. Auch da werden wir natürlich die Auswirkungen des Zustroms von Flüchtlingen spüren. Auch da werden wir in den nächsten Jahren wohl noch die eine oder andere Veränderung erleben.

Ebenso werden mit dem Haushaltsentwurf die Ganztagsschulen erneut deutlich gestärkt und erhalten 2016 21 Millionen Euro zusätzlich. Die Ausgaben für den Ganztagsbetrieb im Rahmen der Zukunftsoffensive Bildung steigen 2016 damit auf rund 88 Millionen Euro.

Darüber hinaus werden in der dritten Programmphase des Hochschulpakts 2020 die Voraussetzungen für die zusätzliche Einrichtung von über 46 400 Studienanfängerplätzen geschaffen. Allein im aktuellen Planungszeitraum bis 2019 stellt das Land damit rund 500 Millionen Euro für diese zusätzlichen Plätze und zur Erhöhung der Erfolgsquoten zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD)

Weil wir gerade beim Hochschulbereich sind: Durch die Umsetzung des zweiten Teils des Fachhochschulentwicklungsprogramms zum Haushalt 2016 werden weitere 20 Millionen Euro jährlich für innovative Studiengänge dauerhaft in die Hochschulen verlagert. Das Land schafft somit die Voraussetzungen, im Rahmen des Fachhochschulentwicklungsprogramms weitere 1 000 Studienanfängerplätze auf Dauer zu verstetigen.

Im Bereich Soziales stärkt die Landesregierung die ambulante Pflege mit zusätzlichen 6 Millionen Eu

ro. Dem Wunsch vieler älterer Menschen, auch bei Pflegebedürftigkeit zu Hause wohnen zu können, wird so Rechnung getragen.

Um die Lage in den niedersächsischen Krankenhäusern zu verbessern, werden über die jährliche Investitionsförderung von 120 Millionen Euro hinaus zusätzliche Mittel für Strukturmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Dafür werden Mittel aus dem bundesweiten Strukturfonds vom Land in gleicher Höhe gegenfinanziert, sodass insgesamt zusätzlich 94 Millionen Euro bereitgestellt werden können.

Darüber hinaus werden Inklusionsprojekte - ich bin beim Sozialhaushalt - in den Kommunen unterstützt.

Die NBank wird mit einem Programmvolumen von 400 Millionen Euro die Investitionstätigkeit in bezahlbaren Wohnraum fördern. Auch das ist ein Thema, das sich nach jahrelanger Ruhe an dieser Front plötzlich im Zentrum der politischen Debatte wiederfindet.

Weitere wichtige Vorhaben der Landesregierung reichen von der Untersuchung von Erdgasförderstätten zu Schadstoffbelastungen, über die Stärkung des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes und der Landesforsten bis hin zu Maßnahmen für den Klimaschutz sowie für die Meeresumwelt in den niedersächsischen Küstengewässern.

Daneben wird mit hohen Millionenbeträgen die Infrastruktur des Landes in den Bereichen Hochbau, Landesstraßen und Seehäfen erhalten und gestärkt.

Meine Damen und Herren, bei gleichzeitiger Umsetzung bedeutender inhaltlicher Schwerpunkte hat die Landesregierung ihren Weg fortgesetzt, mit dieser Planung Einnahmen und Ausgaben für den gesamten Planungszeitraum in Ausgleich zu bringen. In früheren Mittelfristplanungen - Sie erinnern sich daran - waren regelmäßig hohe Handlungsbedarfe ausgewiesen. Uns ist es das dritte Mal in Folge gelungen, alle Planungsjahre ohne solche offenen Deckungslücken abzuschließen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nun muss man, wie ich geschildert habe, natürlich erhebliche Fragezeichen an diese Planungszahlen setzen. Das gilt für uns, das gilt für den Bund, das gilt auch für alle anderen Länder angesichts der Entwicklung, die wir hinreichend besprochen haben.

Wir werden die Planungen neu justieren müssen, und dies bei jedenfalls gegenwärtig ungesicherter weiterer Erkenntnis über die Entwicklung. Land und Kommunen brauchen mehr Klarheit und Planungssicherheit, insbesondere auch hinsichtlich der finanziellen Belastungen. Wie ich schon sagte: Nach dem Flüchtlingsgipfel werden wir mehr wissen, und trotzdem wird vieles offen bleiben.

Anfang November - das sagte ich auch - haben wir die aktuelle Steuerschätzung und damit eine gesichertere, eine bessere Planungsgrundlage.

Wir sollten, meine Damen und Herren, uns dieser Aufgabe gemeinsam annehmen. Das ist ein Thema - es ist heute Morgen hinreichend thematisiert worden -, bei dem man natürlich immer der Versuchung widerstehen sollte, es auf parteipolitische Mühlen zu leiten. Die Folgewirkung dessen, was wir im Moment als aktuelles Unterbringungsproblem und aktuelles Finanzierungsproblem erleben, wird uns in gesellschaftspolitischer Art noch sehr, sehr lange beschäftigen und vor große Herausforderungen stellen. Wir als Verantwortliche in diesem Lande sind gut beraten, uns in den Grundsätzen jedenfalls - im Detail können wir uns immer streiten; dafür sind wir da, und dafür gibt es diese Rollenverteilung - nicht auseinanderdividieren zu lassen.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.