Natürlich werden wir uns in der Folge anschauen müssen, wie Sanvartis die Beratung realisiert, und am Ende wird festzustellen sein, ob das qualitativ genauso gut war, wie das bisher der Fall gewesen ist. Trotzdem regen wir an, auch mit Blick auf die Zukunft, darüber nachzudenken, eine gesetzliche Änderung vorzunehmen, die diese Möglichkeiten besser berücksichtigt und die ausschließt, dass jene zum Gegenstand der Beratung werden, die das finanzieren. Diese Forderung finde ich auch richtig. Das machen wir in anderen Bereichen auch, und das hat doch überhaupt nichts damit zu tun, dass wir das privatwirtschaftlichen Unternehmen nicht zutrauen. Das trauen wir ihnen sehr wohl zu, aber eben nicht dann, wenn sie genau für diejenigen arbeiten, die Gegenstand der Beratung sind.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es relativ kurz machen, weil schon sehr viel dazu gesagt worden ist.
Ich teile das, was die Kollegin Schwarz gesagt hat. Ich finde es schwierig, in ein Ausschreibungsverfahren einzugreifen. Es kann doch nicht sein, dass ich, wenn mir das Ergebnis nicht passt, denjenigen, der die Ausschreibung gewonnen hat, von vornherein dafür kritisiere, dass er das Ganze eventuell nicht neutral genug handhabt.
Erstaunlich finde ich die Kritik der SPD auch deswegen, weil der Patientenbeauftragte der Bundesregierung mit dabei war. Wenn ich mich recht entsinne, sind Sie doch auch an der Bundesregierung beteiligt. Insofern ist das Ganze doch recht merkwürdig.
Der richtige Weg ist beschritten worden. Die Vergabekammer ist angerufen worden. Es ist nachgefragt worden, wie das Vergabeverfahren gelaufen ist. Das Zitat hat Annette Schwarz schon genannt: Bezüglich der vorgeschriebenen Neutralität und Unabhängigkeit gibt es keine Anhaltspunkte, dass der GKV-Spitzenverband das Vergabeverfahren manipulativ betrieben hätte. Ebenso ließ die Vergabekammer erkennen, dass der Zuschlag zu Recht an Sanvarits gegangen sei, zumal im UPDAngebot selbst Mängel zu sehen seien.
Wir sollten uns an das Urteil der Vergabekammer halten. Ich finde es schon wichtig, zu beobachten, inwieweit die Unabhängigkeit auch weiterhin gewährleistet ist. Das ist aber völlig unabhängig von dem Vergabeverfahren zu tun.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nochmals für die SPD-Fraktion hat nun Herr Kollege Uwe Schwarz das Wort. Sie haben noch eine Restredezeit von vier Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich verstehe nicht, warum die Kollegin Schwarz solche Unterstellungen und eine solche Schärfe in diese Debatte hineinbringen musste.
Es geht hier nicht um Feindbilder. Es geht auch nicht um Privatisierungsfeindlichkeit. Ich empfehle Ihnen, einmal den Verlauf der ZDF-Fernsehsendung „Frontal21“ vom 13. Oktober nachzulesen. Da ist das wunderbar aufgelistet.
Ich will das kurz zusammenfassen: Sanvartis ist einer der größten Callcenter-Anbieter im Gesundheitswesen, und einer der größten Kunden ist die gesetzliche Krankenversicherung. Ich frage mich, wie man als Callcenter auf der einen Seite Patienteninteressen - die sehr häufig Auseinandersetzungen mit der GKV bedeuten, weil dort nämlich Leistungsansprüche verweigert worden sind - vertreten soll, wenn man auf der anderen Seite genau diese GKV als einen seiner größten Kunden vertreten muss. Ich frage mich, wie man das unter einen Hut bringen kann, und sage Ihnen: Das kann man nicht. Da gibt es einen Interessenkonflikt, der überhaupt nicht aufzulösen ist. Und genau darauf ist hingewiesen worden.
Was das Vergabeverfahren betrifft, so ist es doch zumindest ein merkwürdiger Vorgang, dass die Frage, ob Sanvartis neutral ist oder nicht, genau von der Rechtsanwaltskanzlei beurteilt worden ist, die für die gesetzliche Krankenversicherung dieses Unternehmen als unabhängige Patientenberatungsstelle akquiriert hat. Auch das ist ein Punkt, bei dem wir, wenn es um andere Vorgänge ginge, schlichtweg von Vetternwirtschaft und Interessenkollision reden würden.
Deshalb verstehe ich den Aufschrei der Sozialverbände, der Gewerkschaften und der Interessengruppen, die sagen: Hier kann keine Neutralität vorhanden sein. - Das hat Thomas Schremmer gerade noch einmal sehr deutlich gemacht.
Meine Damen und Herren, hier muss doch im Vordergrund stehen, dass Patientinnen und Patienten, die das Gefühl haben, dass sie falsch behandelt worden sind oder dass ihnen Leistungen versagt werden, zu einer Stelle gehen können, deren Interessen nicht mit denen der Leistungserbringer verquickt sind. Deshalb sind wir der festen Überzeugung, dass dieser Antrag nach wie vor absolut zweckdienlich und notwendig ist. Und damit stehen wir nicht allein.
Und wenn Sie hier schon so schön einzelne Vertreter der SPD zitieren, sehr geehrte Frau Kollegin Schwarz - ich sehe gerade, Sie greifen uns zwar an, aber hören dann nicht zu; das entspricht aber auch dem politischen Stil, den Sie hier pflegen -,
dann wäre es vielleicht auch ganz gut gewesen, wenn Sie sich einmal angeguckt hätten, was Vertreter anderer CDU-Landtagsfraktionen oder auch Vertreter Ihrer Schwesterpartei, der CSU, in ihren jeweiligen Landtag eingebracht haben. Die haben dort nämlich nichts anderes gefordert als das, was wir hier fordern. Die schreiben u. a. - in diesem Fall ist es ein Antrag im Bayerischen Landtag -:
„Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich beim Beauftragten des Bundes für die Belange von Patientinnen und Patienten … dafür einzusetzen, dass eine unabhängige, neutrale, dezentrale und persönliche Beratung … gewährleistet wird. Die ausschließliche Beratung durch Callcenter ist abzulehnen.“
Also: Wir üben da schon sehr den Schulterschluss. Die Einzigen, die offensichtlich Schwierigkeiten haben, gemeinsam mit uns für die Patienteninteressen einzutreten, sind Sie, Frau Schwarz, und das finde ich sehr bedauerlich.
Vielen Dank, Herr Kollege Schwarz. - Es gibt auf Ihre Rede eine Kurzintervention der Kollegin Schwarz, CDU-Fraktion. Bitte!
Danke, Frau Vorsitzende. - Herr Kollege Schwarz, ich kann Ihnen antworten, weil ich sehr gut zugehört habe.
Sie haben hier die Behauptung aufgestellt, dass sich Kollegen der CDU, z. B. in Nordrhein-Westfalen, oder Kollegen unserer Schwesternpartei CSU in Bayern sehr wohl in Ihrem Sinne eingesetzt hätten, indem sie gesagt hätten, dass sie das auch fordern würden.
Ich habe mir den Antrag der CSU angeguckt. Ich habe mir auch den Antrag der SPD und den der Grünen in Bayern angeguckt. Ich habe auch festgestellt, wie im weiteren Verfahren damit umgegangen worden ist. Im Grunde genommen sind alle drei Anträge für erledigt erklärt worden, und das zu Recht. Entsprechendes habe ich Ihnen auch im Ausschuss gesagt.
Ihr Antrag ist in dem einen Punkt vorläufig erledigt, und in dem anderen Punkt sollte man vielleicht erst einmal die Arbeit anschauen, um sie bewerten zu
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bleibe bei dem, was ich eben gesagt habe. Ich verstehe es nicht, Frau Schwarz. Wir haben in diesem Landtag gemeinsam einen Sonderausschuss eingerichtet, der sich mit Patientensicherheit befasst. Sie sind es gewesen, die im Zusammenhang mit neuen Vorkommnissen im Gesundheitswesen in Niedersachsen darum gebeten haben, diesen Aspekt in einem Sonderausschuss zu beleuchten. Das hatte mit den eigentlichen Morden gar nichts zu tun.
