Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Ein Beispiel dafür, das hier auch Thema war: Die Landeshauptstadt Hannover hat im Sahlkamp 200 Sozialwohnungen erst abreißen lassen, um dann diese Mischung wiederherzustellen, weil man das Ziel anders nicht mehr erreichen konnte.

Es gibt aber auch direkt vor der Tür ein gelungenes Beispiel für die Mischung, sogar direkt vor der

Tür des Kronsbergs. Und zwar ist zur Expo ein Baugebiet entwickelt, das in konzertierter Aktion mit allen Akteuren gebildet wurde. Das heißt: Sozialer Wohnungsbau, Genossenschaften, Wohnungsbaugesellschaften und Privaten. So hat sich in dem Gebiet eine super Mischung ergeben. Wir haben nicht mehr das Problem mit der sozialen Stigmatisierung. In dem Gebiet wohnen zwar 50 % Sozialhilfeempfänger. Das Gebiet ist aber qualitativ hochwertig und wirklich ein Vorzeigeprojekt.

Das zeigt, was Thomas Schremmer gesagt hat: Wir müssen alle Akteure an den Tisch kriegen und alle motivieren, an dem Thema mitzubauen. Ziel sollte es sein, für alle Menschen Eigentum zu schaffen.

So wäre es auch wichtig, in dem Antrag wiederzufinden, ob man sich davon Vorstellungen macht und Modellprojekte entwickelt. Aber keine Gießkannenförderung! Wenn man sich die prognostizierten Zahlen ansieht, die Marco Brunotte genannt hat - 280 000 werden gebraucht, aber mit den 400 Millionen Euro werden es um die 5 000 -, dann wird schon klar, dass uns kein anderer Weg zur Verfügung stehen wird und wir mit allen Akteuren reden müssen.

Ich möchte jetzt nicht in die Glaskugel gucken. Das haben in Bezug auf die 1,1 Milliarden Euro schon alle gemacht. Ich will nur darauf hinweisen: Auch wenn immer gesagt wurde, dass es nicht stimmt, dass wir zu der Zeit keinen Wohnraum gebraucht haben: In der Zeit wurden in Hannover Schulen geschlossen, weil wir gedacht haben, dass der demografische Wandel dermaßen zuschlägt, dass wir keine Schulen mehr brauchen. Heute aber platzt die Landeshauptstadt aus allen Nähten, und wir bauen alles wieder neu. Ganz so falsch war unser Blick in die Glaskugel also doch nicht!

Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Für die Landesregierung hat jetzt Frau Sozialministerin Cornelia Rundt das Wort. Bitte, Frau Ministerin!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohnen ist ein Thema, das alle Menschen betrifft, und Wohnen ist Grundbedürfnis. Wir stehen durchaus vor einer grundlegenden Wende auf den Wohnungsmärkten und damit auch im Bereich der Wohnungs- und Baupolitik in Niedersachsen.

Die Zeit entspannter Wohnungsmärkte ist längst vorüber. In Großstädten, in Ballungsräumen, in Universitätsstädten ist Wohnraum rar und oft unerschwinglich teuer. Und wir erleben - das haben wir heute umfangreich diskutiert - einen enormen Zuzug von Flüchtlingen und Zuwanderern.

Es wird aktuell sehr viel gebaut, aber überwiegend im hochpreisigen Segment. Lieber Herr Matthiesen, wir haben den Wohnungsbau außerhalb des sozialen Wohnungsbaus nicht verboten, sodass dieser wird parallel zum sozialen Wohnungsbau weiterhin stattfinden. Aber wir stellen fest, dass Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen große Schwierigkeiten haben, bezahlbaren und bedarfsgerechten Wohnraum zu finden. Das betrifft kinderreiche Familien, es betrifft vor allem aber Alleinerziehende, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Obdachlose, Studierende und natürlich auch Flüchtlinge. Und - auch da passt Ihr Rechenmodell, Herr Dr. Matthiesen, nicht - es geht neben sehr großen auch und insbesondere um kleine und barrierefreie Wohnungen. Gutes und bezahlbares Wohnen kann und darf kein Luxus sein, weder in der Stadt noch auf dem Land.

