Protokoll der Sitzung vom 11.11.2015

Wir müssen ja damit rechnen, dass der Innenminister die Kommunen erneut um Amtshilfe bitten wird. Die Amtshilfe wird ja nicht nach vier Wochen beendet sein, sondern es wird zu Kettenverträgen kommen. Die Kommunen werden, wie von den kommunalen Spitzenverbänden schon angekün

digt worden ist, weiterhin Turnhallen und andere öffentliche Gebäude wie z. B. Dorfgemeinschaftshäuser in Anspruch nehmen müssen. Vor diesem Hintergrund muss man den Kommunen aber auch die Möglichkeit geben, schneller auf andere Bauten zurückzugreifen und dort Nutzungen zu ändern.

In diesem Sinne möchte ich Sie alle ganz herzlich bitten: Engagieren Sie sich vor Ort, und unterstützen Sie die ehrenamtlich tätigen Helfer! Vorhin ist ja schon gesagt worden: Es ist unbeschreiblich, was in Niedersachsen an ehrenamtlichem Engagement erbracht wird,

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

auch von Hilfsorganisationen oder Feuerwehren.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

In diesem Sinne wünsche ich uns weiterhin eine gute Beratung. Es ist ein guter Schritt, dass wir dieses Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung der Flüchtlingssituation, dass wir dieses Flüchtlingsunterbringungserleichterungsgesetz einstimmig verabschieden werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Jahns. - Jetzt hat sich Meta Janssen-Kucz, Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet. Bitte! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Außergewöhnliche Lagen erfordern außergewöhnliches und auch schnelles Handeln. Dem sind wir gemeinsam nachgekommen. Ich sage allen Fraktionen ein dickes Dankeschön, dass wir das tatsächlich, auch mit einer Sondersitzung, geschafft haben.

Ein dickes Dankeschön geht auch an den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst, auch wenn er mitgeteilt hat, dass er den Gesetzentwurf aufgrund des engen Zeitfensters nicht mit seinen sonst hohen Maßstäben prüfen konnte. Aber ich glaube, wir werden das schon hinkriegen. Wenn etwas nachzujustieren ist, dann muss es halt nachjustiert werden.

Meine Kolleginnen und Kollegen haben es gesagt: Angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation und der damit verbundenen Notwendigkeit, in kurzer Zeit Unterbringungskapazitäten zu schaffen, ist es unser gemeinsames Ziel, die Kommunen darin zu unterstützen, Flüchtlinge schnell und zeitnah mit angemessenem Wohnraum zu versorgen und eventueller Obdachlosigkeit vorzubeugen.

Wir wollen dafür die entsprechenden Bauvorschriften in einem begrenzten Zeitraum ändern. Das Gesetz soll zum 1. Dezember dieses Jahres in Kraft treten und bis Ende 2019 begrenzt werden.

Meine Damen und Herren, wir hatten zu dem Flüchtlingsunterbringungsbeschleunigungsgesetz eine sehr intensive mündliche Anhörung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die Gesetzesinitiative fußt auf einem Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände aus dem August dieses Jahres. Auch dafür unsererseits noch einmal ein Dankeschön!

Folgende Punkte sind in den einzelnen Paragrafen festgehalten:

Während des befristeten Zeitraums entfällt die verpflichtende Vorschrift zur Barrierefreiheit.

Des Weiteren sind mobile Unterkünfte - darunter fallen Zelte, Container und Wohnwagen - baugenehmigungsfrei. Beibehalten werden wir aber aus Brandschutzgründen die Beschränkung auf höchstens zwei Geschosse. Das ist notwendig; denn Brandschutz geht letztlich über alles.

Die Kommunen, die die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde wahrnehmen, stellen zukünftig sicher, dass die einschlägigen baurechtlichen Vorschriften, entsprechend den materiellen Vorgaben der Niedersächsischen Bauordnung, eingehalten werden. Sollte die Kommune dies nicht sicherstellen können, besteht die Option, sich externen Sachverstand einzuholen.

Außerdem entfallen für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften in diesem Zeitraum die Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes, wenn dadurch sonst der Bau von Flüchtlingsunterkünften verzögert würde. Auch die Schaffung von PkwEinstellplätzen ist nicht mehr vorgesehen.

Ebenfalls nicht mehr vorgeschrieben ist die Schaffung von Kinderspielplätzen. Ich muss gestehen, dass uns und gerade mir das sehr schwergefallen ist, gerade wenn man sieht, wie viele Kinder mit auf der Flucht sind und bei uns Sicherheit suchen.

Eigentlich brauchen gerade diese Kinder Platz zum Spielen und zum Toben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weitere Anregungen der kommunalen Spitzenverbände - keine Aufzüge, Einschränkungen bei den Aufenthaltsräumen vorzunehmen, keine Fahrradabstellanlagen vorzuhalten - haben wir erst einmal nicht aufgenommen. Man kann zwar weiter darüber diskutieren, aber wir haben mit § 66 NBauO ein Instrument, um praktische Probleme zeitnah zu lösen.

Ich möchte jetzt noch ein paar Sätze zur Geruchsimmissionsrichtlinie sagen. Es wurde ja gefordert, sie befristet auszusetzen.

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz ist zu komplex und ein technisches Regelwerk, um die Geruchsimmissionsrichtlinie einfach in einem Landesgesetz außer Kraft zu setzen. Das erfordert weitere Diskussionen, denen wir uns aber nicht verschließen. Wenn es sich um temporäre Ausnahmeregelungen zur Ermöglichung der Unterbringung von Flüchtlingen handelt, ist aber eine sehr sorgfältige Prüfung im Gesamtkontext notwendig. Ich bin mir sicher, dass das zuständige Umweltministerium das auch tun wird.

