Vielen Dank, Herr Kollege Schremmer. - Für die Landesregierung hat nun die Sozialministerin, Frau Rundt, das Wort. Bitte schön, Frau Rundt!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist vorrangiges gesundheitspolitisches Ziel der neuen rot-grünen Landesregierung, in einem Flächenland wie Niedersachsen sicherzustellen, dass jede und jeder, die oder der dort wohnt, unabhängig von Einkommen, unabhängig von Alter, unabhängig von sozialer Herkunft oder unabhängig von gesundheitlichem Risiko eine leistungsfähige, sichere und flächendeckende medizinische Versorgung in Anspruch nehmen kann.
Bei der ärztlichen Versorgung legen wir damit unseren Schwerpunkt auch auf das Thema der Hausärzte. Zum einen kommt gerade in einer älter werdenden Gesellschaft diesen Hausärzten mit ihrer Schlüssel- und Lotsenfunktion eine ganz besondere Bedeutung zu. Denn sie sind genau die Berufsgruppe, die einen erheblichen Anteil an der Last des demografischen Wandels, nämlich mit zusätzlicher Arbeit, wird schultern müssen. Zum anderen zeichnet sich schon jetzt sehr deutlich ab, vor welchen großen Herausforderungen wir in ländlichen Regionen stehen.
Es ist allerdings problematisch, eine besondere Arztgruppe völlig isoliert zu betrachten; denn die Lösung der medizinischen Herausforderungen einer immer älter werdenden Gesellschaft liegt nicht dort allein. Im Gegenteil, es ist immer wichtiger geworden - das wird auch künftig noch wichtiger werden, wenn wir Versorgung in der bisherigen Qualität zumindest aufrechterhalten wollen -, hier andere Bereiche mit einzubeziehen. Es wird uns - das kann man ganz pragmatisch sagen - aus Gründen der Versorgungssicherheit, aber auch aus schlichten finanziellen Gründen überhaupt nichts anderes übrig bleiben.
Das heißt, wir müssen die derzeit noch sehr stark nebeneinander agierenden Versorgungssektoren besser miteinander verzahnen - gerade in ländlichen Regionen. Es ist insbesondere für ältere, für chronisch kranke Menschen ganz wichtig, eine regional abgestimmte Versorgung aus einer Hand zu haben. Das heißt auch ganz klar, dass wir eine deutlich stärkere Einbindung nichtärztlichen Fachpersonals auf den Weg bringen müssen, d. h. die Delegation ärztlicher Leistungen auf Fachpersonal.
Das soll sich - das wird gelegentlich missverstanden - ganz ausdrücklich nicht gegen Ärzte richten, die tagtäglich ein unglaublich hohes Arbeitspensum gerade im ländlichen Bereich, gerade an Wochenenden leisten, sondern es ist als Unterstützung und Entlastung gedacht. Und - das ist auch ganz wichtig - wir brauchen eine deutliche Erhöhung der Attraktivität des Berufs des Landarztes, damit Nachbesetzungen möglich sind.
Das Gesundheitsversorgungsstrukturgesetz aus dem Jahr 2005, von dem ich zwischenzeitlich den Eindruck hatte, dass Herr Böhlke es allein auf den Weg gebracht hat,
schafft zumindest die Möglichkeit, gerade Landärztinnen und Landärzte zu fördern. Die Bedarfsplanung, die hier möglich ist - das wird sich in ihren Auswirkungen erst zukünftig zeigen -, ist im Detail im Moment noch nicht absehbar.
Für mich ist eine grundlegende Reform der Bedarfsplanung eine solche, die stärker auf einen sektorenübergreifenden Ansatz setzt. Allerdings ist die Chance für einen breiten Einstieg in eine echte integrierte Bedarfsplanung von der alten Landesregierung leider verpasst worden. Bislang stand nämlich ausschließlich die ambulante ärztliche Versorgung im Fokus, ohne dass die angrenzenden Versorgungsstrukturen - z. B. stationäre Bereiche, aber auch pflegerische Bereiche - einbezogen wurden. Daran ändert auch nur wenig, dass ermächtigte Krankenhausärzte jetzt in der Bedarfsplanung zu berücksichtigen sind. Auch mit der integrierten Versorgung nach § 116 SGB V haben wir enge Grenzen, hier sektorenübergreifend tätig zu werden. Das Ganze hat bislang nur eine sehr geringe praktische Bedeutung.
Ich habe ja angedeutet, dass die Bedarfsplanung - wir haben es auch von den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört - nun auf andere Füße gestellt wird. Dazu vielleicht die aktuellste Mitteilung: Gerade gestern hat der zuständige Landesausschuss nach § 90 SGB V erstmals getagt und die Grundlage des neuen Bedarfsplans festgestellt und festgestellt, wo Unterversorgung ist, wo also noch Ärzte zugelassen werden können. Ich darf bestätigen: Wir haben die größten Probleme im Bereich des Raumes Munster und große Probleme im Speckgürtel um Hamburg herum.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums - das Land nimmt ja nun an dem neuen Landesausschuss teil - haben in der gestrigen Sitzung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es aus der Sicht des Landes von erheblicher Bedeutung ist, die regionalen Besonderheiten in der Bedarfsplanung zu berücksichtigen.
Die Kassenärztliche Vereinigung - daran muss man hier vielleicht noch einmal ausdrücklich erinnern -, die den alleinigen förmlichen Sicherstellungsauftrag für die vertragsärztliche Versorgung in Niedersachsen hat, hat als Herrin der Bedarfsplanung zugesagt, sich dieses Themas gleich in der zweiten Jahreshälfte, gemeinsam mit den Krankenkassen, anzunehmen. Der Landesausschuss
hat darüber hinaus klargestellt, dass er sich, unabhängig von den Zahlen der Bedarfsplanung, die tatsächlichen Gegebenheiten in den Regionen anhand der Lebenswirklichkeit ansehen wird. Dazu braucht er ein wenig Zeit, um die vorhandenen Zahlen zu analysieren.
Stellungnahmen sonstiger Institutionen sind auszuwerten. Es ist aber völlig klar, was die Position des Landes betrifft: Von den Abweichungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Bundesregelung sollte hier in Niedersachsen in allen begründeten Fällen sinnvoller Gebrauch gemacht werden. Es muss ein begleitender Prozess angestoßen werden, der auf Dauer ausgelegt ist und bei dem ein immer wiederkehrendes Nachjustieren die Regel sein wird. Aber - soweit man das sagen kann - alle dort Beteiligten sind sehr guten Willens. Insbesondere möchte ich den Selbstverwaltungsorganen dafür danken, dass zumindest der erste Aufschlag sehr gut gelaufen ist.
Was folgt für die Landesregierung? - Wir sehen zum einen die Notwendigkeit, stärker regional zu handeln. Die kommunale Ebene muss flächendeckend einbezogen und unterstützt werden. Gesundheitsversorgung muss im Rahmen der Möglichkeiten von den Kommunen mitgestaltet werden. Dazu brauchen wir entsprechende Beteiligungsstrukturen. Den richtigen Rahmen könnten die Gesundheitsregionen bilden. Wir werden gerne auf das Modellprojekt der alten Landesregierung „Zukunftsregionen Gesundheit“ zurückgreifen, weil es dort durchaus interessante Ansätze gibt und weil das vor allen Dingen große Möglichkeiten bietet, aus den Fehlern zu lernen, die man in den Gesundheitsregionen gemacht hat, z. B. die sehr einseitige Fokussierung rein auf den ärztlichen Beruf.
Frau Ministerin, ich weiß, dass Sie das Recht haben, unbegrenzt zu reden, muss aber darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit schon mehr als verdoppelt ist.
(Jens Nacke [CDU]: Sie hat gestern nichts gesagt! Dann wollen wir groß- zügig sein! Gestern hat Herr Pistorius für sie geredet!)
Wir werden die Gesundheitsregionen neu aufsetzen. Wir werden sie deutlich klarer und breiter aufsetzen. Wir werden die Kommunen mit ins Boot nehmen. Und wir werden in Gesprächen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen weitere Modelle entwickeln, u. a. zur Unterstützung der Hausärzte in unterversorgten Regionen, was die Niederlassungen betrifft.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Zum Tagesordnungspunkt 18, den wir eben in erster Beratung debattiert haben, liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.
Der Antrag soll federführend an den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration und mitberatend an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer das so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist mit großer, ausreichender Mehrheit so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung: Das Standortauswahlgesetz ist gut und notwendig für Niedersachsen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/177
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! SPD und Grüne haben im Wahlkampf das Versprechen abgegeben, dass sie einem neuen Auswahlverfahren nur dann zustimmen werden, wenn Gorleben ausgeschlossen wird.
Auch dieses Versprechen, meine Damen und Herren, hat dazu beigetragen, dass Rot-Grün eine hauchdünne Mehrheit erreicht hat. Doch damit hatte dieses Versprechen seinen Zweck auch erfüllt; denn sehr schnell nach der Wahl wurde es kassiert - aus Gründen, die schon vor der Wahl absehbar waren. Deshalb werfe ich Ihnen auch vor, Ihre Wählerinnen und Wähler letztlich bewusst getäuscht zu haben.
Letztlich konnten Sie aber offensichtlich dem Druck Ihrer Parteifreunde und der Öffentlichkeit nicht standhalten. Sie wollten schließlich nicht als verbohrte Verweigerer dastehen, denen das Scheitern eines historischen Prozesses zu Beginn der eigenen Legislaturperiode angelastet werden könnte. Also hat Rot-Grün, wie es auch im Wahlkampf schon vorhersehbar war, entgegen der eigenen Überzeugung dem Gesetzentwurf, dessen Kern sich im Wesentlichen ja nicht mehr verändert hat, insbesondere was die einzelnen Schritte und die Abfolge der Phasen angeht, zugestimmt und dafür auch öffentlich Anerkennung und in der Sache auch Zustimmung durch die Opposition erhalten.