Der Entschließungsantrag macht sehr deutlich, wo es Handlungsbedarf gibt, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen und welche bereits ergriffen worden sind, um bezahlbares Wohnen sicherzustellen. Dazu gehört insbesondere, dass wir zur Steigerung der mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen die Wiederbelebung des Wohnungsbaus durchsetzen. Deshalb haben wir zusätzliche Mittel in Höhe von 400 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Die jährlichen Kompensationszahlungen des Bundes stehen weiterhin selbstverständlich ebenfalls für den Wohnungsbau zur Verfügung. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass sich der Bund auf dem Flüchtlingsgipfel bereit erklärt hat, die Kompensationsmittel in den Jahren 2016 bis 2019 um weitere 500 Millionen Euro zu erhöhen, wovon ca. 38,5 Millionen jährlich auf Niedersachsen entfallen werden. Auch diese Mittel stehen natürlich zukünftig zur Verfügung.

Zu den Maßnahmen gehört auch die Förderung des Wohnraums für Studierende an Hochschulstandorten. Mit dem dafür vorgesehenen 6,5Millionen-Euro-Programm können insgesamt rund 600 Wohnheimplätze gefördert werden. Eines ist z. B. das Bauprojekt des Studentenwerks Hannover, das gerade fertiggestellt wurde. Zwei weitere

Projekte der Studentenwerke Oldenburg und Osnabrück werden gerade geplant.

(Beifall bei den GRÜNEN - Filiz Polat [GRÜNE]: Sehr gut!)

Es geht auch um die qualitative Aufwertung des Wohnungsbestandes, und dazu gehört eben auch die energetische Sanierung. Die Landesregierung ist dabei, ein Landesprogramm zur energetischen Wohngebäudemodernisierung in sozial benachteiligten Quartieren mit einem Volumen von 30 Millionen Euro aufzulegen. Das hätte mehr sein können, wenn man uns unter Schwarz-Gelb den Wohnraumförderfonds nicht leergezogen hätte. Ziel ist hier, Warmmiete-Neutralität zu erzielen, damit die vorhandene Mieterschaft auch bei der energetischen Sanierung nicht verdrängt wird.

Herr Dr. Matthiesen, Absenkung von Standards ist ein Thema für Flüchtlingsbauten, die nur vorübergehend genutzt werden. Aber es darf, wie ich finde, kein Thema für Bauten sein, die 50 oder 100 Jahre genutzt werden. Dort jetzt Billigangebote zu machen, kann nicht auf Dauer funktionieren. Das heißt, wir müssen sehr wohl differenzieren, an welchen Stellen es sich lohnt, Standards abzusenken - aber bitte nicht im Wohnungsbau insgesamt.

Wohnen ist ein Grundrecht. Die Landesregierung nimmt diesen Auftrag sehr ernst, gerade vor dem Hintergrund der deutlich veränderten Rahmenbedingungen. Und sie tut noch viel mehr: Ich will nur die Erleichterung des Zugangs zu Wohnberechtigungsscheinen für Flüchtlinge nennen, die Möglichkeit der Vornutzung durch Kommunen, um eben auch Flüchtlingen Wohnungen zur Verfügung stellen zu können, die Mietpreisbremse, Belegrechte usw. All das sind Dinge, die wir gerade inhaltlich bewegen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Da weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, schließen wir die erste Beratung zu diesem Antrag ab.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Vorgesehen ist der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist ausreichend unterstützt und so beschlossen.

Um den Zeitrahmen der geplanten Mittagspause einzuhalten und mit dem Blick auf die Uhr unterbreche ich jetzt für die Mittagspause bis 15.15 Uhr und wünsche Ihnen guten Appetit.

(Unterbrechung von 13.42 Uhr bis 15.15 Uhr)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist 15.15 Uhr. Ich hoffe, Sie hatten eine schöne Mittagspause. Ich eröffne die Nachmittagssitzung, und wir werden mit den Beratungen beginnen.

Der Innenminister hat uns ein Schreiben zugeleitet:

„Sehr geehrter Herr Präsident,

ich beabsichtige gemäß Artikel 23 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung, den Landtag über einen aktuellen Sachverhalt zu unterrichten. Ich bitte Sie, mir unmittelbar nach der Mittagspause das Wort zu erteilen.“

Das tun wir.

Zusätzlicher Tagesordnungspunkt: Unterrichtung durch den Minister für Inneres und Sport über einen aktuellen Sachverhalt

Die Fraktionen haben sich verständigt, auf die Unterrichtung nicht zu antworten.

Bitte, Herr Minister! Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lage in Niedersachsen - das haben die Debatten der letzten Tage gezeigt - und in den anderen 15 Bundesländern hat sich in den letzten Tagen noch einmal dramatisch zugespitzt. Es besteht kein Zweifel: Deutschland steht vor der größten Herausforderung seit mindestens zwei Jahrzehnten.

Allein nach Niedersachsen kommen pro Tag durchschnittlich mehr als 1 000 Menschen, die auf der Flucht sind. Hunderte von ihnen werden uns durch den Freistaat Bayern zugewiesen, der ebenfalls große Not hat.

Um diese Flüchtlinge unterzubringen, haben zahlreiche Menschen in den letzten Wochen und Monaten Enormes geleistet und erhebliche Kraftanstrengungen geschultert. Das sind die Mitarbeite

rinnen und Mitarbeiter in den Kommunen, in den Hilfsorganisationen, in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, in den Ministerien, die Mitglieder der Landtagsfraktionen und der Landesregierung. Ohne das gemeinsame Handeln all dieser Menschen wären wir gar nicht so weit gekommen, wie wir es heute sind.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Gemeinsam haben wir bereits knapp 18 000 Notunterkunftsplätze geschaffen. Bis Jahresende planen wir fest weitere 14 000 Plätze. Wahrscheinlich werden es sogar mehr.

Ich möchte verdeutlichen, was es heißt, wenn ich sage: 14 000 bis Jahresende. Das sind jede Woche 1 400 oder an jedem Tag 200 neue Plätze. Das alles wäre nicht möglich ohne die großartige Arbeit, die in den Kommunen und im Land geleistet wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Aber wie gesagt, wenn im Schnitt über 1 000 Menschen pro Tag in Niedersachsen ankommen, dann muss man kein Mathematiker sein, um festzustellen: Wir stoßen hier an Grenzen - trotz aller Bemühungen und trotz der Erfolge.

Es gibt deshalb leider keine andere Möglichkeit mehr, als zumindest vorübergehend den Weg einzuschlagen, den z. B. das Land NordrheinWestfalen bereits gewählt hat. Wir werden, beginnend am kommenden Freitag, die Kommunen um Amtshilfe ersuchen. Auch andere Länder - wie Hessen - nehmen die Kommunen bereits in Anspruch - anders, als es bislang das Land Niedersachsen getan hat.

Ein entsprechendes Schreiben an die Gebietskörperschaften habe ich heute auf den Weg gebracht, begleitet durch Telefonanrufe des Staatssekretärs und des zuständigen Abteilungsleiters. Mein Haus informiert die Hauptverwaltungsbeamten also der Reihe nach vorab telefonisch.

Ich selbst habe heute Mittag die Vorsitzenden der Fraktionen dieses Hohen Hauses davon in Kenntnis gesetzt. Im Anschluss an diese Unterrichtung wird den Fraktionen dieses Hauses eine Liste mit den 20 zunächst betroffenen Kommunen zur Verfügung gestellt, und danach wird die Öffentlichkeit mit einer Pressemitteilung informiert.

Meine Damen und Herren, seien Sie sicher: Das ist die letzte Option, um eine Obdachlosigkeit der

Flüchtlinge zu verhindern. Dass dies eines Tages so sein würde, haben die Vertreter meines Hauses und auch ich selber gegenüber der kommunalen Ebene bereits mehrfach angekündigt.

Die Verteilung auf die Kommunen soll so erfolgen, wie es nach Bevölkerungszahl und bisheriger Aufnahmequote angemessen ist. Mein Haus hat dazu einen Verteilschlüssel ermittelt. Dieser fasst zunächst diejenigen Landkreise und kreisfreien Städte ins Auge, die bis dato weder über Notunterkünfte noch über Erstaufnahmeeinrichtungen verfügen. Ich glaube, das ist auch ein klarer Ausdruck von Verteilungsgerechtigkeit unter den Kommunen.

Wie viele Flüchtlinge welchen Kommunen zugewiesen werden, richtet sich dann logischerweise wieder nach der Einwohnerzahl, der Zahl der bereits vorhandenen Notunterkünfte, soweit vorhanden, oder anderen besonderen Belastungen vor Ort.

Was heißt das konkret? - Nach derzeitigem Stand bewegt sich die unmittelbare Zuweisung ungefähr im Rahmen von jeweils täglich 100 bis 200 Flüchtlingen bei einer Gebietskörperschaft, die von diesem vorübergehenden Schritt betroffen ist. Insgesamt werden vorerst 1 000 Flüchtlinge pro Tag über dieses Verfahren verteilt. Das ist einerseits viel und andererseits auch wieder nicht.

Welche Landkreise oder kreisfreien Städte langfristig betroffen sein werden und in welchem Rahmen sich dies im Einzelnen bewegen wird, kann aufgrund der extremen und kaum vorhersehbaren Dynamik der Zugänge natürlich nicht abschließend beantwortet werden.