Wie gesagt: Wir legen Ihnen ein Gesetz vor, um den Kommunen die Unterbringung der Flüchtlinge zu erleichtern, und bitten um Unterstützung und damit Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Janssen-Kucz. - Jetzt hat sich der Herr Innenminister gemeldet. Herr Minister Pistorius, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die größte Flüchtlingsbewegung seit Generationen stellt Niedersachsen wie auch alle anderen Bundesländer und die Bundesrepublik Deutschland insgesamt vor enorme, in dieser Form seit Jahrzehnten nicht da gewesene Herausforderungen. Die vordringlichste ist es dabei, die Menschen angemessen unterzubringen. Diese Herausforderung gewinnt umso mehr an Bedeutung, als jeden Tag um die 1 000 Menschen allein nach

Niedersachsen kommen - das ist seit Wochen der Fall.

Bei dieser Unterbringung sind uns als Land bereits gewaltige Fortschritte gelungen, auch in Zusammenarbeit mit den Kommunen und den Hilfsorganisationen - ohne die wäre es nicht gegangen. Wir haben - Stand gestern, 10. November - 4 357 reguläre Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen und 23 514 Notunterkunftsplätze beim Land geschaffen. Hinzu kommen 13 300 Notunterkunftsplätze, die im Wege der Amtshilfe über die Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Dafür gilt allen Beteiligten auf allen Ebenen mein herzlicher Dank: den zum Teil im Schichtbetrieb arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums bis hin zu den Ehrenamtlichen vor Ort in den Kommunen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kommunen und Hilfsorganisationen. Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Jan-Christoph Oetjen [FDP])

Mit Blick auf die unverändert äußerst dynamischen Zugangszahlen, die wir zu verzeichnen haben, von denen wirklich niemand sagen kann, wie sie sich in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln werden, ist klar, dass wir noch schneller werden müssen. Dabei stehen uns allerdings zahlreiche Rechtsvorschriften im Weg. Diese haben zwar unverändert grundsätzlich ihre Berechtigung und sollen deshalb auch nicht dauerhaft oder gänzlich infrage gestellt werden. Sie sind aber mit Blick auf die vielen benötigten Flüchtlingsunterkünfte, die wir schaffen müssen, und auf die aktuelle Notlage schlichtweg nicht angemessen.

Wenn wir z. B. in einer alten Kaserne keine Flüchtlinge unterbringen dürfen, weil die eingebauten Fenster gut zehn Jahre alt sind und damit nicht den neuesten energetischen Standards entsprechen, dann wird klar, dass wir uns hier unnötig selber im Weg stehen - zumal in einer solchen Notunterkunft und bei derart stark steigenden Zugangszahlen, wie ich sie erwähnt habe.

Niedersachsen hat deshalb schon im Sommer - übrigens in der Sommerpause - eine bundesweite Initiative gestartet und in den Bundesrat eingebracht. Ich bin sehr froh darüber, dass bereits große Teile unserer Initiative umgesetzt worden sind - zum Teil schon vor der Beratung in den zuständigen Ausschüssen des Bundesrats. Ich nenne nur das Stichwort „Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz“. Ganz Deutschland profitiert von unserer

Initiative. Das ist in dieser Situation ausgesprochen wichtig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gehen wir unseren Weg natürlich konsequent auch auf Landesebene weiter. Damit sollen nun auch Erleichterungen bei speziellen Landesgesetzen geschaffen werden, etwa im Bauordnungsrecht oder im Denkmalschutzrecht. Auch hier gilt wieder: Die entsprechenden Regelungen haben zwar natürlich grundsätzlich unverändert ihre Bedeutung, aber sie sind in dieser Lage und für diesen Zweck einfach nicht angemessen und behindern. Sie sollen deshalb für einen begrenzten Zeitraum - bis Ende 2019 - modifiziert werden. Damit setzen wir gleichzeitig die schon erwähnten Forderungen der kommunalen Spitzenverbände um.

An dieser Stelle will ich mich gerne und aus tiefstem Herzen dem Dank an alle Fraktionen des Hohen Hauses anschließen. Sie haben in den letzten beiden Wochen einen regelrechten Beratungsmarathon in den Ausschüssen absolviert, damit dieses Gesetz schnell beschlossen und umgesetzt werden kann. Für diesen schnellen, aber dennoch konstruktiven Beratungsverlauf danke ich Ihnen allen ausdrücklich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Begriff „Schweinsgalopp“ sagen, liebe Frau Jahns. Die Vorstellung von einem Schweinsgalopp ist in Zeiten, in denen keine Eile geboten ist, schon merkwürdig genug. Aber in der aktuellen Situation ist wirklich Eile geboten. Deswegen würde ich eher von einem kurzen, energischen Sprint sprechen als von einem Schweinsgalopp. Der sieht doch immer ein bisschen komisch aus.

Wir können zeitnah einen weiteren wichtigen Beitrag leisten, um unsere historische, aber auch moralische Verantwortung zu erfüllen und den Flüchtlingen Schutz vor politischer Verfolgung und Krieg zu gewähren. Deshalb freue ich mich über die zu erwartende Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind am Ende der Beratung.

Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf:

§§ 1 bis 6. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer dieser Änderungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen und Enthaltungen sehe ich nicht. Das ist so beschlossen.

Gesetzesüberschrift. - Auch hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer dieser Änderungsempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist auch einstimmig so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung.