Protokoll der Sitzung vom 17.09.2015

Ich begrüße für die FDP-Fraktion, dass sich die CDU-Fraktion mit ihrem Änderungsantrag auf den

Weg gemacht hat. Sie ist gut unterwegs, allerdings noch nicht am Ziel angekommen. Von daher können wir dem Änderungsantrag nicht zustimmen.

Aber ich bin der festen Überzeugung, dass sie früher oder später bei unserer Positionierung ankommt. Die ist eigentlich ganz einfach: Man macht das, was das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Erbschaftsteuer gesagt hat, nämlich: Die Politik kann entscheiden, kleine und mittelständische Unternehmen komplett von der Erbschaftsteuer zu befreien. - Das wäre gut für die Familienunternehmen und für die niedersächsische Wirtschaft insgesamt. Dadurch würden Arbeitsplätze erhalten und die Sozialpartnerschaft, mit der in den kleinen und mittleren Unternehmen die soziale Marktwirtschaft vorbildlich gelebt wird, gestärkt.

(Beifall bei der FDP)

Die CDU-Fraktion hat in ihrem Änderungsantrag nun etwas geschrieben, was auch Herr Schneider immer sagt: Man darf bei der Änderung nicht klebrige Finger bekommen und zusätzliche Steuererhöhungen zulasten der Arbeitsplätze vornehmen.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, sagt die CDU-Fraktion auch nicht ohne Grund. Natürlich wird durch den Gesetzentwurf, der in Berlin diskutiert wird, das Aufkommen massiv erhöht. Die ganzen Modellberechnungen basieren auf falschen Grundlagen. Tatsache ist: Das neue Erbschaftsteuergesetz wird zu einer Steuererhöhung führen - und das wäre schlicht und ergreifend falsch!

Wir stehen aufgrund der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank auf einmal vor der Situation, dass bei den Unternehmensbewertungen Fantasiewerte herauskommen. Unternehmen haben auf einmal einen theoretischen Wert, der der tatsächlichen Ertragslage nicht entspricht. Und auf diese Fantasie-Unternehmenswerte soll dann auch noch eine Steuer gezahlt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier muss man zu einer Veränderung kommen. Aber auch dazu gibt es von Rot-Grün keinen Ansatz, obwohl dies seinerzeit sogar von den eigenen Parteifreunden - ich denke nur an den Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg - eingefordert worden ist.

Ich komme zum Schluss, zu einem letzten Gedanken. Die Stiftung Familienunternehmen hat einmal gefragt, welche Auswirkungen es auf ihre Mit

gliedsunternehmen hätte, wenn der Gesetzentwurf der Bundesregierung heute schon Realität wäre. 43 % der Unternehmen haben gesagt: „Dann hätten wir das Unternehmen schon ganz oder teilweise verkaufen müssen. Dann wäre das Unternehmen kein Familienunternehmen mehr, sondern irgendein Konzern. Dann wären die Arbeitsplätze ersatzlos weggefallen!“

Meine Damen und Herren, das müssen wir verhindern. Bitte geben Sie sich einen Ruck!

(Beifall bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Familienunternehmen - das müsste auch den Wirtschaftsminister interessieren!)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU wird eingebracht vom Kollegen Dr. Stephan Siemer. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion teilt die Sorge, dass eine falsch ausgestaltete Erbschaftsteuer Arbeitsplätze in Niedersachsen gefährdet. Deshalb haben wir zu diesem Thema einen Änderungsantrag eingebracht, den ich hier kurz vorstellen möchte. Dazu möchte ich mich dem Thema auf eine etwas andere Art und Weise nähern und auch für die Öffentlichkeit deutlich machen, worum es hier geht.

