Protokoll der Sitzung vom 13.11.2015

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Brunotte. - Jetzt hat sich Jörg Hillmer, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Thema kommt ja nicht überraschend. Wir haben schon viel früher damit gerechnet und nicht erst jetzt nach drei Jahren; denn immerhin war dieses Thema auch in Ihrem Koalitionsvertrag an prominenter Stelle genannt.

(Johanne Modder [SPD]: Warum ha- ben Sie denn aufgelöst, Herr Hillmer?)

Die spannende Frage ist doch: Warum kommt es gerade jetzt? - Meine Damen und Herren, die Antwort lautet wie beim Mediengesetz: Sie haben Torschlusspanik.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie spüren die Regierungsdämmerung, seit Sie in der zentralen Flüchtlingsfrage immer weiter auseinanderlaufen. Jetzt sollen noch schnell die letzten verbliebenen Gemeinsamkeiten in trockene Tücher gebracht werden. Das ist Ihre Intention.

Meine Damen und Herren, wo und mit welchem Mitteleinsatz findet heute politische Bildungsarbeit in Niedersachsen statt? - Ich habe eine Aufzählung erstellt.

Mit 150 000 Euro wird aktuell die Erwachsenenbildung in der Zentralstelle für politische Bildungsarbeit gefördert.

Das Kultusministerium hat 132 000 Euro für Maßnahmen der politischen Bildung im Rahmen des Projektes „Demokratiebewusstsein an Schulen stärken - Rechtsextremismus entschieden entgegentreten“, für Veranstaltungen, Kampagnen, Materialien und die Beratung interessierter Multiplikatoren reserviert.

Das Sozialministerium veranschlagt 100 000 Euro für Maßnahmen im Bereich Demokratie und Toleranz. Außerdem sind dort 500 000 Euro für Maßnahmen zur Prävention vor salafistischen Radikali

sierungen vorgesehen, u. a. für eine Beratungsstelle.

Im Haushalt des Innenministeriums stehen 300 000 Euro für besondere Präventionsmaßnahmen bereit. Dort findet sich auch Ihr Landesprogramm gegen Rechtsextremismus.

Auch der Verfassungsschutz, meine Damen und Herren, verfügt über 107 000 Euro für Präventionen sowie für Geheimschutzaufklärung und Erziehung.

Das Europäische Informationszentrum - EIZ, angesiedelt in der Staatskanzlei - wird jährlich mit 125 000 Euro an Landesmitteln finanziert. Das sind in der Summe 1,407 Millionen Euro, die für den gesamten Bereich zur Verfügung stehen. Damit werden Projekte gefördert, Veranstaltungen organisiert, Materialien zur Verfügung gestellt.

Außerdem möchte ich die wichtige Arbeit der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten hinzuzählen, für die allein die Finanzhilfe in 2015 mit 2,7 Millionen Euro zu Buche schlägt.

Ich möchte den Landespräventionsrat nennen, der beim Justizministerium angesiedelt ist und 2015 359 000 Euro erhält. Dort gibt es einen Arbeitsschwerpunkt Prävention von Rechtsextremismus und Radikalisierung, der darauf abzielt, ziviles Engagement, demokratisches Verhalten und den Einsatz für Vielfalt und Toleranz in Niedersachsen zu fördern.

Darüber hinaus fördert das Land nicht zuletzt die politischen Stiftungen mit jährlich 428 000 Euro, die sich ja auch in diesem Bereich engagieren.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in Niedersachsen auf der Landesebene politische Bildungsarbeit im großen Umfang stattfindet.

Ich frage Sie jetzt: Welche der genannten vielfältigen Aktivitäten wollen Sie aufgeben, um jetzt eine neue Einrichtung zu schaffen, der Sie das Türschild „Landeszentrale“ anheften wollen?

Die vielfältigen Aktivitäten, die ich dargestellt habe, mögen Sie Flickenteppich nennen. Aber das ist Ausdruck von Vielfalt, und Vielfalt erzeugt Staatsferne. Sie wollen jetzt darüber eine zentrale Steuereinheit legen. Warum tun Sie das?