Ich will damit sagen: Wir haben in Deutschland ständig Situationen, in denen offensichtliche Interessenkonflikte im Gesundheitswesen entstehen, die zulasten von Patientinnen und Patienten gehen. Vor diesem Hintergrund kann ich nicht verstehen, dass die CDU Lobbyarbeit für das größte Callcenter im Gesundheitswesen betreibt und sagt, die seien neutral. - Die können nicht neutral sein!
Übrigens wird auch die gesamte Intention, die uns gemeinsam zu dem Sonderausschuss gebracht hat, von Ihnen hier ad absurdum geführt. Ich habe dafür null Verständnis. Ich weiß auch nicht, wo Sie sich gerade ideologisch verbohren.
Aber ich sage noch einmal - es bleibt dabei -: Neutralität muss gewährleistet sein. Und das kann dieser Anbieter nicht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Annette Schwarz [CDU]: Das darf doch nicht wahr sein! Damit haben Sie sich keinen Gefallen ge- tan!)
Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat nun Frau Sozialministerin Rundt das Wort. Ich darf noch einmal um Ihre Aufmerksamkeit bitten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit 2011 sind die Krankenkassen laut § 65 b SGB V zur Förderung von Einrichtungen zur Verbraucher- und Patientenberatung verpflichtet. Die Förderung einer solchen Einrichtung setzt einen Nachweis über deren Neutralität und Unabhängigkeit voraus.
Die Vorbereitung der Vergabe der Fördermittel und die Entscheidung darüber erfolgten durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Einvernehmen mit dem Beauftragten der Bundesregierung. Die Fördermittel wurden für sieben Jahre vergeben.
Bis Ende 2015 wurde diese Beratung äußerst erfolgreich, wie man sagen muss, durch die Unabhängige Patientenberatung Deutschland gGmbH vorgenommen. Die UPD wird gebildet aus gemeinnützigen Organisationen wie dem Sozialverband VdK Deutschland, dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und dem Verbund unabhängige Patientenberatung.
Die Beratungsschwerpunkte sind Patientenrechte, geforderte Zuzahlungen, Ansprüche gegenüber Kostenträgern - das ist ja sehr wichtig -, Behandlungsfehler und Probleme im sozialen Umfeld und im beruflichen Umfeld. Diese Schwerpunkte liefern auch Anhaltspunkte für mögliche Problemlagen, die seitens der Politik und der Wissenschaft gegebenenfalls aufgegriffen werden.
Die Neuvergabe der UPD-Fördermittel für die Beratungstätigkeit erfolgte aufgrund einer europaweiten Ausschreibung. Den Zuschlag erhielt das Duisburger Unternehmen Sanvartis. Dieses Ergebnis hat auch die Schwächen des Vergabeverfahrens des Bundes aufgezeigt und löst in der Tat Besorgnis im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Beratung aus. Denn zu den bisherigen Auftraggebern von Sanvartis zählen genau die eben genannten Kostenträger, Kliniken, Krankenkassen, pharmazeutische Unternehmen und Ärzte. HotlineDienste und der Vertrieb stehen dabei im Vordergrund.
Obwohl die Vergabekammer in ihrer Entscheidung vom 4. September den Nachprüfungsantrag der unterlegenen Bietergemeinschaft zurückgewiesen hat, bleiben erhebliche Zweifel, dass mit der jetzigen Entscheidung den Patienteninteressen Genüge getan wurde. Insbesondere besteht die Sorge, dass die Unabhängigkeit der neuen Institution und
damit die Unabhängigkeit der Beratung nur auf dem Papier besteht. Es fehlt also an Vertrauen, aber ohne Vertrauen kann Beratung nicht erfolgreich sein.
Auch wenn die jetzige Auswahlentscheidung auf dem Rechtsweg nicht mehr überprüfbar ist, so muss für die Zukunft sichergestellt werden, dass potenzielle Interessenkonflikte ausgeschlossen sind. Wir werden uns gegenüber der Bundesregierung also weiterhin dafür einsetzen, dass zukünftig sichergestellt ist, dass die Patientenberatung wirklich unabhängig, neutral und kostenfrei bleibt und eine vergleichbare regionale Erreichbarkeit gewährleistet wird.