Die Erbschaftsteuer ist ja mit allen möglichen Fragestellungen belastet. Hier geht es um die Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen. Es geht also um die Besteuerung von Produktionshallen, technischen Bearbeitungszentren, Lkw, Lagerbeständen und Computersoftware, also um alles, was in dem Betrieb für die Erzielung des Betriebszweckes eingesetzt wird. In der Bilanz steht dies selbstverständlich mit einem Geldbetrag. Es steht den Unternehmen aber nicht in Form flüssiger Mittel zur Verfügung.

Hier geht es also nicht um Erbschaftsteuer auf Wohnhäuser, Kunstgegenstände, private Pkws, Swimmingpools oder Himmelbetten. Warum spreche ich von Himmelbetten? - Weil in der letzten Debatte im März von anderer Seite erklärt wurde, es dürfe nicht darum gehen, in welchem Bett man geboren wurde.

Meine Damen und Herren, wir sollten uns diesem wichtigen Thema mit der gebotenen Sachlichkeit

nähern. Dazu möchte ich hervorheben, dass es sich bei der Erbschaftsteuer um eine Steuer auf Geld handelt, das bereits versteuert wurde,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

nämlich im Zuge von Einkommensteuer, Ertragsteuern, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag.

Dieses bereits versteuerte Geld steht in den Unternehmen als Eigenkapital. Nach den Vorstellungen von Rot-Grün - und hier insbesondere von Vertretern der grünen Seite - soll es nicht nur mit einer hohen Erbschaftsteuer, sondern auch noch mit der von ihnen geforderten Vermögensteuer belegt werden. Und wenn man dann noch bedenkt, dass dieses Geld, wenn man es ausgeben wollte, mit Konsumsteuern belastet würde - ich nehme nur die Mehrwertsteuer -, dann heißt das: Die Grünen möchten in den Unternehmen gebundene Gelder viermal besteuern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Gerald Heere [GRÜNE])

- Herr Heere, Sie schütteln mit dem Kopf. Sie können in Ihrer Rede nachher ja gerne sagen, dass Sie die Besteuerung von bereits versteuertem Betriebsvermögen durch die Erbschaftsteuer nicht wollen und auch von der Vermögensteuer Abstand nehmen. Ansonsten muss man den Familienunternehmen sagen, dass sie von Rot-Grün viermal besteuert werden sollen.

(Beifall bei der CDU)

Kollege Bode hat schon von der Bedeutung des Ganzen für den Erhalt der Arbeitsplätze gesprochen. Ich möchte das am Beispiel meiner Region deutlich machen - daher bin ich auch sehr dankbar, zu diesem Thema sprechen zu dürfen -: Im Oldenburger Münsterland, das ja bekannterweise durch Familienunternehmen getragen ist, ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze von 85 000 im Jahr 2000 auf knapp 120 000 zum aktuellen Zeitpunkt gestiegen. Seit dem Jahr 2000 sind im Oldenburger Münsterland also 35 000 neue Arbeitsplätze entstanden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dafür danke ich allen aus der Wirtschaft und denen aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft ganz besonders.

Ich möchte hier so weit gehen und sagen: Das Betriebsvermögen, das Sie von Rot-Grün mit einer

hohen Erbschaftsteuer belegen wollen, ist die Muttermilch der Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Daher verbietet sich eine Erbschaftsteuer, die Arbeitsplätze gefährdet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann es Ihnen auch noch an einem Beispiel deutlich machen. Ich spreche ja viel mit Unternehmern, aber auch mit anderen in der Region.

Ich weiß von einer Familie, die eine Produktionshalle bauen möchte, die etwa 20 Millionen Euro erfordern wird. Wenn diese Familie damit zur Bank geht, wird die Bank ihr sagen, dass sie darauf maximal 10 Millionen Euro Kredit bekommen kann. Der Rest muss über Eigenkapital aufgebracht werden. - Dieses Eigenkapital liegt aber nicht auf dem Bankkonto, sondern ist nach dem Bau der Halle in Maschinen und Anlagen gebunden.