Sie wollen die inhaltliche Auslegungshoheit über die politische Bildung erlangen. Ihr Antrag, meine Damen und Herren, strotzt so vor Ideologie, dass man befürchten muss, dass Sie in Wirklichkeit ein

Zentralkomitee für politische Bildung installieren wollen.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Um es ganz klar zu sagen: Die CDU setzt sich heute ebenso wie in der Vergangenheit für eine Stärkung der politischen Arbeit in unserem Bundesland ein.

(Lachen bei der SPD)

Wir unterstützen eine Stärkung der politischen Arbeit in Niedersachsen, wenn das, was Sie vorhaben, auch wirklich eine Stärkung der politischen Bildung ist.

SPD und Grüne schlagen jetzt eine Neuordnung vor. Wenn man einmal die ganze Parteitagsrhetorik in Ihrem Antrag beiseitelegt, bleibt ein Katalog an Anforderungen, die eine Landeszentralstelle erfüllen soll. Meine Damen und Herren, auch das kostet Geld.

Daher ist bei der Beurteilung Ihres Vorschlags besonders wichtig zu wissen, welche finanziellen Mittel Sie zusätzlich bereitstellen möchten. Im Haushaltsplanentwurf 2016 kann ich keine adäquate Gegenfinanzierung für eine Koordinierungsstelle oder gar eine Landeszentrale erkennen. Soll das etwa heißen, dass Sie erst 2017 in die Finanzierung einsteigen wollen?

Meine Damen und Herren, wir als CDU-Fraktion werden diese Diskussion konstruktiv begleiten.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das hat man mitgekriegt!)

Für uns muss politische Bildung aus der Mitte der Gesellschaft erfolgen. Eine politische Bildung, die auf dem linken Auge blind ist und einseitig die Bedrohung durch Linksextremismus

(Lachen bei den GRÜNEN)

und von linksradikalen Bewegungen ausblendet, halten wir nicht für geeignet.

(Zustimmung bei der CDU und von Jörg Bode [FDP])

Für uns war stets auch die Antisemitismusprävention besonders wichtig. Dazu verlieren Sie in Ihrem Antrag kein Wort.

Ein reines Versorgungswerk für grüne und rote Parteifreunde lehnen wir ab. Es liegt also an Ihnen. Wie nachhaltig eine neue Landeszentrale aufgestellt wird, darüber werden wir im Fachausschuss

reden, und wir werden auch ganz sicher den Kultusausschuss um Mitberatung bitten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Hillmer. - Es liegt eine Wortmeldung des Kollegen Brunotte zu einer Kurzintervention vor. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hillmer, es lässt in diesen politischen Debatten immer tief blicken, welches Staatsverständnis Sie mitbringen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wenn man bei allem, was ansteht, unterstellt, dass das Ganze nur parteipolitisch genutzt wird, dass es instrumentalisiert wird,

(Christian Grascha [FDP]: Das sind die Erfahrungen!)

dann entspricht das vielleicht der Erfahrung, die Sie von 2003 bis 2013 in eigener Regierungsverantwortung gemacht haben.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig! So ist es! - Zuruf von Chris- tian Grascha [FDP])

Aber es widerspricht diametral dem, wofür diese beiden Fraktionen hier stehen. Ich glaube, das haben wir an vielen Stellen deutlich gemacht.

(Zuruf von der CDU: Wenn man den Antrag liest, sieht das anders aus!)

Das gilt genauso für die Frage, wie wir uns bezüglich der Extremismusbereiche aufstellen werden. Wenn Sie den Antrag gelesen haben, werden Sie sicherlich den Link zur Dokumentationsstelle gesehen haben. Die wird sich mit allen Extremismusbereichen auseinandersetzen. Dass irgendjemand auf irgendeinem Auge blind ist, müssen wir hier uns, glaube ich, nicht unterstellen.

Sie können auch ganz sicher sein, dass wir dafür sorgen werden - auch das findet sich nämlich im Antrag wieder -, dass eine solche Institution natürlich eine fähige, schlagkräftige Einheit sein wird und dass an der Stelle die Voraussetzungen, die