Protokoll der Sitzung vom 11.11.2015

Tagesordnungspunkt 9: Abschließende Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Erleichterung der Unterbringung von ausländischen Flüchtlingen - Niedersächsisches Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetz - (NFUEG) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/4429 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 17/4529 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/4570

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen.

Zur Einbringung hat sich die Kollegin Petra Tiemann, SPD-Fraktion, gemeldet.

Danke schön. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch immer ist der Strom der Menschen, die in unserem Land vor Krieg und Verfolgung Schutz suchen, ungebrochen. Anfang dieses Jahres lautete die offizielle Prognose des Bundesministeriums für Inneres noch auf 75 200 Menschen. Laut dem Bericht unseres Innenministers Boris Pistorius bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs 2016 sind es momentan aber schon 66 000 Menschen. Das heißt, zum Ende des Jahres werden es 130 000 Menschen sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Unterbringung und die Versorgung dieser Menschen ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Darin liegt eine große Herausforderung für Niedersachsen, Deutschland und Europa. Der Bund, die Länder und die Kommunen sind gefordert, für eine menschenwürdige Behandlung jedes Einzelnen, der bei uns Schutz sucht, zu sorgen.

Die Kommunen in Niedersachsen engagieren sich hier sehr und sind in einem hohen Maße beansprucht. Die Hilfsorganisationen mit ihren hauptamtlichen und ihren vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern leisten einen unermüdlichen Beitrag, der zum Teil ihre Kräfte übersteigt. Diesen Menschen kann man nicht oft genug Danke sagen. - Vielen Dank!

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die große Zahl der Schutzsuchenden stellt unsere Kommunen vor ein schwer lösbares Problem. Sie finden nämlich keinen geeigneten Wohnraum mehr, um sie unterzubringen. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir uns entschlossen, die baurechtlichen Vorschriften vorübergehend zu verändern. Diese Veränderungen liegen als Gesetzentwurf mit dem Namen „Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetz“ vor und werden von uns heute verabschiedet.

Dieses Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll die Kommunen in unserem Land in die Lage versetzen, auf die Herausforderungen angemessen zu reagieren. Es hat das Ziel, die Schaffung von Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende befristet bis zum Dezember 2019 zu

vereinfachen bzw. zu beschleunigen. Dazu gehören folgende Punkte: Die Errichtung und die Änderung von mobilen Unterkünften mit bis zu höchstens zwei Geschossen bedarf keiner Baugenehmigung. Die Verpflichtung zur Schaffung von Kinderspielplätzen und zur Schaffung von Einstellplätzen für Pkw entfällt. Außerdem gibt es einige Lockerungen beim Denkmalschutz. - Nach Beendigung der Nutzung einer Immobilie zur Unterbringung von Flüchtlingen fallen diese Erleichterungen wieder weg.

Wir sind mit diesem Gesetz einer Forderung der kommunalen Spitzenverbände nachgekommen, um unseren Kommunen Maßnahmen zu ermöglichen, die ihnen ihre Arbeit erleichtern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben dieses Gesetz in einem enorm gestrafften Verfahren zur Beschlussreife gebracht. Das gelang nur, weil alle Beteiligten konstruktiv mitgewirkt haben. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Selbst die Grünen!)

Mein erster Dank gilt den beteiligten Ministerien und deren Mitarbeitern. Exemplarisch möchte ich das Innenministerium nennen. Sehr geehrter Herr Minister Boris Pistorius, bitte richten Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseren ganz herzlichen Dank aus.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte mich aber auch beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst bedanken. Ferner möchte ich die Kolleginnen und Kollegen in den mitberatenden Ausschüssen anführen. Vielen Dank, dass Sie diese zügige Beratung möglich gemacht haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir werden dieses Gesetz jetzt einstimmig beschließen - jedenfalls dann, wenn das Abstimmungsverhalten so bleibt, wie es im Ausschuss war - und damit unseren Kommunen ein Instrument an die Hand geben, das sie in die Lage versetzt, in außergewöhnlichen Zeiten auch Außergewöhnliches zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Tiemann. - Jetzt hat sich gemeldet Jan-Christoph Oetjen, FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Inhalte des Gesetzes, das wir gleich einstimmig verabschieden werden, hat die Kollegin Tiemann schon richtig dargestellt. Die Beratungen haben gezeigt, dass Politik schnell sein kann, wenn es schnell gehen muss. Die Kommunen, die die Hauptlast bei der Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern tragen, werden durch dieses Gesetz in die Lage versetzt, zum Zwecke der Flüchtlingsunterbringung schneller zu Neubauten, Umnutzungen und Ähnlichem zu kommen. Das ist gut und findet die volle Unterstützung der FDP-Fraktion.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch sagen: Dass die Kommunen derzeit die Hauptlast zu tragen haben, ist auch dem Umstand geschuldet ist, dass wir auf Landesebene fast keinen Puffer mehr haben. Deswegen ist es richtig, die Kommunen mit diesem Gesetz von bürokratischen Hürden zu entlasten. Allerdings müssen wir aber auch auf Landesebene unseren Teil dazu beitragen, mehr Asylbewerberinnen und Asylbewerber unterbringen zu können. Die Vorlaufzeiten für die Kommunen müssen sich wieder erhöhen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz ist ein Zeichen dafür, dass man auch fraktionsübergreifend gute Dinge auf den Weg bringen kann. Aber das erwarten unsere Bürgerinnen und Bürger auch: dass wir in der Sache hart streiten, dass wir aber dann, wenn es um die Umsetzung geht, zügig handeln, und zwar ohne jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu treiben. Das könnte sich der eine oder andere auf Bundesebene ruhig sparen.

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP] und Filiz Polat [GRÜNE])

Ich glaube, wir tun gut daran, dieses Gesetz heute zu verabschieden, auch wenn wir als FDP-Fraktion durchaus der Meinung sind, dass wir darüber hinaus noch weitere Erleichterungen auf den Weg bringen sollten:

Die kommunalen Spitzenverbände haben weitere Erleichterungen in der Niedersächsischen Bauordnung vorgeschlagen. Darüber hinaus hat insbe

sondere der Städte- und Gemeindebund vorgeschlagen, die Geruchsimmissionsrichtlinie zu lockern, weil sie in einigen Dörfern die Unterbringung von Flüchtlingen verhindert. Wir unterstützen diese Forderung.

Herr Minister Pistorius, wir erwarten von der Landesregierung, dass es nicht bei dieser Einmalaktion bleibt, sondern dass auch weiterhin geprüft wird, wo Erleichterungen für die Kommunen auf den Weg gebracht werden können. Wenn Sie hier vorangehen, haben Sie uns an Ihrer Seite. Wir werden kritisch beobachten, ob dort schon alles gelaufen ist oder ob es dort noch weitergeht.

Abschließend möchte ich mich bei den Regierungsfraktionen dafür bedanken, dass sie im Rahmen der Gesetzesberatungen im Ausschuss auch einmal gegen die, ich sage einmal, Bedenken aus der Bauabteilung des Sozialministeriums gestimmt und gesagt haben: „Wir folgen hier der Argumentation der kommunalen Spitzenverbände. Auch wenn das Sozialministerium hier Bedenken hat - wir ziehen das durch, damit die Kommunen in den Genuss von Erleichterungen kommen.“ Das fand ich gut, und das haben wir dann auch fraktionsübergreifend beschlossen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, dass das Gesetz ein gutes Gesetz ist. Es kann aber nur ein erster Schritt sein. Ich hoffe, dass weitere Schritte folgen, um die Flüchtlingsunterbringung in Niedersachsen weiter zu vereinfachen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Oetjen. - Jetzt hat sich Angelika Jahns, CDU-Fraktion, gemeldet. Frau Jahns, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eben schon einige Ausführungen zum Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetz, das wir gleich verabschieden werden, gehört. Es trifft zu, dass die kommunalen Spitzenverbände darum gebeten haben, angesichts der besonderen Herausforderungen, die wir im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen insgesamt meistern müssen, Erleichterungen für die Kommunen vorzunehmen, damit die Schaffung weiteren Wohn- und Unterbringungsraums nicht an denk

malschutz- oder baurechtlichen Vorschriften scheitert.

Meine Damen und Herren, eben ist sehr deutlich geworden, dass dieses Gesetz, ich sage einmal, im Schweinsgalopp beraten wurde. Das, was SPD und Grüne uns in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen haben, passiert also auch ihnen. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für dieses Gesetz, eben weil es so schnell durchgepeitscht wurde, keine rechtliche Verantwortung übernehmen kann. Gleichwohl: Dieses Gesetz ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir alle haben ein großes Interesse daran, dass die Flüchtlinge, die in Niedersachsen unterzubringen sind, hier auch menschenwürdig untergebracht werden. Das liegt uns doch allen am Herzen.