Wenn wir hier mit einer Erbschaftsteuer eingreifen, kann die Familie nicht mehr zur Bank gehen; denn die hat ja gesagt, die Beleihungsgrenze ist erreicht. Was also empfehlen Sie von Rot-Grün: den Verkauf von Betriebsvermögen oder den Abbau von Arbeitsplätzen, um ein Sparprogramm zu realisieren? - Diese Frage hätte ich gerne einmal beantwortet.

Dies alles wollen wir nicht, sondern wir wollen eine vernünftig ausgestaltete Erbschaftsteuer, die nicht zu einer Belastung der Familienunternehmen und des Betriebsvermögens führen darf. Dazu haben wir in unserem Änderungsantrag eine Reihe von Rahmenbedingungen aufgestellt. Wir haben viele der Anregungen aus der Anhörung aufgenommen: von der IHK, vom Deutschen Gewerkschaftsbund und von der Steuerberaterkammer, um nur einige zu nennen.

Unsere Änderungsvorschläge lauten im Wesentlichen wie folgt:

Betriebsvermögen soll weiterhin steuerlich privilegiert bleiben, weil es Arbeitsplätze sichert. Die Gesetzesänderung muss aufkommensneutral sein. - Herr Bode, in dem Punkt sind wir uns einig: Familienunternehmen sollen nicht stärker belastet werden.

(Beifall bei der CDU)

Unternehmen mit bis zu sieben Mitarbeitern sollen von der Lohnsummenprüfung befreit werden.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Die vom Bundesverfassungsgericht festgeschriebene Bedürfnisprüfung soll erst bei höheren Werten greifen als den bisher in Rede stehenden 26 bzw. 52 Millionen Euro, und bereits vorhandenes Vermögen soll bei der Bedürfnisprüfung unberücksichtigt bleiben. Außerdem wollen wir die Wertgrenzen als Freibeträge ausgestalten.

Wir haben uns auch mit der Frage der Bewertung befasst. Dieses Thema hatten wir gerade schon beim Umweltminister, der es bei den Energieunternehmen erkannt hat. Die Grünen haben also kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Die niedrigen Zinsen führen zu utopisch hohen Bewertungen. Hierzu muss das Bewertungsrecht entsprechend geändert werden.

Wenn die Erbschaftsteuer von den Familien nicht sofort aufgebracht werden kann, müssen Raten- und Stundungsregelungen geschaffen werden, die es diesen Unternehmen erlauben, die Steuerlast zu schultern.

Meine Damen und Herren, wir wollen mit dem Änderungsantrag unseren Finanzminister Schäuble bei den Verhandlungen mit den Bundesländern unterstützen. Hier muss es zu einer Mehrheit kommen.

Noch ein Wort zu dem Antrag der FDP. Wir stimmen dem FDP-Antrag nicht zu, weil er einige Forderungen enthält, die mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar sind - an die müssen wir uns schließlich halten - und die im Konzert von Bundesregierung und Bundesländern auch nicht mehrheitsfähig sind.

Wir brauchen einen Konsens; denn wenn wir bis zum nächsten Jahr keine Neuregelung des Erbschaftsteuerrechts hinbekommen, droht die Befreiung des Betriebsvermögens von der Erbschaftssteuer zu kippen. Damit würden wir den Familienunternehmen in Niedersachsen und in Deutschland einen Bärendienst erweisen.

(Zustimmung bei der CDU)

Insofern kann ich nur dafür plädieren, unserem Änderungsantrag zu folgen. Es geht darum, die Arbeitsplätze in Niedersachsen zu erhalten. Ich habe Ihnen deutlich gemacht, welches Arbeitsplatzwachstum wir in meiner Region hatten. Das gilt aber auch für andere Regionen in Niedersachsen.

Wir müssen mit diesem Thema sachgerecht und verantwortungsvoll umgehen und eine umsetzbare Lösung vorstellen. Dies haben wir getan. Ich bitte um Ihre Zustimmung.