Um den Bruch des Wahlversprechens zu rechtfertigen, wurde behauptet, man habe viel erreicht - etwa, dass künftig keine Castoren mehr nach Gorleben kommen würden. Dafür hat man sich im Landtag feiern lassen, auch wenn der Landesregierung schon damals klar sein musste, dass es ungewiss ist, ob es auch tatsächlich gelingt, zu verhindern, dass die Castoren weiter nach Gorleben fahren. Schließlich müssen dabei mehrere Akteure mit ganz unterschiedlichen Interessen - wie andere Bundesländer, aber auch die Betreiber - mitwirken und zustimmen. Zudem erfordert das Ganze erhebliche technische Erweiterungen an den Standortzwischenlagern und auch langwierige Genehmigungsverfahren.
Ungeachtet dessen erklärte Ministerpräsident Weil in der Landtagssitzung am 17. April 2013 feierlich - ich zitiere -:
„Die Einigung von Berlin ist der mit Abstand größte Erfolg, den das Wendland und alle seine Freunde in 35 Jahren erzielt haben.“
Nur am Rande, meine Damen und Herren: Dass viele Menschen im Wendland und insbesondere die Bürgerinitiativen, die sich gegen den Standort Gorleben wenden, das deutlich anders sehen - wie
im Übrigen auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frau Staudte -, dürfte auch Sie, Herr Ministerpräsident, inzwischen erreicht haben. Aber aus Ihrer Sicht war damit die Gefahr, für das Scheitern des neuen historischen Prozesses schuldig gemacht zu werden, zunächst einmal gebannt.
Meine Damen und Herren, in einer solchen Situation, in der man als Beobachter erwartet, dass die Landesregierung alles daran setzt, wenn sie es denn ernst meint, diesen so großen Erfolg für das Wendland in die Realität umzusetzen, meldet sich der Umweltminister überraschend mit einem Pressehintergrundgespräch zu Wort. Laut Zeitungsberichten vom 16. Mai 2013 erklärte er der staunenden Öffentlichkeit, dass neben der offenen Frage der Castortransporte nun doch noch eine ganze Reihe weiterer Fragen offen sei. So kritisierte er nun entgegen seiner persönlichen Zustimmung vom 9. April 2013 - er war ja persönlich bei dem Gipfeltreffen anwesend und hat dem Kompromiss zugestimmt -, dass der im von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam eingebrachten Gesetzentwurf für die untertägige Erkundung vorgesehene Zeitraum viel zu kurz sei. Ungeklärt seien auch die Fragen der Finanzierung, der Offenhaltung des Salzstocks und der Beteiligung von Kritikern.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frau Staudte, fasste laut Zeitungsbericht vom 16. Mai 2013 zusammen - ich zitiere -: „Dieses Gesetz ist nicht zustimmungsfähig.“
Demgegenüber bekannte sich wiederum Ministerpräsident Weil in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag grundsätzlich zu dem parteiübergreifend eingebrachten Gesetzentwurf und lobte ihn. Er sah dort weiterhin die Chance für Deutschland, zu einem neuen Endlagersuchverfahren zu kommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, welche Position vertritt denn nun diese Landesregierung? Stehen Sie zu diesem Gesetzentwurf und zu dem Kompromiss? Oder suchen Sie nur nach einem Anlass, den Schwarzen Peter nach Berlin zu schieben und so doch noch Ihre eigentliche Absicht, dem Standortauswahlgesetz nicht zuzustimmen, zu realisieren und damit den Bruch eines Wahlversprechens wiedergutzumachen?
Meine Damen und Herren, diese Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten bedürfen der Klärung. Denn für das Gelingen des neuen Verfahrens ist es notwendig, die Gunst der Stunde, die sich durch
den Konsens ergeben hat und die noch vor der Bundestagswahl genutzt werden muss, konsequent zu ergreifen. Dafür ist ein klares und unmissverständliches Signal aus Niedersachsen von wesentlicher Bedeutung.
Da wir mit Sorge sehen, dass das widersprüchliche Verhalten der rot-grünen Landesregierung den parteiübergreifend von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP getragenen Konsens gefährdet, werben wir für ein klares, unmissverständliches und entschiedenes Signal des Landtags in Richtung Bundesregierung und Bundestag, das besagt, dass wir als Niedersächsischer Landtag zu diesem historischen Konsens stehen und ihn so unterstützen, wie dies auch unsere Kolleginnen und Kollegen in Berlin tun.
Zu diesem Zweck haben wir diesen Entschließungsantrag eingebracht, der nach der Rede von Ministerpräsident Weil im April-Plenum für die Regierungsfraktionen ohne Weiteres zustimmungsfähig sein dürfte. Wir bitten deshalb um Ihre Zustimmung und beantragen sofortige Abstimmung.