Meine Damen und Herren, es ist schon deutlich geworden, dass wir die Anregungen, die die kommunalen Spitzenverbände vorgebracht haben, zum überwiegenden Teil berücksichtigt haben. Zu einigen Anregungen hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst darauf hingewiesen, das hier gar keine Gesetzesänderung notwendig ist, sondern dass man das Problem auch im Rahmen der schon vorhandenen Ausnahmeregelungen lösen kann. Das gilt z. B. für die Vorschriften betreffend Aufenthaltsräume, Aufzüge oder Fahrradabstellplätze. Dem sind wir gefolgt. Damit können die Kommunen in dem Bereich handeln, ohne durch weitere Vorschriften eingeschränkt zu sein. Der CDU-Fraktion war sehr wichtig, der Anregung zu folgen, die Vorschriften zur Barrierefreiheit, zu Kinderspielplätzen und zu Pkw-Einstellplätzen befristet außer Kraft zu setzen.

Aus den Wortmeldungen meiner beiden Vorredner ist deutlich geworden, dass aber natürlich auch das Land in der Verpflichtung ist. Das Land kann nicht nur die Kommunen im Rahmen der Amtshilfe in Anspruch nehmen und darauf vertrauen, dass vor Ort schon alles getan wird, sondern es muss auch auf seiner Ebene mehr tun.

Es ist schon deutlich geworden, dass viele Vorhaben, die das Land in der Vergangenheit beabsichtigt hatte, gescheitert sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich nenne nur Osterode und das Hotel in Hahnenklee.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Das ist doch gar nicht gescheitert!)

Gravierend war auch die Fehlbelegung der Niedersächsischen Akademie für Brand- und Katastrophenschutz.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Dagegen haben sich Tausende von Feuerwehrkameradinnen und -kameraden gewehrt, sodass das Land die Belegung wieder rückgängig gemacht hat. Das war die richtige Entscheidung, und dafür möchten wir uns im Namen der Feuerwehrkameradinnen und -kameraden ausdrücklich bedanken.

Meine Damen und Herren, die kommunalen Spitzenverbände haben auch die Geruchsimmissionsrichtlinie angesprochen; Herr Kollege Oetjen hat das erwähnt. Dazu hat uns der GBD gesagt, dass diese Richtlinie keine Rechtskraft hat, aber in einigen Bereichen nun einmal angewandt wird. Ich glaube, gerade im ländlichen Bereich bereitet diese Richtlinie manchmal Schwierigkeiten. - Gestatten Sie mir hier noch eine kleine Bemerkung am Rande, etwas zum Schmunzeln: In dem schriftlichen Bericht fand ich zu dem Passus Geruchsimmissionsrichtlinie den Hinweis, dass das eine Anregung der kommunalen Spritzenverbände gewesen sei. Das fand ich besonders nett; denn das passt ja so gut zum Thema.

Meine Damen und Herren, wir gehen mit diesem Gesetz einen Schritt in die richtige Richtung. Wir wollen den Kommunen die Errichtung von Unterkünften erleichtern. Bei den Beratungen ist aber auch noch einmal deutlich geworden, dass man die Begriffe „Wohnen“ und „Unterbringung“ differenziert betrachten muss. Deswegen ist es gut, dass wir uns auf die Formulierung „Unterbringungen“ festgelegt haben. Denn wenn man den Begriff „Wohnen“ rechtlich exakt auslegen wollte, ergäben sich wieder größere Hürden.

Meine Damen und Herren, ich kann nur an uns alle appellieren, sich dort, wo wir in den Kommunen Verantwortung tragen, auch einzubringen. Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Kolleginnen und Kollegen, die hier sitzen, das auch tun und überall nach Möglichkeiten für eine gute Unterbringung suchen.

Wir müssen ja damit rechnen, dass der Innenminister die Kommunen erneut um Amtshilfe bitten wird. Die Amtshilfe wird ja nicht nach vier Wochen beendet sein, sondern es wird zu Kettenverträgen kommen. Die Kommunen werden, wie von den kommunalen Spitzenverbänden schon angekün